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Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 3. Pesth, 1857.

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unter allen Stoffen die größte Biegsamkeit und Dehn¬
barkeit, wir glauben ihm daher die kühnsten Windun¬
gen und Verschlingungen, und fordern sie von ihm.
Die Bildungen besonders Zierrathen aus Gold kön¬
nen daher nicht genau dieselben sein wie die aus
Stein, wenn beide schön sein sollen. Aber aus dem
inneren Geiste des einen, glaube ich, kann man recht
gut und soll man den innern Geist des andern kennen,
und es dürfte Treffliches heraus kommen."

Ich vermochte gegen diese Ansicht nichts Wesent¬
liches einzuwenden. Eustach führte sie noch genauer
durch Beispiele aus, die er von bekannten Steingestal¬
tungen an Kirchen hernahm. Er zeigte, wie eine ge¬
läufige leichte kirchliche Steinbildung, wenn man sie
etwa aus Gold machen lasse, sogleich schwer träg und un¬
beholfen werde, und er zeigte auch, wie man nach und
nach die Steingestaltung umwandeln müsse, daß sie
zu einer für Gold tauge, und da lebendig und eigen¬
thümlich werde. Er versprach mir, daß er mir über diese
Angelegenheit, wenn wir nach Hause gekommen sein
würden, Zeichnungen zeigen würde. Ich sah hieraus,
wie sehr meine Freunde über diesen Gegenstand nach¬
gedacht haben, und wie sie thatsächlich in ihn einge¬
gangen seien.

unter allen Stoffen die größte Biegſamkeit und Dehn¬
barkeit, wir glauben ihm daher die kühnſten Windun¬
gen und Verſchlingungen, und fordern ſie von ihm.
Die Bildungen beſonders Zierrathen aus Gold kön¬
nen daher nicht genau dieſelben ſein wie die aus
Stein, wenn beide ſchön ſein ſollen. Aber aus dem
inneren Geiſte des einen, glaube ich, kann man recht
gut und ſoll man den innern Geiſt des andern kennen,
und es dürfte Treffliches heraus kommen.“

Ich vermochte gegen dieſe Anſicht nichts Weſent¬
liches einzuwenden. Euſtach führte ſie noch genauer
durch Beiſpiele aus, die er von bekannten Steingeſtal¬
tungen an Kirchen hernahm. Er zeigte, wie eine ge¬
läufige leichte kirchliche Steinbildung, wenn man ſie
etwa aus Gold machen laſſe, ſogleich ſchwer träg und un¬
beholfen werde, und er zeigte auch, wie man nach und
nach die Steingeſtaltung umwandeln müſſe, daß ſie
zu einer für Gold tauge, und da lebendig und eigen¬
thümlich werde. Er verſprach mir, daß er mir über dieſe
Angelegenheit, wenn wir nach Hauſe gekommen ſein
würden, Zeichnungen zeigen würde. Ich ſah hieraus,
wie ſehr meine Freunde über dieſen Gegenſtand nach¬
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[96/0110] unter allen Stoffen die größte Biegſamkeit und Dehn¬ barkeit, wir glauben ihm daher die kühnſten Windun¬ gen und Verſchlingungen, und fordern ſie von ihm. Die Bildungen beſonders Zierrathen aus Gold kön¬ nen daher nicht genau dieſelben ſein wie die aus Stein, wenn beide ſchön ſein ſollen. Aber aus dem inneren Geiſte des einen, glaube ich, kann man recht gut und ſoll man den innern Geiſt des andern kennen, und es dürfte Treffliches heraus kommen.“ Ich vermochte gegen dieſe Anſicht nichts Weſent¬ liches einzuwenden. Euſtach führte ſie noch genauer durch Beiſpiele aus, die er von bekannten Steingeſtal¬ tungen an Kirchen hernahm. Er zeigte, wie eine ge¬ läufige leichte kirchliche Steinbildung, wenn man ſie etwa aus Gold machen laſſe, ſogleich ſchwer träg und un¬ beholfen werde, und er zeigte auch, wie man nach und nach die Steingeſtaltung umwandeln müſſe, daß ſie zu einer für Gold tauge, und da lebendig und eigen¬ thümlich werde. Er verſprach mir, daß er mir über dieſe Angelegenheit, wenn wir nach Hauſe gekommen ſein würden, Zeichnungen zeigen würde. Ich ſah hieraus, wie ſehr meine Freunde über dieſen Gegenſtand nach¬ gedacht haben, und wie ſie thatſächlich in ihn einge¬ gangen ſeien.

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Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 3. Pesth, 1857, S. 96. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer03_1857/110>, abgerufen am 01.11.2024.