ausnahmslos bestimmen, daß "die Stände nur dann auf eine Prüfung derselben eingehen dürfen, wenn in der Eingabe nachgewiesen ist, daß der Beschwerde- führer bereits den "gesetzlichen Instanzenzug der Staatsbehörden" er- schöpft, und vergeblich selbst bei der obersten Regierungsbehörde Abhülfe nach- gesucht hat," ZöpflII. §. 412. Das ist im Sinne der einzelnen Verfassungs- urkunden, nur ist der "gesetzliche Instanzenzug" keineswegs immer ausge- drückt, sondern einige lassen die Bezeichnung ganz weg, Baiern §. 21, Baden §. 67 "geeignete Landesstellen," Württemberg §. 36 "unmittelbar vorgesetzte Behörde," Großherzogthum Hessen §. 81 "gesetzliche und verfassungsmäßige Wege bei den Staatsbehörden," Sachsen-Altenburg §. 216 wie Baden, Braunschweig §. 114 "bei der Landesregierung," und ähnlich Oldenburg revidirte Verfassungs-Urkunde 134, Coburg Gesetz 1852, §. 133. Die Sache ist wichtig, weil gerade ein solcher gesetzlicher Instanzenzug erst der Beschwerde ihre Bedeutung gibt; es scheint, daß hier die deutschen Verfassungen wenigstens formell noch hinter dem französischen Verfahren der jurisdiction contentieuse zurück sind, indem die Annahme und Feststellung der Instanzen, vorzüglich aber eine Feststellung eines wie in Frankreich beim Conseil d'Etat geltenden öffent- lichen Verfahrens ein ganz wesentlicher Fortschritt sein würde, den die deutschen Staaten noch zu thun haben. Einen schlagenden Beweis des man- gelnden Verständnisses liefert hier der sonst so gründliche Rönne (Preußisches Staatsrecht I. §. 99), der das Beschwerderecht noch immer mit dem Peti- tionsrechte verschmelzt, wodurch natürlich die Strenge des Verfahrens gänzlich in den Hintergrund tritt. In Preußen ist das Beschwerderecht allerdings in abstracto anerkannt und den Behörden zur Pflicht gemacht, wie schon das All- gemeine Landrecht (II. 20, §. 180) bestimmt: "auf schleunige Untersuchung und Abhelfung gegründeter Beschwerden bedacht zu sein;" aber zu einem objektiv gültigen Beschwerderecht, welches doch nur in einem gesetzlich aufgestellten Verfahren nach Muster des französischen gedacht werden kann, hat man es auch dort nicht gebracht. Siehe die einzelnen Citate bei RönneII. §. 66. Uebrigens ist für den Grundgedanken des Klag- und Beschwerderechts in Preußen die Reichsverordnung vom 8. Mai 1842 höchst bezeichnend; hier finden wir ganz und gar den streng französischen Standpunkt der justice administrative §. 1: "Beschwerden über polizeiliche Verfügungen, sie mögen die Gesetzmäßig- keit, Nothwendigkeit oder Zweckmäßigkeit derselben betreffen, gehören vor die vor- gesetzte Dienstbehörde. Der Rechtsweg ist nur dann zulässig, wenn die Ver- letzung eines zum Privateigenthum gehörenden Rechts behauptet wird." Und auch dieß nur unter gewissen nähern Bestimmungen.
Neben diesem allgemeinen gültigen Princip des Beschwerderechts, das mithin noch der Entwicklung bedarf, haben einige Verfassungen ausdrücklich das Klagrecht anerkannt, wenn gleich hier die meisten schweigen, und die- jenigen, die da reden, den Eindruck einer gewissen Aengstlichkeit machen. So sagt Württembergische Verfassungsurkunde §. 95: "Keinem Bürger, der sich durch einen Akt der Staatsgewalt in seinem auf einem besonderen Titel (?) be- ruhenden Privatrechte verletzt glaubt, kann der Weg zum Richter verschlossen werden." Viel offener sagt die K. Sächsische Verfassungsurkunde §. 49: "Jedem,
ausnahmslos beſtimmen, daß „die Stände nur dann auf eine Prüfung derſelben eingehen dürfen, wenn in der Eingabe nachgewieſen iſt, daß der Beſchwerde- führer bereits den „geſetzlichen Inſtanzenzug der Staatsbehörden“ er- ſchöpft, und vergeblich ſelbſt bei der oberſten Regierungsbehörde Abhülfe nach- geſucht hat,“ ZöpflII. §. 412. Das iſt im Sinne der einzelnen Verfaſſungs- urkunden, nur iſt der „geſetzliche Inſtanzenzug“ keineswegs immer ausge- drückt, ſondern einige laſſen die Bezeichnung ganz weg, Baiern §. 21, Baden §. 67 „geeignete Landesſtellen,“ Württemberg §. 36 „unmittelbar vorgeſetzte Behörde,“ Großherzogthum Heſſen §. 81 „geſetzliche und verfaſſungsmäßige Wege bei den Staatsbehörden,“ Sachſen-Altenburg §. 216 wie Baden, Braunſchweig §. 114 „bei der Landesregierung,“ und ähnlich Oldenburg revidirte Verfaſſungs-Urkunde 134, Coburg Geſetz 1852, §. 133. Die Sache iſt wichtig, weil gerade ein ſolcher geſetzlicher Inſtanzenzug erſt der Beſchwerde ihre Bedeutung gibt; es ſcheint, daß hier die deutſchen Verfaſſungen wenigſtens formell noch hinter dem franzöſiſchen Verfahren der jurisdiction contentieuse zurück ſind, indem die Annahme und Feſtſtellung der Inſtanzen, vorzüglich aber eine Feſtſtellung eines wie in Frankreich beim Conseil d’État geltenden öffent- lichen Verfahrens ein ganz weſentlicher Fortſchritt ſein würde, den die deutſchen Staaten noch zu thun haben. Einen ſchlagenden Beweis des man- gelnden Verſtändniſſes liefert hier der ſonſt ſo gründliche Rönne (Preußiſches Staatsrecht I. §. 99), der das Beſchwerderecht noch immer mit dem Peti- tionsrechte verſchmelzt, wodurch natürlich die Strenge des Verfahrens gänzlich in den Hintergrund tritt. In Preußen iſt das Beſchwerderecht allerdings in abstracto anerkannt und den Behörden zur Pflicht gemacht, wie ſchon das All- gemeine Landrecht (II. 20, §. 180) beſtimmt: „auf ſchleunige Unterſuchung und Abhelfung gegründeter Beſchwerden bedacht zu ſein;“ aber zu einem objektiv gültigen Beſchwerderecht, welches doch nur in einem geſetzlich aufgeſtellten Verfahren nach Muſter des franzöſiſchen gedacht werden kann, hat man es auch dort nicht gebracht. Siehe die einzelnen Citate bei RönneII. §. 66. Uebrigens iſt für den Grundgedanken des Klag- und Beſchwerderechts in Preußen die Reichsverordnung vom 8. Mai 1842 höchſt bezeichnend; hier finden wir ganz und gar den ſtreng franzöſiſchen Standpunkt der justice administrative §. 1: „Beſchwerden über polizeiliche Verfügungen, ſie mögen die Geſetzmäßig- keit, Nothwendigkeit oder Zweckmäßigkeit derſelben betreffen, gehören vor die vor- geſetzte Dienſtbehörde. Der Rechtsweg iſt nur dann zuläſſig, wenn die Ver- letzung eines zum Privateigenthum gehörenden Rechts behauptet wird.“ Und auch dieß nur unter gewiſſen nähern Beſtimmungen.
Neben dieſem allgemeinen gültigen Princip des Beſchwerderechts, das mithin noch der Entwicklung bedarf, haben einige Verfaſſungen ausdrücklich das Klagrecht anerkannt, wenn gleich hier die meiſten ſchweigen, und die- jenigen, die da reden, den Eindruck einer gewiſſen Aengſtlichkeit machen. So ſagt Württembergiſche Verfaſſungsurkunde §. 95: „Keinem Bürger, der ſich durch einen Akt der Staatsgewalt in ſeinem auf einem beſonderen Titel (?) be- ruhenden Privatrechte verletzt glaubt, kann der Weg zum Richter verſchloſſen werden.“ Viel offener ſagt die K. Sächſiſche Verfaſſungsurkunde §. 49: „Jedem,
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[147/0171]
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ſchöpft, und vergeblich ſelbſt bei der oberſten Regierungsbehörde Abhülfe nach-
geſucht hat,“ Zöpfl II. §. 412. Das iſt im Sinne der einzelnen Verfaſſungs-
urkunden, nur iſt der „geſetzliche Inſtanzenzug“ keineswegs immer ausge-
drückt, ſondern einige laſſen die Bezeichnung ganz weg, Baiern §. 21, Baden
§. 67 „geeignete Landesſtellen,“ Württemberg §. 36 „unmittelbar vorgeſetzte
Behörde,“ Großherzogthum Heſſen §. 81 „geſetzliche und verfaſſungsmäßige
Wege bei den Staatsbehörden,“ Sachſen-Altenburg §. 216 wie Baden,
Braunſchweig §. 114 „bei der Landesregierung,“ und ähnlich Oldenburg
revidirte Verfaſſungs-Urkunde 134, Coburg Geſetz 1852, §. 133. Die Sache
iſt wichtig, weil gerade ein ſolcher geſetzlicher Inſtanzenzug erſt der Beſchwerde
ihre Bedeutung gibt; es ſcheint, daß hier die deutſchen Verfaſſungen wenigſtens
formell noch hinter dem franzöſiſchen Verfahren der jurisdiction contentieuse
zurück ſind, indem die Annahme und Feſtſtellung der Inſtanzen, vorzüglich aber
eine Feſtſtellung eines wie in Frankreich beim Conseil d’État geltenden öffent-
lichen Verfahrens ein ganz weſentlicher Fortſchritt ſein würde, den die
deutſchen Staaten noch zu thun haben. Einen ſchlagenden Beweis des man-
gelnden Verſtändniſſes liefert hier der ſonſt ſo gründliche Rönne (Preußiſches
Staatsrecht I. §. 99), der das Beſchwerderecht noch immer mit dem Peti-
tionsrechte verſchmelzt, wodurch natürlich die Strenge des Verfahrens
gänzlich in den Hintergrund tritt. In Preußen iſt das Beſchwerderecht allerdings
in abstracto anerkannt und den Behörden zur Pflicht gemacht, wie ſchon das All-
gemeine Landrecht (II. 20, §. 180) beſtimmt: „auf ſchleunige Unterſuchung und
Abhelfung gegründeter Beſchwerden bedacht zu ſein;“ aber zu einem objektiv
gültigen Beſchwerderecht, welches doch nur in einem geſetzlich aufgeſtellten
Verfahren nach Muſter des franzöſiſchen gedacht werden kann, hat man es
auch dort nicht gebracht. Siehe die einzelnen Citate bei Rönne II. §. 66.
Uebrigens iſt für den Grundgedanken des Klag- und Beſchwerderechts in Preußen
die Reichsverordnung vom 8. Mai 1842 höchſt bezeichnend; hier finden wir
ganz und gar den ſtreng franzöſiſchen Standpunkt der justice administrative §. 1:
„Beſchwerden über polizeiliche Verfügungen, ſie mögen die Geſetzmäßig-
keit, Nothwendigkeit oder Zweckmäßigkeit derſelben betreffen, gehören vor die vor-
geſetzte Dienſtbehörde. Der Rechtsweg iſt nur dann zuläſſig, wenn die Ver-
letzung eines zum Privateigenthum gehörenden Rechts behauptet wird.“
Und auch dieß nur unter gewiſſen nähern Beſtimmungen.
Neben dieſem allgemeinen gültigen Princip des Beſchwerderechts, das
mithin noch der Entwicklung bedarf, haben einige Verfaſſungen ausdrücklich
das Klagrecht anerkannt, wenn gleich hier die meiſten ſchweigen, und die-
jenigen, die da reden, den Eindruck einer gewiſſen Aengſtlichkeit machen. So
ſagt Württembergiſche Verfaſſungsurkunde §. 95: „Keinem Bürger, der ſich durch
einen Akt der Staatsgewalt in ſeinem auf einem beſonderen Titel (?) be-
ruhenden Privatrechte verletzt glaubt, kann der Weg zum Richter verſchloſſen
werden.“ Viel offener ſagt die K. Sächſiſche Verfaſſungsurkunde §. 49: „Jedem,
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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 1. Stuttgart, 1865, S. 147. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre01_1865/171>, abgerufen am 31.10.2024.
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