langt hat; die Freiheit und Gleichheit, der blutige Guillotinen zu Diensten standen.
Wer für eine große Idee, eine gute Sache, eine Lehre, ein System, einen erhabenen Beruf lebt, der darf kein welt¬ liches Gelüste, kein selbstsüchtiges Interesse in sich aufkommen lassen. Hier haben Wir den Begriff des Pfaffenthums, oder wie es in seiner pädagogischen Wirksamkeit auch genannt werden kann, der Schulmeisterlichkeit; denn die Idealen schul¬ meistern Uns. Der Geistliche ist recht eigentlich berufen, der Idee zu leben und für die Idee, die wahrhaft gute Sache, zu wirken. Deshalb fühlt das Volk, wie wenig es ihm an¬ stehe, einen weltlichen Hochmuth zu zeigen, ein Wohlleben zu begehren, Vergnügen, wie Tanz und Spiel, mitzumachen, kurz ein anderes als ein "heiliges Interesse" zu haben. Daher schreibt sich auch wohl die dürftige Besoldung der Lehrer, die sich allein durch die Heiligkeit ihres Berufes belohnt fühlen und sonstigen Genüssen "entsagen" sollen.
Auch an einer Rangliste der heiligen Ideen, deren eine oder mehrere der Mensch als seinen Beruf ansehen soll, fehlt es nicht. Familie, Vaterland, Wissenschaft u. dergl. kann an Mir einen berufstreuen Diener finden.
Da stoßen Wir auf den uralten Wahn der Welt, die des Pfaffenthums noch nicht entrathen gelernt hat. Für eine Idee leben und schaffen, das sei der Beruf des Men¬ schen, und nach der Treue seiner Erfüllung messe sich sein menschlicher Werth.
Dieß ist die Herrschaft der Idee oder das Pfaffenthum. Robespierre z. B., St. Just u. s. w. waren durch und durch Pfaffen, begeistert von der Idee, Enthusiasten, consequente Rüstzeuge dieser Idee, ideale Menschen. So ruft St. Just
langt hat; die Freiheit und Gleichheit, der blutige Guillotinen zu Dienſten ſtanden.
Wer für eine große Idee, eine gute Sache, eine Lehre, ein Syſtem, einen erhabenen Beruf lebt, der darf kein welt¬ liches Gelüſte, kein ſelbſtſüchtiges Intereſſe in ſich aufkommen laſſen. Hier haben Wir den Begriff des Pfaffenthums, oder wie es in ſeiner pädagogiſchen Wirkſamkeit auch genannt werden kann, der Schulmeiſterlichkeit; denn die Idealen ſchul¬ meiſtern Uns. Der Geiſtliche iſt recht eigentlich berufen, der Idee zu leben und für die Idee, die wahrhaft gute Sache, zu wirken. Deshalb fühlt das Volk, wie wenig es ihm an¬ ſtehe, einen weltlichen Hochmuth zu zeigen, ein Wohlleben zu begehren, Vergnügen, wie Tanz und Spiel, mitzumachen, kurz ein anderes als ein „heiliges Intereſſe“ zu haben. Daher ſchreibt ſich auch wohl die dürftige Beſoldung der Lehrer, die ſich allein durch die Heiligkeit ihres Berufes belohnt fühlen und ſonſtigen Genüſſen „entſagen“ ſollen.
Auch an einer Rangliſte der heiligen Ideen, deren eine oder mehrere der Menſch als ſeinen Beruf anſehen ſoll, fehlt es nicht. Familie, Vaterland, Wiſſenſchaft u. dergl. kann an Mir einen berufstreuen Diener finden.
Da ſtoßen Wir auf den uralten Wahn der Welt, die des Pfaffenthums noch nicht entrathen gelernt hat. Für eine Idee leben und ſchaffen, das ſei der Beruf des Men¬ ſchen, und nach der Treue ſeiner Erfüllung meſſe ſich ſein menſchlicher Werth.
Dieß iſt die Herrſchaft der Idee oder das Pfaffenthum. Robespierre z. B., St. Juſt u. ſ. w. waren durch und durch Pfaffen, begeiſtert von der Idee, Enthuſiaſten, conſequente Rüſtzeuge dieſer Idee, ideale Menſchen. So ruft St. Juſt
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><p><pbfacs="#f0108"n="100"/>
langt hat; die Freiheit und Gleichheit, der blutige Guillotinen<lb/>
zu Dienſten ſtanden.</p><lb/><p>Wer für eine große Idee, eine gute Sache, eine Lehre,<lb/>
ein Syſtem, einen erhabenen Beruf lebt, der darf kein welt¬<lb/>
liches Gelüſte, kein ſelbſtſüchtiges Intereſſe in ſich aufkommen<lb/>
laſſen. Hier haben Wir den Begriff des <hirendition="#g">Pfaffenthums</hi>,<lb/>
oder wie es in ſeiner pädagogiſchen Wirkſamkeit auch genannt<lb/>
werden kann, der Schulmeiſterlichkeit; denn die Idealen ſchul¬<lb/>
meiſtern Uns. Der Geiſtliche iſt recht eigentlich berufen, der<lb/>
Idee zu leben und für die Idee, die wahrhaft gute Sache,<lb/>
zu wirken. Deshalb fühlt das Volk, wie wenig es ihm an¬<lb/>ſtehe, einen weltlichen Hochmuth zu zeigen, ein Wohlleben zu<lb/>
begehren, Vergnügen, wie Tanz und Spiel, mitzumachen, kurz<lb/>
ein anderes als ein „heiliges Intereſſe“ zu haben. Daher<lb/>ſchreibt ſich auch wohl die dürftige Beſoldung der Lehrer, die<lb/>ſich allein durch die Heiligkeit ihres Berufes belohnt fühlen<lb/>
und ſonſtigen Genüſſen „entſagen“ſollen.</p><lb/><p>Auch an einer Rangliſte der heiligen Ideen, deren eine<lb/>
oder mehrere der Menſch als ſeinen Beruf anſehen ſoll, fehlt<lb/>
es nicht. Familie, Vaterland, Wiſſenſchaft u. dergl. kann an<lb/>
Mir einen berufstreuen Diener finden.</p><lb/><p>Da ſtoßen Wir auf den uralten Wahn der Welt, die<lb/>
des Pfaffenthums noch nicht entrathen gelernt hat. <hirendition="#g">Für<lb/>
eine Idee</hi> leben und ſchaffen, das ſei der Beruf des Men¬<lb/>ſchen, und nach der Treue ſeiner Erfüllung meſſe ſich ſein<lb/><hirendition="#g">menſchlicher</hi> Werth.</p><lb/><p>Dieß iſt die Herrſchaft der Idee oder das Pfaffenthum.<lb/>
Robespierre z. B., St. Juſt u. ſ. w. waren durch und durch<lb/>
Pfaffen, begeiſtert von der Idee, Enthuſiaſten, conſequente<lb/>
Rüſtzeuge dieſer Idee, ideale Menſchen. So ruft St. Juſt<lb/></p></div></div></div></div></body></text></TEI>
[100/0108]
langt hat; die Freiheit und Gleichheit, der blutige Guillotinen
zu Dienſten ſtanden.
Wer für eine große Idee, eine gute Sache, eine Lehre,
ein Syſtem, einen erhabenen Beruf lebt, der darf kein welt¬
liches Gelüſte, kein ſelbſtſüchtiges Intereſſe in ſich aufkommen
laſſen. Hier haben Wir den Begriff des Pfaffenthums,
oder wie es in ſeiner pädagogiſchen Wirkſamkeit auch genannt
werden kann, der Schulmeiſterlichkeit; denn die Idealen ſchul¬
meiſtern Uns. Der Geiſtliche iſt recht eigentlich berufen, der
Idee zu leben und für die Idee, die wahrhaft gute Sache,
zu wirken. Deshalb fühlt das Volk, wie wenig es ihm an¬
ſtehe, einen weltlichen Hochmuth zu zeigen, ein Wohlleben zu
begehren, Vergnügen, wie Tanz und Spiel, mitzumachen, kurz
ein anderes als ein „heiliges Intereſſe“ zu haben. Daher
ſchreibt ſich auch wohl die dürftige Beſoldung der Lehrer, die
ſich allein durch die Heiligkeit ihres Berufes belohnt fühlen
und ſonſtigen Genüſſen „entſagen“ ſollen.
Auch an einer Rangliſte der heiligen Ideen, deren eine
oder mehrere der Menſch als ſeinen Beruf anſehen ſoll, fehlt
es nicht. Familie, Vaterland, Wiſſenſchaft u. dergl. kann an
Mir einen berufstreuen Diener finden.
Da ſtoßen Wir auf den uralten Wahn der Welt, die
des Pfaffenthums noch nicht entrathen gelernt hat. Für
eine Idee leben und ſchaffen, das ſei der Beruf des Men¬
ſchen, und nach der Treue ſeiner Erfüllung meſſe ſich ſein
menſchlicher Werth.
Dieß iſt die Herrſchaft der Idee oder das Pfaffenthum.
Robespierre z. B., St. Juſt u. ſ. w. waren durch und durch
Pfaffen, begeiſtert von der Idee, Enthuſiaſten, conſequente
Rüſtzeuge dieſer Idee, ideale Menſchen. So ruft St. Juſt
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Stirner, Max: Der Einzige und sein Eigenthum. Leipzig, 1845, S. 100. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stirner_einzige_1845/108>, abgerufen am 31.10.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.