der Ohnmacht nicht erwachen, der Fremde, aller Ermahnung ungeachtet, nicht weichen wollte.
Unter denen, welche auf seinen Ruf herbeieil- ten, befand sich auch Karolinens Vater. Konrad schien zu erwachen, als dieser bei ihm vorüber- gieng, er suchte ihn bei der Brust zu fassen, wie dieser aber erschrocken zurückwich, sank seine aus- gestreckte Hand langsam zurück, und er staunte von neuem nach Karolinen hin.
Mit vieler Mühe gelang es den Gegenwärti- gen, ihn nach einem andern Zimmer zu führen; er duldete es zwar, daß man ihn auf ein Ruhe- bette legte, aber er sprang sogleich wieder auf, und starrte abermals um sich her.
Karolinens Zustand schien am nemlichen Aben- de weit gefährlicher, sie sprach, als sie aus der Ohnmacht erwachte, anhaltend irre, ein hitziges Fieber nagte an ihrem Leben, aber die Natur sieg- te im fürchterlichen Kampfe, sie genaß, und er- hielt den Gebrauch ihrer Vernunft wieder, um ihr Elend lebhaft fühlen und bejammern zu können. So glücklich war Konrad nicht, er hatte in seinem Leben manches Unglück standhaft erduldet, zwei- mal überstand er die Gefühle des nahen, schmäh- lichen Todes unter des Henkers Hand, als er aber die Geliebte, deren Andenken ihm sein Leiden immer erträglich machte, im Augenblicke des fro- hen Wiedersehens in den Armen eines andern, auf ihrem Schooße den Beweiß ihrer Untreue erblick- te, da unterlag er, sein Verstand entfloh, der
der Ohnmacht nicht erwachen, der Fremde, aller Ermahnung ungeachtet, nicht weichen wollte.
Unter denen, welche auf ſeinen Ruf herbeieil- ten, befand ſich auch Karolinens Vater. Konrad ſchien zu erwachen, als dieſer bei ihm voruͤber- gieng, er ſuchte ihn bei der Bruſt zu faſſen, wie dieſer aber erſchrocken zuruͤckwich, ſank ſeine aus- geſtreckte Hand langſam zuruͤck, und er ſtaunte von neuem nach Karolinen hin.
Mit vieler Muͤhe gelang es den Gegenwaͤrti- gen, ihn nach einem andern Zimmer zu fuͤhren; er duldete es zwar, daß man ihn auf ein Ruhe- bette legte, aber er ſprang ſogleich wieder auf, und ſtarrte abermals um ſich her.
Karolinens Zuſtand ſchien am nemlichen Aben- de weit gefaͤhrlicher, ſie ſprach, als ſie aus der Ohnmacht erwachte, anhaltend irre, ein hitziges Fieber nagte an ihrem Leben, aber die Natur ſieg- te im fuͤrchterlichen Kampfe, ſie genaß, und er- hielt den Gebrauch ihrer Vernunft wieder, um ihr Elend lebhaft fuͤhlen und bejammern zu koͤnnen. So gluͤcklich war Konrad nicht, er hatte in ſeinem Leben manches Ungluͤck ſtandhaft erduldet, zwei- mal uͤberſtand er die Gefuͤhle des nahen, ſchmaͤh- lichen Todes unter des Henkers Hand, als er aber die Geliebte, deren Andenken ihm ſein Leiden immer ertraͤglich machte, im Augenblicke des fro- hen Wiederſehens in den Armen eines andern, auf ihrem Schooße den Beweiß ihrer Untreue erblick- te, da unterlag er, ſein Verſtand entfloh, der
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der Ohnmacht nicht erwachen, der Fremde, aller
Ermahnung ungeachtet, nicht weichen wollte.
Unter denen, welche auf ſeinen Ruf herbeieil-
ten, befand ſich auch Karolinens Vater. Konrad
ſchien zu erwachen, als dieſer bei ihm voruͤber-
gieng, er ſuchte ihn bei der Bruſt zu faſſen, wie
dieſer aber erſchrocken zuruͤckwich, ſank ſeine aus-
geſtreckte Hand langſam zuruͤck, und er ſtaunte
von neuem nach Karolinen hin.
Mit vieler Muͤhe gelang es den Gegenwaͤrti-
gen, ihn nach einem andern Zimmer zu fuͤhren;
er duldete es zwar, daß man ihn auf ein Ruhe-
bette legte, aber er ſprang ſogleich wieder auf,
und ſtarrte abermals um ſich her.
Karolinens Zuſtand ſchien am nemlichen Aben-
de weit gefaͤhrlicher, ſie ſprach, als ſie aus der
Ohnmacht erwachte, anhaltend irre, ein hitziges
Fieber nagte an ihrem Leben, aber die Natur ſieg-
te im fuͤrchterlichen Kampfe, ſie genaß, und er-
hielt den Gebrauch ihrer Vernunft wieder, um ihr
Elend lebhaft fuͤhlen und bejammern zu koͤnnen.
So gluͤcklich war Konrad nicht, er hatte in ſeinem
Leben manches Ungluͤck ſtandhaft erduldet, zwei-
mal uͤberſtand er die Gefuͤhle des nahen, ſchmaͤh-
lichen Todes unter des Henkers Hand, als er
aber die Geliebte, deren Andenken ihm ſein Leiden
immer ertraͤglich machte, im Augenblicke des fro-
hen Wiederſehens in den Armen eines andern, auf
ihrem Schooße den Beweiß ihrer Untreue erblick-
te, da unterlag er, ſein Verſtand entfloh, der
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Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 2. Leipzig, 1796, S. 148. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien02_1796/156>, abgerufen am 16.06.2024.
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