Unten am Wagen reichte Herr Sesemann dem Kinde die Hand und sagte ihm mit freundlichen Worten, sie würden seiner gedenken, er und seine Tochter Klara; er wünschte ihm alles Gute auf den Weg, und Heidi dankte recht schön für alle Gutthaten, die ihm zu Theil geworden waren, und zum Schluß sagte es: "Und den Herrn Doktor lasse ich tausendmal grüßen und ihm auch vielmals danken."
Denn es hatte sich wohl gemerkt, wie er gestern Abend gesagt hatte: "Und morgen wird Alles gut." Nun war es so gekommen, und Heidi dachte, er habe dazu geholfen.
Jetzt wurde das Kind in den Wagen gehoben und der Korb und die Provianttasche und der Sebastian kamen nach. Herr Sesemann rief noch einmal freundlich: "Glückliche Reise!" und der Wagen rollte davon.
Bald nachher saß Heidi in der Eisenbahn und hielt unbeweglich seinen Korb auf dem Schooße fest, denn es wollte ihn nicht einen Augenblick aus den Händen lassen, seine kostbaren Brödchen für die Großmutter waren ja darin, die mußte es sorglich hüten und von Zeit zu Zeit einmal wieder ansehen und sich freuen darüber. Heidi saß mäuschenstille während mehrerer Stunden, denn erst jetzt kam es recht zum Bewußtsein, daß es auf dem Wege sei heim zum Großvater, auf die Alm, zur Großmutter, zum Gaißen-Peter, und nun kam ihm Alles vor Augen, Eins nach dem Andern, was es wiedersehen werde, und wie Alles aussehen werde daheim, und dabei stiegen ihm wieder neue
Unten am Wagen reichte Herr Seſemann dem Kinde die Hand und ſagte ihm mit freundlichen Worten, ſie würden ſeiner gedenken, er und ſeine Tochter Klara; er wünſchte ihm alles Gute auf den Weg, und Heidi dankte recht ſchön für alle Gutthaten, die ihm zu Theil geworden waren, und zum Schluß ſagte es: „Und den Herrn Doktor laſſe ich tauſendmal grüßen und ihm auch vielmals danken.“
Denn es hatte ſich wohl gemerkt, wie er geſtern Abend geſagt hatte: „Und morgen wird Alles gut.“ Nun war es ſo gekommen, und Heidi dachte, er habe dazu geholfen.
Jetzt wurde das Kind in den Wagen gehoben und der Korb und die Provianttaſche und der Sebaſtian kamen nach. Herr Seſemann rief noch einmal freundlich: „Glückliche Reiſe!“ und der Wagen rollte davon.
Bald nachher ſaß Heidi in der Eiſenbahn und hielt unbeweglich ſeinen Korb auf dem Schooße feſt, denn es wollte ihn nicht einen Augenblick aus den Händen laſſen, ſeine koſtbaren Brödchen für die Großmutter waren ja darin, die mußte es ſorglich hüten und von Zeit zu Zeit einmal wieder anſehen und ſich freuen darüber. Heidi ſaß mäuschenſtille während mehrerer Stunden, denn erſt jetzt kam es recht zum Bewußtſein, daß es auf dem Wege ſei heim zum Großvater, auf die Alm, zur Großmutter, zum Gaißen-Peter, und nun kam ihm Alles vor Augen, Eins nach dem Andern, was es wiederſehen werde, und wie Alles ausſehen werde daheim, und dabei ſtiegen ihm wieder neue
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Unten am Wagen reichte Herr Seſemann dem Kinde die
Hand und ſagte ihm mit freundlichen Worten, ſie würden
ſeiner gedenken, er und ſeine Tochter Klara; er wünſchte
ihm alles Gute auf den Weg, und Heidi dankte recht ſchön
für alle Gutthaten, die ihm zu Theil geworden waren, und
zum Schluß ſagte es: „Und den Herrn Doktor laſſe ich
tauſendmal grüßen und ihm auch vielmals danken.“
Denn es hatte ſich wohl gemerkt, wie er geſtern Abend
geſagt hatte: „Und morgen wird Alles gut.“ Nun war
es ſo gekommen, und Heidi dachte, er habe dazu geholfen.
Jetzt wurde das Kind in den Wagen gehoben und der
Korb und die Provianttaſche und der Sebaſtian kamen nach.
Herr Seſemann rief noch einmal freundlich: „Glückliche
Reiſe!“ und der Wagen rollte davon.
Bald nachher ſaß Heidi in der Eiſenbahn und hielt
unbeweglich ſeinen Korb auf dem Schooße feſt, denn es
wollte ihn nicht einen Augenblick aus den Händen laſſen,
ſeine koſtbaren Brödchen für die Großmutter waren ja
darin, die mußte es ſorglich hüten und von Zeit zu Zeit
einmal wieder anſehen und ſich freuen darüber. Heidi ſaß
mäuschenſtille während mehrerer Stunden, denn erſt jetzt
kam es recht zum Bewußtſein, daß es auf dem Wege ſei
heim zum Großvater, auf die Alm, zur Großmutter, zum
Gaißen-Peter, und nun kam ihm Alles vor Augen, Eins
nach dem Andern, was es wiederſehen werde, und wie Alles
ausſehen werde daheim, und dabei ſtiegen ihm wieder neue
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Spyri, Johanna: Heidi's Lehr- und Wanderjahre. Gotha, 1880, S. 202. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spyri_heidi_1880/212>, abgerufen am 18.06.2024.
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