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Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. 3. Aufl. Bd. 1. Nordhausen, 1740.

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sondern vielleicht gar Lebens-Gefahr zu befürchten
war, so ferne meine Gefährten dergleichen Gedan-
cken merckten, hielt ich darmit an mich, und nahm
mir vor auf andere Mittel zu gedencken, wodurch
diese unvernünfftige Schiffarth rückgängig gemacht
werden könte. Allein, das unerforschliche Ver-
hängniß überhob mich dieser Mühe, denn wenige
Tage hierauf, erhub sich ein grausamer Sturm zur
See, welchen wir von den hohen Felsen-Spitzen mit
Erstaunen zusahen, jedoch gar bald durch einen un-
gewöhnlichen hefftigen Regen in unsere Hütten ge-
trieben wurden, da aber bey herein brechender Nacht
ein jeder im Begriff war, sich zur Ruhe zu begeben,
wurde die gantze Jnsul von einem hefftigen Erdbeben
gewaltig erschüttert, worauf ein dumpffiges Gepras-
sele folgete, welches binnen einer oder zweyer Stun-
den Zeit noch 5. oder 6. mahl zu hören war. Meine
Gesährten, ja so gar auch die zwey Krancken kamen
gleich bey erster Empfindung desselben eiligst in mei-
ne Hütte gelauffen, als ob sie bey mir Schutz suchen
wolten, und meynten nicht anders, es müsse das Ende
der Welt vorhanden seyn; da aber gegen Morgen
alles wiederum stille war, und der Sonnen lieblicher
Glantz zum Vorscheine kam, verschwand zwar die
Furcht vor dasmahl, allein unser zusammen gesetztes
Schrecken war desto grösser, da wir die eintzige Ein-
fahrt in unsere Jnsul, nehmlich den Auslauff des
Westlichen Flusses, durch die von beyden Seiten
herab geschossenen Felsen gäntzlich verschüttet sahen,
so daß das gantze Westliche Thal von dem gehemm-
ten Strome unter Wasser gesetzt war.

Dieses
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ſondern vielleicht gar Lebens-Gefahr zu befuͤrchten
war, ſo ferne meine Gefaͤhrten dergleichen Gedan-
cken merckten, hielt ich darmit an mich, und nahm
mir vor auf andere Mittel zu gedencken, wodurch
dieſe unvernuͤnfftige Schiffarth ruͤckgaͤngig gemacht
werden koͤnte. Allein, das unerforſchliche Ver-
haͤngniß uͤberhob mich dieſer Muͤhe, denn wenige
Tage hierauf, erhub ſich ein grauſamer Sturm zur
See, welchen wir von den hohen Felſen-Spitzen mit
Erſtaunen zuſahen, jedoch gar bald durch einen un-
gewoͤhnlichen hefftigen Regen in unſere Huͤtten ge-
trieben wurden, da aber bey herein brechender Nacht
ein jeder im Begriff war, ſich zur Ruhe zu begeben,
wurde die gantze Jnſul von einem hefftigen Erdbeben
gewaltig erſchuͤttert, worauf ein dumpffiges Gepraſ-
ſele folgete, welches binnen einer oder zweyer Stun-
den Zeit noch 5. oder 6. mahl zu hoͤren war. Meine
Geſaͤhrten, ja ſo gar auch die zwey Krancken kamen
gleich bey erſter Empfindung deſſelben eiligſt in mei-
ne Huͤtte gelauffen, als ob ſie bey mir Schutz ſuchen
wolten, und meynten nicht anders, es muͤſſe das Ende
der Welt vorhanden ſeyn; da aber gegen Morgen
alles wiederum ſtille war, und der Sonnen lieblicher
Glantz zum Vorſcheine kam, verſchwand zwar die
Furcht vor dasmahl, allein unſer zuſammen geſetztes
Schrecken war deſto groͤſſer, da wir die eintzige Ein-
fahrt in unſere Jnſul, nehmlich den Auslauff des
Weſtlichen Fluſſes, durch die von beyden Seiten
herab geſchoſſenen Felſen gaͤntzlich verſchuͤttet ſahen,
ſo daß das gantze Weſtliche Thal von dem gehemm-
ten Strome unter Waſſer geſetzt war.

Dieſes
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[595/0609] ſondern vielleicht gar Lebens-Gefahr zu befuͤrchten war, ſo ferne meine Gefaͤhrten dergleichen Gedan- cken merckten, hielt ich darmit an mich, und nahm mir vor auf andere Mittel zu gedencken, wodurch dieſe unvernuͤnfftige Schiffarth ruͤckgaͤngig gemacht werden koͤnte. Allein, das unerforſchliche Ver- haͤngniß uͤberhob mich dieſer Muͤhe, denn wenige Tage hierauf, erhub ſich ein grauſamer Sturm zur See, welchen wir von den hohen Felſen-Spitzen mit Erſtaunen zuſahen, jedoch gar bald durch einen un- gewoͤhnlichen hefftigen Regen in unſere Huͤtten ge- trieben wurden, da aber bey herein brechender Nacht ein jeder im Begriff war, ſich zur Ruhe zu begeben, wurde die gantze Jnſul von einem hefftigen Erdbeben gewaltig erſchuͤttert, worauf ein dumpffiges Gepraſ- ſele folgete, welches binnen einer oder zweyer Stun- den Zeit noch 5. oder 6. mahl zu hoͤren war. Meine Geſaͤhrten, ja ſo gar auch die zwey Krancken kamen gleich bey erſter Empfindung deſſelben eiligſt in mei- ne Huͤtte gelauffen, als ob ſie bey mir Schutz ſuchen wolten, und meynten nicht anders, es muͤſſe das Ende der Welt vorhanden ſeyn; da aber gegen Morgen alles wiederum ſtille war, und der Sonnen lieblicher Glantz zum Vorſcheine kam, verſchwand zwar die Furcht vor dasmahl, allein unſer zuſammen geſetztes Schrecken war deſto groͤſſer, da wir die eintzige Ein- fahrt in unſere Jnſul, nehmlich den Auslauff des Weſtlichen Fluſſes, durch die von beyden Seiten herab geſchoſſenen Felſen gaͤntzlich verſchuͤttet ſahen, ſo daß das gantze Weſtliche Thal von dem gehemm- ten Strome unter Waſſer geſetzt war. Dieſes P p 2

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Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. 3. Aufl. Bd. 1. Nordhausen, 1740, S. 595. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata01_1740/609>, abgerufen am 31.10.2024.