Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715.Das siebende Capitel. anders/ als ein göttliches liecht und wirckung in uns/ dem sich GOTT mitallen seinen gütern schenckt: ohne daß wir den geringsten ruhm davon hät- ten/ indem er so fern nichts thut/ als nur die gnade annimt/ daß also un- sere rechtfertigung wahrhafftig und lauterlich aus gnaden ohne eigenes un- ser thun geschehe. Es hat aber dieses göttliche liecht des glaubens noth- wendig und unausbleiblich bey sich auch eine liebe gegen GOTT. Dann so bald in solchem liecht GOtt mit seinen gnaden gütern erkant und ergrif- fen wird/ ists unmüglich/ daß der mensch nicht so bald solte gegen dieses (nicht nur an sich selbs sondern auch nunmehr ihm gewordenes) höchstes gut sich neigen und dasselbe lieben: Ja es ist solches/ wo man so reden mag/ eine natürliche folge jener erkäntnüß/ wie unser auch natürliche erkäntnüß eines guten/ was wir gut und uns gut erkennen/ unausbleiblich eine liebe gegen dasselbe mit sich bringet. Diese liebe aber ist nunmehr eins pflicht/ die wir GOTT schuldig sind/ und in dero die summ des gesetzes bestehet/ und wircket nachmal allen übrigen gehorsam/ welchen wir GOtt ferner schul- dig sind/ ja dieser ist nichts anders/ als nur eine stäte übung solcher liebe in ihren gewissen ausdrücken und objectis. Weil nun solche liebe GOtt wol gefället/ und einiges halten seiner gebote in sich fasset: so vermehret dersel- be in einer solchen seelen jenes göttliche liecht der erkäntnüß und glaubens/ daß dasselbe so vielmehr znnimmet/ und sich Christus weiter und weiter/ ja so zu reden tieffer und inniglicher/ derselben offenbaret. Weilen nun aus solcher weiteren erkäntnüß auch die liebe wächset/ ist diese gemeiniglich eine ursach aufs neue des wachsthums von jener. Also ists wahr/ es kommt auch einige erkäntnüß aus der liebe/ indem aus dieser GOtt das liecht der erkäntnüß vermehret werden lässet/ indessen ist jene erste erkäntnüß das liecht/ so nicht aus der liebe kommet/ sondern die ersten wirckungen des heiligen Geistes aus dem göttlichen lebendigen wort/ das erste germen oder pfläntzlein/ welches aus solchem himmlischen samen in der seelen aufgegangen/ und nachmal alles übrige aus sich hervorstosset. Damit 1. bleibet der mensch vorher finsternüß/ ehe er dieses liecht empfängt. 2. Dieses liecht ist eine geburt oder wirckung aus dem göttlichen lebendigen wort GOttes/ dadurch der heilige Geist kräfftig ist. 3. Also ist nachmal wahr- hafftig ein innerliches liecht in der seele des menschen/ nemlich solcher glaube. 4. Dieses liecht hat so zu reden die wärme bey sich/ und ver- mehret sich aus derselben destomehr. Dieses ists/ wie ich von der sache halte/ ob nun meines werthen bruders meinung eben diese seye oder nicht/ kan ich aus seinen reden nicht vollkommen begreiffen. Fer- ner kan denselben gewiß versicheren/ daß was den ort Ephes. 3. anlangt/ die gemeine und eigenliche erklärung nicht deswegen erwehlet wird/ daß
Das ſiebende Capitel. anders/ als ein goͤttliches liecht und wirckung in uns/ dem ſich GOTT mitallen ſeinen guͤtern ſchenckt: ohne daß wir den geringſten ruhm davon haͤt- ten/ indem er ſo fern nichts thut/ als nur die gnade annimt/ daß alſo un- ſere rechtfertigung wahrhafftig und lauterlich aus gnaden ohne eigenes un- ſer thun geſchehe. Es hat aber dieſes goͤttliche liecht des glaubens noth- wendig und unausbleiblich bey ſich auch eine liebe gegen GOTT. Dann ſo bald in ſolchem liecht GOtt mit ſeinen gnaden guͤtern erkant und ergrif- fen wird/ iſts unmuͤglich/ daß der menſch nicht ſo bald ſolte gegen dieſes (nicht nur an ſich ſelbs ſondern auch nunmehr ihm gewordenes) hoͤchſtes gut ſich neigen und daſſelbe lieben: Ja es iſt ſolches/ wo man ſo reden mag/ eine natuͤrliche folge jener erkaͤntnuͤß/ wie unſer auch natuͤrliche erkaͤntnuͤß eines guten/ was wir gut und uns gut erkennen/ unausbleiblich eine liebe gegen daſſelbe mit ſich bringet. Dieſe liebe aber iſt nunmehr eins pflicht/ die wir GOTT ſchuldig ſind/ und in dero die ſumm des geſetzes beſtehet/ und wircket nachmal allen uͤbrigen gehorſam/ welchen wir GOtt ferner ſchul- dig ſind/ ja dieſer iſt nichts anders/ als nur eine ſtaͤte uͤbung ſolcher liebe in ihren gewiſſen ausdruͤcken und objectis. Weil nun ſolche liebe GOtt wol gefaͤllet/ und einiges halten ſeiner gebote in ſich faſſet: ſo vermehret derſel- be in einer ſolchen ſeelen jenes goͤttliche liecht der erkaͤntnuͤß und glaubens/ daß daſſelbe ſo vielmehr znnimmet/ und ſich Chriſtus weiter und weiter/ ja ſo zu reden tieffer und inniglicher/ derſelben offenbaret. Weilen nun aus ſolcher weiteren erkaͤntnuͤß auch die liebe waͤchſet/ iſt dieſe gemeiniglich eine urſach aufs neue des wachsthums von jener. Alſo iſts wahr/ es kommt auch einige erkaͤntnuͤß aus der liebe/ indem aus dieſer GOtt das liecht der erkaͤntnuͤß vermehret werden laͤſſet/ indeſſen iſt jene erſte erkaͤntnuͤß das liecht/ ſo nicht aus der liebe kommet/ ſondern die erſten wirckungen des heiligen Geiſtes aus dem goͤttlichen lebendigen wort/ das erſte germen oder pflaͤntzlein/ welches aus ſolchem himmliſchen ſamen in der ſeelen aufgegangen/ und nachmal alles uͤbrige aus ſich hervorſtoſſet. Damit 1. bleibet der menſch vorher finſternuͤß/ ehe er dieſes liecht empfaͤngt. 2. Dieſes liecht iſt eine geburt oder wirckung aus dem goͤttlichen lebendigen wort GOttes/ dadurch der heilige Geiſt kraͤfftig iſt. 3. Alſo iſt nachmal wahr- hafftig ein innerliches liecht in der ſeele des menſchen/ nemlich ſolcher glaube. 4. Dieſes liecht hat ſo zu reden die waͤrme bey ſich/ und ver- mehret ſich aus derſelben deſtomehr. Dieſes iſts/ wie ich von der ſache halte/ ob nun meines werthen bruders meinung eben dieſe ſeye oder nicht/ kan ich aus ſeinen reden nicht vollkommen begreiffen. Fer- ner kan denſelben gewiß verſicheren/ daß was den ort Epheſ. 3. anlangt/ die gemeine und eigenliche erklaͤrung nicht deswegen erwehlet wird/ daß
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Das ſiebende Capitel.
anders/ als ein goͤttliches liecht und wirckung in uns/ dem ſich GOTT mit
allen ſeinen guͤtern ſchenckt: ohne daß wir den geringſten ruhm davon haͤt-
ten/ indem er ſo fern nichts thut/ als nur die gnade annimt/ daß alſo un-
ſere rechtfertigung wahrhafftig und lauterlich aus gnaden ohne eigenes un-
ſer thun geſchehe. Es hat aber dieſes goͤttliche liecht des glaubens noth-
wendig und unausbleiblich bey ſich auch eine liebe gegen GOTT. Dann
ſo bald in ſolchem liecht GOtt mit ſeinen gnaden guͤtern erkant und ergrif-
fen wird/ iſts unmuͤglich/ daß der menſch nicht ſo bald ſolte gegen dieſes
(nicht nur an ſich ſelbs ſondern auch nunmehr ihm gewordenes) hoͤchſtes
gut ſich neigen und daſſelbe lieben: Ja es iſt ſolches/ wo man ſo reden mag/
eine natuͤrliche folge jener erkaͤntnuͤß/ wie unſer auch natuͤrliche erkaͤntnuͤß
eines guten/ was wir gut und uns gut erkennen/ unausbleiblich eine liebe
gegen daſſelbe mit ſich bringet. Dieſe liebe aber iſt nunmehr eins pflicht/ die
wir GOTT ſchuldig ſind/ und in dero die ſumm des geſetzes beſtehet/ und
wircket nachmal allen uͤbrigen gehorſam/ welchen wir GOtt ferner ſchul-
dig ſind/ ja dieſer iſt nichts anders/ als nur eine ſtaͤte uͤbung ſolcher liebe in
ihren gewiſſen ausdruͤcken und objectis. Weil nun ſolche liebe GOtt wol
gefaͤllet/ und einiges halten ſeiner gebote in ſich faſſet: ſo vermehret derſel-
be in einer ſolchen ſeelen jenes goͤttliche liecht der erkaͤntnuͤß und glaubens/
daß daſſelbe ſo vielmehr znnimmet/ und ſich Chriſtus weiter und weiter/ ja
ſo zu reden tieffer und inniglicher/ derſelben offenbaret. Weilen nun aus
ſolcher weiteren erkaͤntnuͤß auch die liebe waͤchſet/ iſt dieſe gemeiniglich eine
urſach aufs neue des wachsthums von jener. Alſo iſts wahr/ es kommt
auch einige erkaͤntnuͤß aus der liebe/ indem aus dieſer GOtt das liecht der
erkaͤntnuͤß vermehret werden laͤſſet/ indeſſen iſt jene erſte erkaͤntnuͤß das
liecht/ ſo nicht aus der liebe kommet/ ſondern die erſten wirckungen des
heiligen Geiſtes aus dem goͤttlichen lebendigen wort/ das erſte germen
oder pflaͤntzlein/ welches aus ſolchem himmliſchen ſamen in der ſeelen
aufgegangen/ und nachmal alles uͤbrige aus ſich hervorſtoſſet. Damit
1. bleibet der menſch vorher finſternuͤß/ ehe er dieſes liecht empfaͤngt.
2. Dieſes liecht iſt eine geburt oder wirckung aus dem goͤttlichen lebendigen
wort GOttes/ dadurch der heilige Geiſt kraͤfftig iſt. 3. Alſo iſt nachmal wahr-
hafftig ein innerliches liecht in der ſeele des menſchen/ nemlich ſolcher
glaube. 4. Dieſes liecht hat ſo zu reden die waͤrme bey ſich/ und ver-
mehret ſich aus derſelben deſtomehr. Dieſes iſts/ wie ich von der ſache
halte/ ob nun meines werthen bruders meinung eben dieſe ſeye oder
nicht/ kan ich aus ſeinen reden nicht vollkommen begreiffen. Fer-
ner kan denſelben gewiß verſicheren/ daß was den ort Epheſ. 3. anlangt/
die gemeine und eigenliche erklaͤrung nicht deswegen erwehlet wird/
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Zitationshilfe: | Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715, S. 198. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken04_1702/210>, abgerufen am 17.06.2024. |