ist dann jähzornig und streitsüchtig, der Blöde voll Muthes.
Wir werden alle jene Erscheinungen aus dem Da- seyn jenes Doppelsystemes der Nerven, und seiner Trennung begreiflich finden. Es war in jenen Fällen die durchs Gangliensystem wirkende Seelenthätigkeit, welche den von der gewöhnlichen Persönlichkeit getrenn- ten Zustand begründete, und sehr oft, z. B. in dem von Gmelin erzählten Falle, verräth sich der eigen- thümliche Charakter des Gangliensystems, durch die Gabe der prophetischen Voraussicht, oder durch die Erscheinungen eines ungewöhnlich geschärften Fern- und Gemein- Gefühls. Wenn die Seele in dem ei- nen Zustand, das Gangliensystem zum Mittelpunkt ihrer Wirksamkeit wählt, sieht sie sich, durch jene na- türliche Scheidewand, von den Hülfsmitteln des Cere- bralsystems und der Sinne verlassen, und umgekehrt.
Der Traum zeigt uns noch einen dritten, eine Art von Mittelzustand. Wir erinnern uns beym Er- wachen lebhafter Träume, und selbst in der Geschich- te des Sdmnambulismus wird bemerkt, daß zuweilen das, was während der Krise geschehen, und was beym Erwachen für die Erinnerung ganz verloren schien, im Traume der nächstfolgenden Nacht sich der Seele von neuem, als Traumbild vorstellt, und als solches auch nach dem Erwachen Erinnerungen zurückläßt. *) So wird der Traum ein vermittelndes Glied zwischen dem
Zu-
*)Kluge (nach Nasse) S. 187.
iſt dann jaͤhzornig und ſtreitſuͤchtig, der Bloͤde voll Muthes.
Wir werden alle jene Erſcheinungen aus dem Da- ſeyn jenes Doppelſyſtemes der Nerven, und ſeiner Trennung begreiflich finden. Es war in jenen Faͤllen die durchs Ganglienſyſtem wirkende Seelenthaͤtigkeit, welche den von der gewoͤhnlichen Perſoͤnlichkeit getrenn- ten Zuſtand begruͤndete, und ſehr oft, z. B. in dem von Gmelin erzaͤhlten Falle, verraͤth ſich der eigen- thuͤmliche Charakter des Ganglienſyſtems, durch die Gabe der prophetiſchen Vorausſicht, oder durch die Erſcheinungen eines ungewoͤhnlich geſchaͤrften Fern- und Gemein- Gefuͤhls. Wenn die Seele in dem ei- nen Zuſtand, das Ganglienſyſtem zum Mittelpunkt ihrer Wirkſamkeit waͤhlt, ſieht ſie ſich, durch jene na- tuͤrliche Scheidewand, von den Huͤlfsmitteln des Cere- bralſyſtems und der Sinne verlaſſen, und umgekehrt.
Der Traum zeigt uns noch einen dritten, eine Art von Mittelzuſtand. Wir erinnern uns beym Er- wachen lebhafter Traͤume, und ſelbſt in der Geſchich- te des Sdmnambulismus wird bemerkt, daß zuweilen das, was waͤhrend der Kriſe geſchehen, und was beym Erwachen fuͤr die Erinnerung ganz verloren ſchien, im Traume der naͤchſtfolgenden Nacht ſich der Seele von neuem, als Traumbild vorſtellt, und als ſolches auch nach dem Erwachen Erinnerungen zuruͤcklaͤßt. *) So wird der Traum ein vermittelndes Glied zwiſchen dem
Zu-
*)Kluge (nach Naſſe) S. 187.
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iſt dann jaͤhzornig und ſtreitſuͤchtig, der Bloͤde voll
Muthes.
Wir werden alle jene Erſcheinungen aus dem Da-
ſeyn jenes Doppelſyſtemes der Nerven, und ſeiner
Trennung begreiflich finden. Es war in jenen Faͤllen
die durchs Ganglienſyſtem wirkende Seelenthaͤtigkeit,
welche den von der gewoͤhnlichen Perſoͤnlichkeit getrenn-
ten Zuſtand begruͤndete, und ſehr oft, z. B. in dem
von Gmelin erzaͤhlten Falle, verraͤth ſich der eigen-
thuͤmliche Charakter des Ganglienſyſtems, durch die
Gabe der prophetiſchen Vorausſicht, oder durch die
Erſcheinungen eines ungewoͤhnlich geſchaͤrften Fern-
und Gemein- Gefuͤhls. Wenn die Seele in dem ei-
nen Zuſtand, das Ganglienſyſtem zum Mittelpunkt
ihrer Wirkſamkeit waͤhlt, ſieht ſie ſich, durch jene na-
tuͤrliche Scheidewand, von den Huͤlfsmitteln des Cere-
bralſyſtems und der Sinne verlaſſen, und umgekehrt.
Der Traum zeigt uns noch einen dritten, eine
Art von Mittelzuſtand. Wir erinnern uns beym Er-
wachen lebhafter Traͤume, und ſelbſt in der Geſchich-
te des Sdmnambulismus wird bemerkt, daß zuweilen
das, was waͤhrend der Kriſe geſchehen, und was beym
Erwachen fuͤr die Erinnerung ganz verloren ſchien, im
Traume der naͤchſtfolgenden Nacht ſich der Seele von
neuem, als Traumbild vorſtellt, und als ſolches auch
nach dem Erwachen Erinnerungen zuruͤcklaͤßt. *) So
wird der Traum ein vermittelndes Glied zwiſchen dem
Zu-
*) Kluge (nach Naſſe) S. 187.
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Schubert, Gotthilf Heinrich von: Die Symbolik des Traumes. Bamberg, 1814, S. 111. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schubert_symbolik_1814/121>, abgerufen am 15.06.2024.
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