Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 4. Leipzig, 1796.

Bild:
<< vorherige Seite

ich reichte es dir, um dich zu trösten. Schicke
dich in dein Schicksal, du warst es ehe schon
gewohnt. Der Hauptmann ist jung und schön,
er erzählte uns oft, daß er dich schon ehemals
liebte, und ehrte; dies bewog uns vorzüglich
zum Entschlusse. Sey daher weise, es wird
dir bei uns wohlergehen. -- --

Noch begreife ichs immer nicht, wo ich
Muth und Entschlossenheit sammlete, um diese
schrecklichen Nachrichten mit Standhaftigkeit
anzuhören. Die Gewißheit, daß der so innig
geliebte Gatte würklich ermordet sei, drohte
mein Herz zu zerreissen, und doch verrieth
mein Gesicht diese schmerzhafte Empfindung
nicht. Ich lächelte aus Verzweiflung, aber
die Räuber nahmens für Empfindung der
Freude, und machten es den Uebrigen kund,
als sie erwachten. Flucht oder Tod war izt der
einzige Gedanke, welchen meine Seele dachte
und faßte.

Biogr. d. W. 4r Bd. S

ich reichte es dir, um dich zu troͤſten. Schicke
dich in dein Schickſal, du warſt es ehe ſchon
gewohnt. Der Hauptmann iſt jung und ſchoͤn,
er erzaͤhlte uns oft, daß er dich ſchon ehemals
liebte, und ehrte; dies bewog uns vorzuͤglich
zum Entſchluſſe. Sey daher weiſe, es wird
dir bei uns wohlergehen. — —

Noch begreife ichs immer nicht, wo ich
Muth und Entſchloſſenheit ſammlete, um dieſe
ſchrecklichen Nachrichten mit Standhaftigkeit
anzuhoͤren. Die Gewißheit, daß der ſo innig
geliebte Gatte wuͤrklich ermordet ſei, drohte
mein Herz zu zerreiſſen, und doch verrieth
mein Geſicht dieſe ſchmerzhafte Empfindung
nicht. Ich laͤchelte aus Verzweiflung, aber
die Raͤuber nahmens fuͤr Empfindung der
Freude, und machten es den Uebrigen kund,
als ſie erwachten. Flucht oder Tod war izt der
einzige Gedanke, welchen meine Seele dachte
und faßte.

Biogr. d. W. 4r Bd. S
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0283" n="273"/>
ich reichte es dir, um dich zu tro&#x0364;&#x017F;ten. Schicke<lb/>
dich in dein Schick&#x017F;al, du war&#x017F;t es ehe &#x017F;chon<lb/>
gewohnt. Der Hauptmann i&#x017F;t jung und &#x017F;cho&#x0364;n,<lb/>
er erza&#x0364;hlte uns oft, daß er dich &#x017F;chon ehemals<lb/>
liebte, und ehrte; dies bewog uns vorzu&#x0364;glich<lb/>
zum Ent&#x017F;chlu&#x017F;&#x017F;e. Sey daher wei&#x017F;e, es wird<lb/>
dir bei uns wohlergehen. &#x2014; &#x2014;</p><lb/>
        <p>Noch begreife ichs immer nicht, wo ich<lb/>
Muth und Ent&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;enheit &#x017F;ammlete, um die&#x017F;e<lb/>
&#x017F;chrecklichen Nachrichten mit Standhaftigkeit<lb/>
anzuho&#x0364;ren. Die Gewißheit, daß der &#x017F;o innig<lb/>
geliebte Gatte wu&#x0364;rklich ermordet &#x017F;ei, drohte<lb/>
mein Herz zu zerrei&#x017F;&#x017F;en, und doch verrieth<lb/>
mein Ge&#x017F;icht die&#x017F;e &#x017F;chmerzhafte Empfindung<lb/>
nicht. Ich la&#x0364;chelte aus Verzweiflung, aber<lb/>
die Ra&#x0364;uber nahmens fu&#x0364;r Empfindung der<lb/>
Freude, und machten es den Uebrigen kund,<lb/>
als &#x017F;ie erwachten. Flucht oder Tod war izt der<lb/>
einzige Gedanke, welchen meine Seele dachte<lb/>
und faßte.</p><lb/>
        <fw place="bottom" type="sig">Biogr. d. W. 4r Bd. S</fw><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[273/0283] ich reichte es dir, um dich zu troͤſten. Schicke dich in dein Schickſal, du warſt es ehe ſchon gewohnt. Der Hauptmann iſt jung und ſchoͤn, er erzaͤhlte uns oft, daß er dich ſchon ehemals liebte, und ehrte; dies bewog uns vorzuͤglich zum Entſchluſſe. Sey daher weiſe, es wird dir bei uns wohlergehen. — — Noch begreife ichs immer nicht, wo ich Muth und Entſchloſſenheit ſammlete, um dieſe ſchrecklichen Nachrichten mit Standhaftigkeit anzuhoͤren. Die Gewißheit, daß der ſo innig geliebte Gatte wuͤrklich ermordet ſei, drohte mein Herz zu zerreiſſen, und doch verrieth mein Geſicht dieſe ſchmerzhafte Empfindung nicht. Ich laͤchelte aus Verzweiflung, aber die Raͤuber nahmens fuͤr Empfindung der Freude, und machten es den Uebrigen kund, als ſie erwachten. Flucht oder Tod war izt der einzige Gedanke, welchen meine Seele dachte und faßte. Biogr. d. W. 4r Bd. S

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien04_1796
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien04_1796/283
Zitationshilfe: Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 4. Leipzig, 1796, S. 273. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien04_1796/283>, abgerufen am 01.06.2024.