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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715.

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ARTIC. I. SECT. XIIX.
ge Christen mit den Juden in gespräch einliessen, auch nicht sagen will, daß
nie nichts damit ausgerichtet würde; ich habe aber auch wenig hoffnung
der frucht, und hielte nöthig, daß den leuten mißrathen würde, etwas zu
versuchen, die nicht dazu wol tüchtig sind, diese aber, die es sind, erinnert
würden, wie sie mit liebe und krafft das wort bey den Juden zu brauchen
hätten.
6. Also bleibet noch übrig, daß das ordentliche predigamt, wie in an-
dern stücken also auch hierinnen das meiste thue: Und würde also darzu dien-
lich seyn, daß einerseits in einem lande oder herrsthafft immer aufs wenig-
ste einer oder ander unter den predigern dahin angewiesen würden, sich in den
materien, darinnen wir es mit den Juden zu thun haben, fleißiger zu üben,
und sich also tüchtig zu machen, damit er nützlich mit ihnen handlen könte:
Anderseits aber daß ihnen ihr amt an solchen unglaubigen zu verrichten auch
anlaß und macht gegeben würde. Dahin gehörte, daß die Juden schuldig
seyn müsten, wo ein und anderer von dem prediger beschickt würde, zu ihm zu
kommen, und eine freundliche erinnerung anzuhören, da er ihnen die grund-
lehren unsers Christenthums vorlegte, hingegen ihnen auch frey gebe, die
einwürffe, so sie von ihren Rabbinen höreten, ihm vorzustellen, und ihnen
solche gründlich beantwortete. Sonderlich aber, daß des jahrs zu gewissen
zeiten eine predigt gehalten würde, darein sie zu gehen gehalten wären.
Denn ob wol die herrschafft des gewissens keinem weltlichen regenten gehö-
ret, und sich also keiner derselben auch gegen die Juden anzumassen hat, so ist
doch so viel in derselben gewalt, sie gleichwol zu nöthigen, daß sie etwas an-
hören müssen, als welches nicht wider dero gewissen streitet, nur daß man ih-
nen nachmal keinen zwang weiter anthut.
7. Jndessen ist auch solches mittel, welches ihnen hart und bitter vor-
kommet, auf alle mügliche weise zu versüssen, und ihres gewissens zu scho-
nen: Daß man sie zu keiner eusserlichen ehrerbietung bey nennung des na-
mens JESU, oder einigem andern ectu, welcher wider ihr gewissen eigen-
lich lauffet/ nöthige. Jch wolte mit ihnen auch gern dispensiren, daß sie zu
solcher predigt anhörung in keine christliche kirche, sonderlich da einige bilder
inne wären, gezwungen, sondern lieber solche versammlung anderwertlich an-
gestellet, und nach müglichkeit alles vermieden werde, was ihnen eine ohne
das unangenehme sache schwerer machte, aber eben auch zugleich die frucht,
die man davon hoffet und verlanget, verringerte.
8. Dem prediger läge aber dabey ob, daß er sowol GOTT hertzlich
um seine gnade zu so wichtigem werck anruffe, als sich befleisse, wie mans
am nützlichsten und fruchtbarsten angreiffe: Dazu gehöret vornemlich eine
freund-
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ARTIC. I. SECT. XIIX.
ge Chriſten mit den Juden in geſpraͤch einlieſſen, auch nicht ſagen will, daß
nie nichts damit ausgerichtet wuͤrde; ich habe aber auch wenig hoffnung
der frucht, und hielte noͤthig, daß den leuten mißrathen wuͤrde, etwas zu
verſuchen, die nicht dazu wol tuͤchtig ſind, dieſe aber, die es ſind, erinnert
wuͤrden, wie ſie mit liebe und krafft das wort bey den Juden zu brauchen
haͤtten.
6. Alſo bleibet noch uͤbrig, daß das ordentliche predigamt, wie in an-
dern ſtuͤcken alſo auch hierinnen das meiſte thue: Und wuͤrde alſo darzu dien-
lich ſeyn, daß einerſeits in einem lande oder herrſthafft immer aufs wenig-
ſte einer oder ander unter den predigern dahin angewieſen wuͤrden, ſich in den
materien, darinnen wir es mit den Juden zu thun haben, fleißiger zu uͤben,
und ſich alſo tuͤchtig zu machen, damit er nuͤtzlich mit ihnen handlen koͤnte:
Anderſeits aber daß ihnen ihr amt an ſolchen unglaubigen zu verrichten auch
anlaß und macht gegeben wuͤrde. Dahin gehoͤrte, daß die Juden ſchuldig
ſeyn muͤſten, wo ein und anderer von dem prediger beſchickt wuͤrde, zu ihm zu
kommen, und eine freundliche erinnerung anzuhoͤren, da er ihnen die grund-
lehren unſers Chriſtenthums vorlegte, hingegen ihnen auch frey gebe, die
einwuͤrffe, ſo ſie von ihren Rabbinen hoͤreten, ihm vorzuſtellen, und ihnen
ſolche gruͤndlich beantwortete. Sonderlich aber, daß des jahrs zu gewiſſen
zeiten eine predigt gehalten wuͤrde, darein ſie zu gehen gehalten waͤren.
Denn ob wol die herrſchafft des gewiſſens keinem weltlichen regenten gehoͤ-
ret, und ſich alſo keiner derſelben auch gegen die Juden anzumaſſen hat, ſo iſt
doch ſo viel in derſelben gewalt, ſie gleichwol zu noͤthigen, daß ſie etwas an-
hoͤren muͤſſen, als welches nicht wider dero gewiſſen ſtreitet, nur daß man ih-
nen nachmal keinen zwang weiter anthut.
7. Jndeſſen iſt auch ſolches mittel, welches ihnen hart und bitter vor-
kommet, auf alle muͤgliche weiſe zu verſuͤſſen, und ihres gewiſſens zu ſcho-
nen: Daß man ſie zu keiner euſſerlichen ehrerbietung bey nennung des na-
mens JESU, oder einigem andern ectu, welcher wider ihr gewiſſen eigen-
lich lauffet/ noͤthige. Jch wolte mit ihnen auch gern dispenſiren, daß ſie zu
ſolcher predigt anhoͤrung in keine chriſtliche kirche, ſonderlich da einige bilder
inne waͤren, gezwungen, ſondern lieber ſolche verſammlung anderwertlich an-
geſtellet, und nach muͤglichkeit alles vermieden werde, was ihnen eine ohne
das unangenehme ſache ſchwerer machte, aber eben auch zugleich die frucht,
die man davon hoffet und verlanget, verringerte.
8. Dem prediger laͤge aber dabey ob, daß er ſowol GOTT hertzlich
um ſeine gnade zu ſo wichtigem werck anruffe, als ſich befleiſſe, wie mans
am nuͤtzlichſten und fruchtbarſten angreiffe: Dazu gehoͤret vornemlich eine
freund-
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[93/0105] ARTIC. I. SECT. XIIX. ge Chriſten mit den Juden in geſpraͤch einlieſſen, auch nicht ſagen will, daß nie nichts damit ausgerichtet wuͤrde; ich habe aber auch wenig hoffnung der frucht, und hielte noͤthig, daß den leuten mißrathen wuͤrde, etwas zu verſuchen, die nicht dazu wol tuͤchtig ſind, dieſe aber, die es ſind, erinnert wuͤrden, wie ſie mit liebe und krafft das wort bey den Juden zu brauchen haͤtten. 6. Alſo bleibet noch uͤbrig, daß das ordentliche predigamt, wie in an- dern ſtuͤcken alſo auch hierinnen das meiſte thue: Und wuͤrde alſo darzu dien- lich ſeyn, daß einerſeits in einem lande oder herrſthafft immer aufs wenig- ſte einer oder ander unter den predigern dahin angewieſen wuͤrden, ſich in den materien, darinnen wir es mit den Juden zu thun haben, fleißiger zu uͤben, und ſich alſo tuͤchtig zu machen, damit er nuͤtzlich mit ihnen handlen koͤnte: Anderſeits aber daß ihnen ihr amt an ſolchen unglaubigen zu verrichten auch anlaß und macht gegeben wuͤrde. Dahin gehoͤrte, daß die Juden ſchuldig ſeyn muͤſten, wo ein und anderer von dem prediger beſchickt wuͤrde, zu ihm zu kommen, und eine freundliche erinnerung anzuhoͤren, da er ihnen die grund- lehren unſers Chriſtenthums vorlegte, hingegen ihnen auch frey gebe, die einwuͤrffe, ſo ſie von ihren Rabbinen hoͤreten, ihm vorzuſtellen, und ihnen ſolche gruͤndlich beantwortete. Sonderlich aber, daß des jahrs zu gewiſſen zeiten eine predigt gehalten wuͤrde, darein ſie zu gehen gehalten waͤren. Denn ob wol die herrſchafft des gewiſſens keinem weltlichen regenten gehoͤ- ret, und ſich alſo keiner derſelben auch gegen die Juden anzumaſſen hat, ſo iſt doch ſo viel in derſelben gewalt, ſie gleichwol zu noͤthigen, daß ſie etwas an- hoͤren muͤſſen, als welches nicht wider dero gewiſſen ſtreitet, nur daß man ih- nen nachmal keinen zwang weiter anthut. 7. Jndeſſen iſt auch ſolches mittel, welches ihnen hart und bitter vor- kommet, auf alle muͤgliche weiſe zu verſuͤſſen, und ihres gewiſſens zu ſcho- nen: Daß man ſie zu keiner euſſerlichen ehrerbietung bey nennung des na- mens JESU, oder einigem andern ectu, welcher wider ihr gewiſſen eigen- lich lauffet/ noͤthige. Jch wolte mit ihnen auch gern dispenſiren, daß ſie zu ſolcher predigt anhoͤrung in keine chriſtliche kirche, ſonderlich da einige bilder inne waͤren, gezwungen, ſondern lieber ſolche verſammlung anderwertlich an- geſtellet, und nach muͤglichkeit alles vermieden werde, was ihnen eine ohne das unangenehme ſache ſchwerer machte, aber eben auch zugleich die frucht, die man davon hoffet und verlanget, verringerte. 8. Dem prediger laͤge aber dabey ob, daß er ſowol GOTT hertzlich um ſeine gnade zu ſo wichtigem werck anruffe, als ſich befleiſſe, wie mans am nuͤtzlichſten und fruchtbarſten angreiffe: Dazu gehoͤret vornemlich eine freund- m 3

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715, S. 93. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken04_1702/105>, abgerufen am 10.11.2024.