Siegmeyer, Johann Gottlieb: Theorie der Tonsetzkunst. Berlin, 1822.Da jedoch die Bemühungen unserer Vorfahren, ob sie schon größtentheils den Zweck Bevor ich aber zu der beabsichtigten kurzen Erklärung übergehe, sehe ich mich genö- Der Contrapunkt ist die Lehre, wie einem melodischen Satze, er sei kurz oder lang Die Kenntnis des Contrapunkts dient nicht allein zur harmonischen Führung der Die Benennung Contrapunkt rührt daher, daß in frühern Zeiten auf die Linien [Musik]
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Da jedoch die Bemuͤhungen unſerer Vorfahren, ob ſie ſchon groͤßtentheils den Zweck Bevor ich aber zu der beabſichtigten kurzen Erklaͤrung uͤbergehe, ſehe ich mich genoͤ- Der Contrapunkt iſt die Lehre, wie einem melodiſchen Satze, er ſei kurz oder lang Die Kenntnis des Contrapunkts dient nicht allein zur harmoniſchen Fuͤhrung der Die Benennung Contrapunkt ruͤhrt daher, daß in fruͤhern Zeiten auf die Linien [Musik]
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<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0181" n="163"/> <p>Da jedoch die Bemuͤhungen unſerer Vorfahren, ob ſie ſchon groͤßtentheils den Zweck<lb/> verfehlten, ſehr lobenswerth und mit Dank zu erkennen ſind, weil ſie uns einen <hi rendition="#g">uner-<lb/> ſchoͤpflichen Vorrath materieller Theile der Muſik</hi> hinterlaſſen haben, die<lb/> auch in dem jetzigen Zuſtande der Kultur, noch den Grund aller wahren und klaßiſchen<lb/> Schoͤnheiten ausmachen, ſo iſt es wichtig genug, ſich einen richtigen Begriff von der Na-<lb/> tur des Contrapunktes, der Fuge und des Canons als die Haupt Gegenſtaͤnde jener Leh-<lb/> ren, zu verſchaffen und zu eroͤrtern, inwiefern ſie noch zu Erfindung der modernen klaſſi-<lb/> ſchen Muſik eines Gluck, Mozart Haydn ꝛc. beigetragen haben, und aus welchen Gruͤnden<lb/> in neurer Zeit wieder eine Ruͤckgaͤngigkeit derſelben zu befuͤrchten ſteht, wenn man ſich<lb/> nicht die Muͤhe giebt, die Schoͤnheit der Muſik in der Gruͤndlichkeit dieſer Lehren zu ſuchen.</p><lb/> <p>Bevor ich aber zu der beabſichtigten kurzen Erklaͤrung uͤbergehe, ſehe ich mich genoͤ-<lb/> thigt zu bemerken: daß die Regeln und Ausnahmen, einen der nachfolgenden Contra-<lb/> punkte zu verfertigen zu zahlreich ſind, als daß ſie <hi rendition="#g">hier</hi> alle mit aufgenommen werden<lb/> koͤnnten, weshalb ich diejenigen, die einen ganz genauen Begriff von <hi rendition="#g">allen Arten</hi> des<lb/> Contrapunkts, der Fuge, und des Canons zu erhalten wuͤnſchen, auf die ſchaͤtzenswerthe<lb/><hi rendition="#g">Abhandlung von der Fuge</hi> von F. W. Marpurg. Leipzig (<hi rendition="#aq">Bureau de Musique</hi>) 1806.<lb/> verweiſe.</p><lb/> <p>Der Contrapunkt iſt die Lehre, wie <hi rendition="#g">einem</hi> melodiſchen Satze, er ſei kurz oder lang<lb/> in einer andern Stimme ein <hi rendition="#g">andrer</hi> melodiſcher Satz, eben ſo lang, kuͤrzer oder groͤ-<lb/> ßer, in eben der Noten Geltung, in verkleinerten oder vergroͤßerten Noten, mit oder<lb/> ohne Pauſen, ruͤckenden oder gebundenen Noten wie ſie der Rhythmus und die Ton-<lb/> art zulaͤßt, <hi rendition="#g">entgegen</hi>, das heißt: <hi rendition="#g">daruͤber</hi> oder <hi rendition="#g">darunter</hi> geſetzt werden kann.</p><lb/> <p>Die Kenntnis des Contrapunkts dient nicht allein zur harmoniſchen Fuͤhrung der<lb/> Stimmen gegen die Haupt Melodie, ſondern auch und beſonders zu Erwerbung eines<lb/> unerſchoͤpflichen Vorraths der <hi rendition="#g">Formen</hi>, die ſich zur Schreibart oder <hi rendition="#g">zum Ausdrucke</hi><lb/> in der <hi rendition="#g">Muſik</hi> verhalten wie die <hi rendition="#g">Worte</hi> zur <hi rendition="#g">Sprache</hi>.</p><lb/> <p>Die Benennung Contrapunkt ruͤhrt daher, daß in fruͤhern Zeiten auf die Linien<lb/> oder Notenleitern nur Punkte ſtatt der jetzigen Noten geſetzt wurden. Erfand nun Je-<lb/> mand eine Melodie, ſo bezeichnete er die Toͤne <hi rendition="#g">auf</hi> und <hi rendition="#g">zwiſchen den Stufen<lb/> durch Punkte</hi> z. B.<lb/><figure type="notatedMusic"/><lb/> <fw place="bottom" type="sig">X 2</fw><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [163/0181]
Da jedoch die Bemuͤhungen unſerer Vorfahren, ob ſie ſchon groͤßtentheils den Zweck
verfehlten, ſehr lobenswerth und mit Dank zu erkennen ſind, weil ſie uns einen uner-
ſchoͤpflichen Vorrath materieller Theile der Muſik hinterlaſſen haben, die
auch in dem jetzigen Zuſtande der Kultur, noch den Grund aller wahren und klaßiſchen
Schoͤnheiten ausmachen, ſo iſt es wichtig genug, ſich einen richtigen Begriff von der Na-
tur des Contrapunktes, der Fuge und des Canons als die Haupt Gegenſtaͤnde jener Leh-
ren, zu verſchaffen und zu eroͤrtern, inwiefern ſie noch zu Erfindung der modernen klaſſi-
ſchen Muſik eines Gluck, Mozart Haydn ꝛc. beigetragen haben, und aus welchen Gruͤnden
in neurer Zeit wieder eine Ruͤckgaͤngigkeit derſelben zu befuͤrchten ſteht, wenn man ſich
nicht die Muͤhe giebt, die Schoͤnheit der Muſik in der Gruͤndlichkeit dieſer Lehren zu ſuchen.
Bevor ich aber zu der beabſichtigten kurzen Erklaͤrung uͤbergehe, ſehe ich mich genoͤ-
thigt zu bemerken: daß die Regeln und Ausnahmen, einen der nachfolgenden Contra-
punkte zu verfertigen zu zahlreich ſind, als daß ſie hier alle mit aufgenommen werden
koͤnnten, weshalb ich diejenigen, die einen ganz genauen Begriff von allen Arten des
Contrapunkts, der Fuge, und des Canons zu erhalten wuͤnſchen, auf die ſchaͤtzenswerthe
Abhandlung von der Fuge von F. W. Marpurg. Leipzig (Bureau de Musique) 1806.
verweiſe.
Der Contrapunkt iſt die Lehre, wie einem melodiſchen Satze, er ſei kurz oder lang
in einer andern Stimme ein andrer melodiſcher Satz, eben ſo lang, kuͤrzer oder groͤ-
ßer, in eben der Noten Geltung, in verkleinerten oder vergroͤßerten Noten, mit oder
ohne Pauſen, ruͤckenden oder gebundenen Noten wie ſie der Rhythmus und die Ton-
art zulaͤßt, entgegen, das heißt: daruͤber oder darunter geſetzt werden kann.
Die Kenntnis des Contrapunkts dient nicht allein zur harmoniſchen Fuͤhrung der
Stimmen gegen die Haupt Melodie, ſondern auch und beſonders zu Erwerbung eines
unerſchoͤpflichen Vorraths der Formen, die ſich zur Schreibart oder zum Ausdrucke
in der Muſik verhalten wie die Worte zur Sprache.
Die Benennung Contrapunkt ruͤhrt daher, daß in fruͤhern Zeiten auf die Linien
oder Notenleitern nur Punkte ſtatt der jetzigen Noten geſetzt wurden. Erfand nun Je-
mand eine Melodie, ſo bezeichnete er die Toͤne auf und zwiſchen den Stufen
durch Punkte z. B.
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