Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 4. Stuttgart, 1867.der vormundschaftlichen Thätigkeit sehr genau bestimmt, und die Ent- Das preußische System dagegen, auch hier seinem Charakter con- Das französische System dagegen geht im Gegentheil davon Das englische System endlich ist noch jetzt eine vollständig unklare Alles Speziellere muß nun als Aufgabe der besondern Darstellung Es ergibt sich indeß leicht, daß demgemäß das Vormundschafts- Man wird daher sagen, daß die Vormünderordnungen das öffent- der vormundſchaftlichen Thätigkeit ſehr genau beſtimmt, und die Ent- Das preußiſche Syſtem dagegen, auch hier ſeinem Charakter con- Das franzöſiſche Syſtem dagegen geht im Gegentheil davon Das engliſche Syſtem endlich iſt noch jetzt eine vollſtändig unklare Alles Speziellere muß nun als Aufgabe der beſondern Darſtellung Es ergibt ſich indeß leicht, daß demgemäß das Vormundſchafts- Man wird daher ſagen, daß die Vormünderordnungen das öffent- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0211" n="189"/> der vormundſchaftlichen Thätigkeit ſehr genau beſtimmt, und die Ent-<lb/> laſtung des Vormundes zum Theil von dieſen Formen abhängig ge-<lb/> macht. Das Gericht als obervormundſchaftliche Behörde hat jedoch,<lb/> nächſt der Einſetzung des Vormundes, nur die <hi rendition="#g">oberaufſehende</hi> Ge-<lb/> walt und den <hi rendition="#g">Schutz</hi> des Mündels gegen den Vormund. Es iſt das<lb/> römiſche Syſtem des Vormundſchaftsweſens als <hi rendition="#aq">munus publicum</hi> in<lb/> ſeiner reinſten Form, und kann als die feſte Ordnung der Vormundſchaft<lb/> nach dem ſogenannten gemeinen Recht Deutſchlands angeſehen werden.</p><lb/> <p>Das <hi rendition="#g">preußiſche</hi> Syſtem dagegen, auch hier ſeinem Charakter con-<lb/> ſequent, „betrachtet den Vormund nicht als einen bloßen Verwalter<lb/> eines fremden Vermögens, ſondern als einen Beamten des Staats.<lb/> Die Obervormundſchaft iſt demgemäß nicht eine weſentlich oberaufſehende<lb/> Gewalt, ſondern der wahre Vormund, und der Vormundſchaftsrichter“<lb/> (der amtliche Vormund) „kann mit Uebergehung des Vormundes, ſelbſt<lb/> wider deſſen Willen, unmittelbar handeln.“ Dieſe vormundſchaftliche<lb/> Gewalt iſt das Gericht, und „der geweſene Pflegling muß dem Vor-<lb/> munde <hi rendition="#g">und</hi> dem Gerichte quittiren.“ (<hi rendition="#g">Rönne</hi>, Staatsrecht <hi rendition="#aq">II.</hi> §. 319.)</p><lb/> <p>Das <hi rendition="#g">franzöſiſche</hi> Syſtem dagegen geht im Gegentheil davon<lb/> aus, daß die ſtaatliche Obervormundſchaft nur dann einſchreitet, wenn<lb/> die Geſchlechtervormundſchaft nicht ausreicht. Ihre Aufgabe iſt es<lb/> daher, den Familienrath zu berufen (das <hi rendition="#aq">consilium propinquorum</hi><lb/> der plebejiſchen Vormundſchaft), eventuell ihn durch „Nachbarn“ zu er-<lb/> ſetzen; doch hat der <hi rendition="#aq">juge de paix</hi> den Vorſitz. Dieſer <hi rendition="#aq">Conseil de famille</hi><lb/> hat dann die Berufung und Oberaufſicht des von ihm zu beſtellenden<lb/> Vormundes. Der Vormund legt dieſem Rathe Rechnung, und dieſe<lb/> Rechnung wird, wieder nach römiſchem Recht, wie jede andere Privat-<lb/> forderung vor dem Gerichte behandelt.</p><lb/> <p>Das <hi rendition="#g">engliſche</hi> Syſtem endlich iſt noch jetzt eine vollſtändig unklare<lb/> Verwirrung der Grundſätze aus dem lehns- und dem ſtaatsbürgerlichen<lb/> Rechte, bei der das römiſche Recht allerdings nicht ohne Einfluß geweſen iſt.</p><lb/> <p>Alles Speziellere muß nun als Aufgabe der beſondern Darſtellung<lb/> des Vormundſchaftsrechts angeſehen werden.</p><lb/> <p>Es ergibt ſich indeß leicht, daß demgemäß das Vormundſchafts-<lb/> weſen als ſpezifiſcher Theil des <hi rendition="#g">Verwaltungsrechts</hi> angeſehen werden<lb/> muß, und daß dem <hi rendition="#g">bürgerlichen</hi> Rechte nur diejenigen rechtlichen<lb/> Verhältniſſe angehören, welche <hi rendition="#g">zwiſchen Vormund und Mündel</hi><lb/> aus der Befolgung des öffentlichen Vormundſchaftsrechts entſtehen kann.</p><lb/> <p>Man wird daher ſagen, daß die Vormünderordnungen das öffent-<lb/> liche, die bürgerlichen Geſetzbücher das bürgerliche Recht des Vormund-<lb/> ſchaftsweſens enthalten, und daß demgemäß die <hi rendition="#g">Scheidung</hi> beider<lb/> Theile, nach der ſie theils im bürgerlichen Recht, theils als beſonderes<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [189/0211]
der vormundſchaftlichen Thätigkeit ſehr genau beſtimmt, und die Ent-
laſtung des Vormundes zum Theil von dieſen Formen abhängig ge-
macht. Das Gericht als obervormundſchaftliche Behörde hat jedoch,
nächſt der Einſetzung des Vormundes, nur die oberaufſehende Ge-
walt und den Schutz des Mündels gegen den Vormund. Es iſt das
römiſche Syſtem des Vormundſchaftsweſens als munus publicum in
ſeiner reinſten Form, und kann als die feſte Ordnung der Vormundſchaft
nach dem ſogenannten gemeinen Recht Deutſchlands angeſehen werden.
Das preußiſche Syſtem dagegen, auch hier ſeinem Charakter con-
ſequent, „betrachtet den Vormund nicht als einen bloßen Verwalter
eines fremden Vermögens, ſondern als einen Beamten des Staats.
Die Obervormundſchaft iſt demgemäß nicht eine weſentlich oberaufſehende
Gewalt, ſondern der wahre Vormund, und der Vormundſchaftsrichter“
(der amtliche Vormund) „kann mit Uebergehung des Vormundes, ſelbſt
wider deſſen Willen, unmittelbar handeln.“ Dieſe vormundſchaftliche
Gewalt iſt das Gericht, und „der geweſene Pflegling muß dem Vor-
munde und dem Gerichte quittiren.“ (Rönne, Staatsrecht II. §. 319.)
Das franzöſiſche Syſtem dagegen geht im Gegentheil davon
aus, daß die ſtaatliche Obervormundſchaft nur dann einſchreitet, wenn
die Geſchlechtervormundſchaft nicht ausreicht. Ihre Aufgabe iſt es
daher, den Familienrath zu berufen (das consilium propinquorum
der plebejiſchen Vormundſchaft), eventuell ihn durch „Nachbarn“ zu er-
ſetzen; doch hat der juge de paix den Vorſitz. Dieſer Conseil de famille
hat dann die Berufung und Oberaufſicht des von ihm zu beſtellenden
Vormundes. Der Vormund legt dieſem Rathe Rechnung, und dieſe
Rechnung wird, wieder nach römiſchem Recht, wie jede andere Privat-
forderung vor dem Gerichte behandelt.
Das engliſche Syſtem endlich iſt noch jetzt eine vollſtändig unklare
Verwirrung der Grundſätze aus dem lehns- und dem ſtaatsbürgerlichen
Rechte, bei der das römiſche Recht allerdings nicht ohne Einfluß geweſen iſt.
Alles Speziellere muß nun als Aufgabe der beſondern Darſtellung
des Vormundſchaftsrechts angeſehen werden.
Es ergibt ſich indeß leicht, daß demgemäß das Vormundſchafts-
weſen als ſpezifiſcher Theil des Verwaltungsrechts angeſehen werden
muß, und daß dem bürgerlichen Rechte nur diejenigen rechtlichen
Verhältniſſe angehören, welche zwiſchen Vormund und Mündel
aus der Befolgung des öffentlichen Vormundſchaftsrechts entſtehen kann.
Man wird daher ſagen, daß die Vormünderordnungen das öffent-
liche, die bürgerlichen Geſetzbücher das bürgerliche Recht des Vormund-
ſchaftsweſens enthalten, und daß demgemäß die Scheidung beider
Theile, nach der ſie theils im bürgerlichen Recht, theils als beſonderes
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