"Ach Gott", sagte die Brigitte, "das ist eine gute Meinung; aber denk', sie werden auch hart. Wenn man nur hie und da einen übrigen Batzen hätte, der Bäcker unten im Dörfli macht auch solche, aber ich vermag kaum das schwarze Brod zu bezahlen."
Jetzt schoß ein heller Freudenstrahl über Heidi's Ge¬ sicht: "O ich habe furchtbar viel Geld, Großmutter", rief es jubelnd aus und hüpfte vor Freuden in die Höhe, "jetzt weiß ich, was ich damit mache! Alle, alle Tage mußt du ein neues Brödchen haben und am Sonntage zwei, und der Peter kann sie heraufbringen vom Dörfli."
"Nein, nein, Kind!" wehrte die Großmutter; "das kann nicht sein, das Geld hast du nicht dazu bekommen, du mußt es dem Großvater geben, er sagt dir dann schon, was du damit machen mußt."
Aber Heidi ließ sich nicht stören in seiner Freude, es jauchzte und hüpfte in der Stube herum und rief ein Mal über's andere: "Jetzt kann die Großmutter jeden Tag ein Brödchen essen und wird wieder ganz kräftig und -- o Gro߬ mutter", rief es mit neuem Jubel, "wenn du dann so ge¬ sund wirst, so wird es dir gewiß auch wieder hell, es ist vielleicht nur, weil du so schwach bist."
Die Großmutter schwieg still, sie wollte des Kindes Freude nicht trüben. Bei seinem Herumhüpfen fiel dem Heidi auf einmal das alte Liederbuch der Großmutter in die Augen, und es kam ihm ein neuer freudiger Gedanke: "Gro߬
„Ach Gott“, ſagte die Brigitte, „das iſt eine gute Meinung; aber denk', ſie werden auch hart. Wenn man nur hie und da einen übrigen Batzen hätte, der Bäcker unten im Dörfli macht auch ſolche, aber ich vermag kaum das ſchwarze Brod zu bezahlen.“
Jetzt ſchoß ein heller Freudenſtrahl über Heidi's Ge¬ ſicht: „O ich habe furchtbar viel Geld, Großmutter“, rief es jubelnd aus und hüpfte vor Freuden in die Höhe, „jetzt weiß ich, was ich damit mache! Alle, alle Tage mußt du ein neues Brödchen haben und am Sonntage zwei, und der Peter kann ſie heraufbringen vom Dörfli.“
„Nein, nein, Kind!“ wehrte die Großmutter; „das kann nicht ſein, das Geld haſt du nicht dazu bekommen, du mußt es dem Großvater geben, er ſagt dir dann ſchon, was du damit machen mußt.“
Aber Heidi ließ ſich nicht ſtören in ſeiner Freude, es jauchzte und hüpfte in der Stube herum und rief ein Mal über's andere: „Jetzt kann die Großmutter jeden Tag ein Brödchen eſſen und wird wieder ganz kräftig und — o Gro߬ mutter“, rief es mit neuem Jubel, „wenn du dann ſo ge¬ ſund wirſt, ſo wird es dir gewiß auch wieder hell, es iſt vielleicht nur, weil du ſo ſchwach biſt.“
Die Großmutter ſchwieg ſtill, ſie wollte des Kindes Freude nicht trüben. Bei ſeinem Herumhüpfen fiel dem Heidi auf einmal das alte Liederbuch der Großmutter in die Augen, und es kam ihm ein neuer freudiger Gedanke: „Gro߬
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„Ach Gott“, ſagte die Brigitte, „das iſt eine gute
Meinung; aber denk', ſie werden auch hart. Wenn man
nur hie und da einen übrigen Batzen hätte, der Bäcker
unten im Dörfli macht auch ſolche, aber ich vermag kaum
das ſchwarze Brod zu bezahlen.“
Jetzt ſchoß ein heller Freudenſtrahl über Heidi's Ge¬
ſicht: „O ich habe furchtbar viel Geld, Großmutter“, rief
es jubelnd aus und hüpfte vor Freuden in die Höhe, „jetzt
weiß ich, was ich damit mache! Alle, alle Tage mußt du
ein neues Brödchen haben und am Sonntage zwei, und
der Peter kann ſie heraufbringen vom Dörfli.“
„Nein, nein, Kind!“ wehrte die Großmutter; „das
kann nicht ſein, das Geld haſt du nicht dazu bekommen,
du mußt es dem Großvater geben, er ſagt dir dann ſchon,
was du damit machen mußt.“
Aber Heidi ließ ſich nicht ſtören in ſeiner Freude, es
jauchzte und hüpfte in der Stube herum und rief ein Mal
über's andere: „Jetzt kann die Großmutter jeden Tag ein
Brödchen eſſen und wird wieder ganz kräftig und — o Gro߬
mutter“, rief es mit neuem Jubel, „wenn du dann ſo ge¬
ſund wirſt, ſo wird es dir gewiß auch wieder hell, es iſt
vielleicht nur, weil du ſo ſchwach biſt.“
Die Großmutter ſchwieg ſtill, ſie wollte des Kindes Freude
nicht trüben. Bei ſeinem Herumhüpfen fiel dem Heidi auf
einmal das alte Liederbuch der Großmutter in die Augen,
und es kam ihm ein neuer freudiger Gedanke: „Gro߬
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Spyri, Johanna: Heidi's Lehr- und Wanderjahre. Gotha, 1880, S. 221. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spyri_heidi_1880/231>, abgerufen am 18.06.2024.
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