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Schröder, Ernst: Vorlesungen über die Algebra der Logik. Bd. 1. Leipzig, 1890.

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Einleitung.
Bedeutung des Namens gegen dasjenige zu eifern, erfolgreich zu polemi-
siren, was unter demselben Namen im Grunde von einer ganz andern Sache
-- und vielleicht mit Recht -- behauptet worden ist. Desgleichen machen
sie es leicht, den Gegner, der den Namen in mehrerlei Siune brauchte, oder
(wie sollte er auch anders!) abweichenden Gebrauch bei Andern zuliess,
der Inkonsequenz, anscheinend des Widerspruchs zu überführen. Etc.

kh1) Ungeachtet der hervorgehobenen eminent praktischen Wichtig-
keit sorgfältigen Achtens auf etwaige Doppelsinnigkeit verwendeter
Namen oder Zeichen gebührt den vielsinnigen Namen doch eigentlich
keine Stelle in dem System der Logik selbst. Ihre Betrachtung liegt
von rechtswegen nur der angewandten Logik ob. In der Theorie müssen
wir die fundamentale Anforderung der Einsinnigkeit, kraft welcher erst
ein Zeichen seiner Bestimmung voll zu genügen vermag, jeweils als
erfüllt voraussetzen und dieses Ideal, bevor wir zu Nutzanwendungen
schreiten, allemal vorgängig zu erfüllen trachten.

Hierzu ist es ausreichend, einen etwa vorgefundenen vielsinnigen
Namen (wie man nach früheren sagen kann) zu "differenziiren", das
heisst hier: so viel verschiedene Namen aus ihm zu machen, als in
wie viel verschiedenen Bedeutungen er gebraucht werden soll. Leicht
wird dies hingebracht, indem man ihn z. B. durch einen Buchstaben
repräsentirt und diesem alsdann Indices 1, 2, 3, ... anhängt, je nach-
dem man ihn in seiner ersten, zweiten u. s. w. Bedeutung verstanden
haben will.

Der doppelsinnige Name gilt in der Logik für ein Paar von
Namen, die nur zufällig gleichen Klang haben; er repräsentirt uns
ganz verschiedene Objekte des Denkens, Objekte, die darum doch nichts
miteinander zu schaffen haben sollen. Von diesen wird zu sagen sein,
dass sie "homonym" durch ihn bezeichnet seien.

Ein Hauptgrund, weshalb die grosse Mehrzahl der Wörter sich als
mehrsinnig erweist, ist darin zu erblicken, dass von psychologischen Mo-
menten beherrscht die Sprache in ihrer historischen Entwickelung sich so
häufig bewogen sah, einen Namen von den einen auf andere Dinge zu über-
tragen
(zu transferiren), die mit jenen eine hervorragende Analogie offen-
barten oder auch nur mit ihnen regelmässig sich assoziirt zeigten -- wie
z. B. "(Stände-)Haus" auf die gesetzberatende Körperschaft der Volksvertreter.

Nicht selten kriecht so gewissermassen ein Name vom einen Ding zum
andern, bis schliesslich oft keine grössere Gemeinschaft zwischen seinen ver-
schiedenen Bedeutungen erkennbar ist, als zwischen irgend welchen mit ganz
verschiedenen Namen belegten Objekten (Mill).

Namentlich aber -- und dies ist das wichtigste Moment -- hatte
die Sprache alle Ausdrücke für Objekte, Qualitäten und Verhältnisse auf
den geistigen Gebieten einst zu entlehnen aus dem naturgemäss zuerst

Einleitung.
Bedeutung des Namens gegen dasjenige zu eifern, erfolgreich zu polemi-
siren, was unter demselben Namen im Grunde von einer ganz andern Sache
— und vielleicht mit Recht — behauptet worden ist. Desgleichen machen
sie es leicht, den Gegner, der den Namen in mehrerlei Siune brauchte, oder
(wie sollte er auch anders!) abweichenden Gebrauch bei Andern zuliess,
der Inkonsequenz, anscheinend des Widerspruchs zu überführen. Etc.

χ1) Ungeachtet der hervorgehobenen eminent praktischen Wichtig-
keit sorgfältigen Achtens auf etwaige Doppelsinnigkeit verwendeter
Namen oder Zeichen gebührt den vielsinnigen Namen doch eigentlich
keine Stelle in dem System der Logik selbst. Ihre Betrachtung liegt
von rechtswegen nur der angewandten Logik ob. In der Theorie müssen
wir die fundamentale Anforderung der Einsinnigkeit, kraft welcher erst
ein Zeichen seiner Bestimmung voll zu genügen vermag, jeweils als
erfüllt voraussetzen und dieses Ideal, bevor wir zu Nutzanwendungen
schreiten, allemal vorgängig zu erfüllen trachten.

Hierzu ist es ausreichend, einen etwa vorgefundenen vielsinnigen
Namen (wie man nach früheren sagen kann) zu „differenziiren“, das
heisst hier: so viel verschiedene Namen aus ihm zu machen, als in
wie viel verschiedenen Bedeutungen er gebraucht werden soll. Leicht
wird dies hingebracht, indem man ihn z. B. durch einen Buchstaben
repräsentirt und diesem alsdann Indices 1, 2, 3, … anhängt, je nach-
dem man ihn in seiner ersten, zweiten u. s. w. Bedeutung verstanden
haben will.

Der doppelsinnige Name gilt in der Logik für ein Paar von
Namen, die nur zufällig gleichen Klang haben; er repräsentirt uns
ganz verschiedene Objekte des Denkens, Objekte, die darum doch nichts
miteinander zu schaffen haben sollen. Von diesen wird zu sagen sein,
dass sie „homonym“ durch ihn bezeichnet seien.

Ein Hauptgrund, weshalb die grosse Mehrzahl der Wörter sich als
mehrsinnig erweist, ist darin zu erblicken, dass von psychologischen Mo-
menten beherrscht die Sprache in ihrer historischen Entwickelung sich so
häufig bewogen sah, einen Namen von den einen auf andere Dinge zu über-
tragen
(zu transferiren), die mit jenen eine hervorragende Analogie offen-
barten oder auch nur mit ihnen regelmässig sich assoziirt zeigten — wie
z. B. „(Stände-)Haus“ auf die gesetzberatende Körperschaft der Volksvertreter.

Nicht selten kriecht so gewissermassen ein Name vom einen Ding zum
andern, bis schliesslich oft keine grössere Gemeinschaft zwischen seinen ver-
schiedenen Bedeutungen erkennbar ist, als zwischen irgend welchen mit ganz
verschiedenen Namen belegten Objekten (Mill).

Namentlich aber — und dies ist das wichtigste Moment — hatte
die Sprache alle Ausdrücke für Objekte, Qualitäten und Verhältnisse auf
den geistigen Gebieten einst zu entlehnen aus dem naturgemäss zuerst

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[54/0074] Einleitung. Bedeutung des Namens gegen dasjenige zu eifern, erfolgreich zu polemi- siren, was unter demselben Namen im Grunde von einer ganz andern Sache — und vielleicht mit Recht — behauptet worden ist. Desgleichen machen sie es leicht, den Gegner, der den Namen in mehrerlei Siune brauchte, oder (wie sollte er auch anders!) abweichenden Gebrauch bei Andern zuliess, der Inkonsequenz, anscheinend des Widerspruchs zu überführen. Etc. χ1) Ungeachtet der hervorgehobenen eminent praktischen Wichtig- keit sorgfältigen Achtens auf etwaige Doppelsinnigkeit verwendeter Namen oder Zeichen gebührt den vielsinnigen Namen doch eigentlich keine Stelle in dem System der Logik selbst. Ihre Betrachtung liegt von rechtswegen nur der angewandten Logik ob. In der Theorie müssen wir die fundamentale Anforderung der Einsinnigkeit, kraft welcher erst ein Zeichen seiner Bestimmung voll zu genügen vermag, jeweils als erfüllt voraussetzen und dieses Ideal, bevor wir zu Nutzanwendungen schreiten, allemal vorgängig zu erfüllen trachten. Hierzu ist es ausreichend, einen etwa vorgefundenen vielsinnigen Namen (wie man nach früheren sagen kann) zu „differenziiren“, das heisst hier: so viel verschiedene Namen aus ihm zu machen, als in wie viel verschiedenen Bedeutungen er gebraucht werden soll. Leicht wird dies hingebracht, indem man ihn z. B. durch einen Buchstaben repräsentirt und diesem alsdann Indices 1, 2, 3, … anhängt, je nach- dem man ihn in seiner ersten, zweiten u. s. w. Bedeutung verstanden haben will. Der doppelsinnige Name gilt in der Logik für ein Paar von Namen, die nur zufällig gleichen Klang haben; er repräsentirt uns ganz verschiedene Objekte des Denkens, Objekte, die darum doch nichts miteinander zu schaffen haben sollen. Von diesen wird zu sagen sein, dass sie „homonym“ durch ihn bezeichnet seien. Ein Hauptgrund, weshalb die grosse Mehrzahl der Wörter sich als mehrsinnig erweist, ist darin zu erblicken, dass von psychologischen Mo- menten beherrscht die Sprache in ihrer historischen Entwickelung sich so häufig bewogen sah, einen Namen von den einen auf andere Dinge zu über- tragen (zu transferiren), die mit jenen eine hervorragende Analogie offen- barten oder auch nur mit ihnen regelmässig sich assoziirt zeigten — wie z. B. „(Stände-)Haus“ auf die gesetzberatende Körperschaft der Volksvertreter. Nicht selten kriecht so gewissermassen ein Name vom einen Ding zum andern, bis schliesslich oft keine grössere Gemeinschaft zwischen seinen ver- schiedenen Bedeutungen erkennbar ist, als zwischen irgend welchen mit ganz verschiedenen Namen belegten Objekten (Mill). Namentlich aber — und dies ist das wichtigste Moment — hatte die Sprache alle Ausdrücke für Objekte, Qualitäten und Verhältnisse auf den geistigen Gebieten einst zu entlehnen aus dem naturgemäss zuerst

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Zitationshilfe: Schröder, Ernst: Vorlesungen über die Algebra der Logik. Bd. 1. Leipzig, 1890, S. 54. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schroeder_logik01_1890/74>, abgerufen am 02.06.2024.