Dem widersetzt sich der starre Kopf des weltlichen Men¬ schen, ist aber Jahrtausende lang immer so weit wenigstens erlegen, daß er den widerspenstigen Nacken beugen und "die höhere Macht verehren" mußte: das Pfaffenthum drückte ihn nieder. Hatte der weltliche Egoist Eine höhere Macht abge¬ schüttelt, z. B. das Alttestamentliche Gesetz, den römischen Papst u. s. w., so war gleich eine siebenfach höhere wieder über ihm, z. B. der Glaube an der Stelle des Gesetzes, die Umwandlung aller Laien in Geistliche an Stelle des beschränk¬ ten Clerus u. s. w. Es ging ihm wie dem Besessenen, in den sieben Teufel fuhren, als er von dem einen sich befreit zu haben glaubte.
In der oben angeführten Stelle wird der Bürgerklasse alle Idealität u. s. w. abgesprochen. Sie machinirte allerdings gegen die ideale Consequenz, mit welcher Robespierre das Princip ausführen wollte. Der Instinkt ihres Interesses sagte ihr, daß diese Consequenz mit dem, wonach ihr der Sinn stände, zu wenig harmonire, und daß es gegen sich selbst han¬ deln hieße, wollte sie der principiellen Begeisterung Vorschub leisten. Sollte sie etwa sich so uneigennützig benehmen, alle ihre Zwecke fahren zu lassen, um eine herbe Theorie zum Triumphe zu führen? Es sagt das freilich den Pfaffen treff¬ lich zu, wenn die Leute ihrem Aufrufe Gehör geben: "Wirf alles von Dir und folge mir nach," oder: "Verkaufe alles, was Du hast, und gieb es den Armen, so wirst Du einen Schatz im Himmel haben, und komm und folge mir nach." Einige entschiedene Idealisten gehorchen diesem Rufe; die Meisten hin¬ gegen handeln wie Ananias und Sapphira, indem sie halb pfäffisch oder religiös und halb weltlich sich betragen, Gott und dem Mammon dienen.
Dem widerſetzt ſich der ſtarre Kopf des weltlichen Men¬ ſchen, iſt aber Jahrtauſende lang immer ſo weit wenigſtens erlegen, daß er den widerſpenſtigen Nacken beugen und „die höhere Macht verehren“ mußte: das Pfaffenthum drückte ihn nieder. Hatte der weltliche Egoiſt Eine höhere Macht abge¬ ſchüttelt, z. B. das Altteſtamentliche Geſetz, den römiſchen Papſt u. ſ. w., ſo war gleich eine ſiebenfach höhere wieder über ihm, z. B. der Glaube an der Stelle des Geſetzes, die Umwandlung aller Laien in Geiſtliche an Stelle des beſchränk¬ ten Clerus u. ſ. w. Es ging ihm wie dem Beſeſſenen, in den ſieben Teufel fuhren, als er von dem einen ſich befreit zu haben glaubte.
In der oben angeführten Stelle wird der Bürgerklaſſe alle Idealität u. ſ. w. abgeſprochen. Sie machinirte allerdings gegen die ideale Conſequenz, mit welcher Robespierre das Princip ausführen wollte. Der Inſtinkt ihres Intereſſes ſagte ihr, daß dieſe Conſequenz mit dem, wonach ihr der Sinn ſtände, zu wenig harmonire, und daß es gegen ſich ſelbſt han¬ deln hieße, wollte ſie der principiellen Begeiſterung Vorſchub leiſten. Sollte ſie etwa ſich ſo uneigennützig benehmen, alle ihre Zwecke fahren zu laſſen, um eine herbe Theorie zum Triumphe zu führen? Es ſagt das freilich den Pfaffen treff¬ lich zu, wenn die Leute ihrem Aufrufe Gehör geben: „Wirf alles von Dir und folge mir nach,“ oder: „Verkaufe alles, was Du haſt, und gieb es den Armen, ſo wirſt Du einen Schatz im Himmel haben, und komm und folge mir nach.“ Einige entſchiedene Idealiſten gehorchen dieſem Rufe; die Meiſten hin¬ gegen handeln wie Ananias und Sapphira, indem ſie halb pfäffiſch oder religiös und halb weltlich ſich betragen, Gott und dem Mammon dienen.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><pbfacs="#f0112"n="104"/><p>Dem widerſetzt ſich der ſtarre Kopf des weltlichen Men¬<lb/>ſchen, iſt aber Jahrtauſende lang immer ſo weit wenigſtens<lb/>
erlegen, daß er den widerſpenſtigen Nacken beugen und „die<lb/>
höhere Macht verehren“ mußte: das Pfaffenthum drückte ihn<lb/>
nieder. Hatte der weltliche Egoiſt Eine höhere Macht abge¬<lb/>ſchüttelt, z. B. das Altteſtamentliche Geſetz, den römiſchen<lb/>
Papſt u. ſ. <choice><sic>w,</sic><corr>w.</corr></choice>, ſo war gleich eine ſiebenfach höhere wieder<lb/>
über ihm, z. B. der Glaube an der Stelle des Geſetzes, die<lb/>
Umwandlung aller Laien in Geiſtliche an Stelle des beſchränk¬<lb/>
ten Clerus u. ſ. w. Es ging ihm wie dem Beſeſſenen, in<lb/>
den ſieben Teufel fuhren, als er von dem einen ſich befreit zu<lb/>
haben glaubte.</p><lb/><p>In der oben angeführten Stelle wird der Bürgerklaſſe alle<lb/>
Idealität u. ſ. w. abgeſprochen. Sie machinirte allerdings<lb/>
gegen die ideale Conſequenz, mit welcher Robespierre das<lb/>
Princip ausführen wollte. Der Inſtinkt ihres Intereſſes ſagte<lb/>
ihr, daß dieſe Conſequenz mit dem, wonach ihr der Sinn<lb/>ſtände, zu wenig harmonire, und daß es gegen ſich ſelbſt han¬<lb/>
deln hieße, wollte ſie der principiellen Begeiſterung Vorſchub<lb/>
leiſten. Sollte ſie etwa ſich ſo uneigennützig benehmen, alle<lb/>
ihre Zwecke fahren zu laſſen, um eine herbe Theorie zum<lb/>
Triumphe zu führen? Es ſagt das freilich den Pfaffen treff¬<lb/>
lich zu, wenn die Leute ihrem Aufrufe Gehör geben: „Wirf<lb/>
alles von Dir und folge mir nach,“ oder: „Verkaufe alles,<lb/>
was Du haſt, und gieb es den Armen, ſo wirſt Du einen Schatz<lb/>
im Himmel haben, und komm und folge mir nach.“ Einige<lb/>
entſchiedene Idealiſten gehorchen dieſem Rufe; die Meiſten hin¬<lb/>
gegen handeln wie Ananias und Sapphira, indem ſie halb<lb/>
pfäffiſch oder religiös und halb weltlich ſich betragen, Gott<lb/>
und dem Mammon dienen.</p><lb/></div></div></div></div></body></text></TEI>
[104/0112]
Dem widerſetzt ſich der ſtarre Kopf des weltlichen Men¬
ſchen, iſt aber Jahrtauſende lang immer ſo weit wenigſtens
erlegen, daß er den widerſpenſtigen Nacken beugen und „die
höhere Macht verehren“ mußte: das Pfaffenthum drückte ihn
nieder. Hatte der weltliche Egoiſt Eine höhere Macht abge¬
ſchüttelt, z. B. das Altteſtamentliche Geſetz, den römiſchen
Papſt u. ſ. w., ſo war gleich eine ſiebenfach höhere wieder
über ihm, z. B. der Glaube an der Stelle des Geſetzes, die
Umwandlung aller Laien in Geiſtliche an Stelle des beſchränk¬
ten Clerus u. ſ. w. Es ging ihm wie dem Beſeſſenen, in
den ſieben Teufel fuhren, als er von dem einen ſich befreit zu
haben glaubte.
In der oben angeführten Stelle wird der Bürgerklaſſe alle
Idealität u. ſ. w. abgeſprochen. Sie machinirte allerdings
gegen die ideale Conſequenz, mit welcher Robespierre das
Princip ausführen wollte. Der Inſtinkt ihres Intereſſes ſagte
ihr, daß dieſe Conſequenz mit dem, wonach ihr der Sinn
ſtände, zu wenig harmonire, und daß es gegen ſich ſelbſt han¬
deln hieße, wollte ſie der principiellen Begeiſterung Vorſchub
leiſten. Sollte ſie etwa ſich ſo uneigennützig benehmen, alle
ihre Zwecke fahren zu laſſen, um eine herbe Theorie zum
Triumphe zu führen? Es ſagt das freilich den Pfaffen treff¬
lich zu, wenn die Leute ihrem Aufrufe Gehör geben: „Wirf
alles von Dir und folge mir nach,“ oder: „Verkaufe alles,
was Du haſt, und gieb es den Armen, ſo wirſt Du einen Schatz
im Himmel haben, und komm und folge mir nach.“ Einige
entſchiedene Idealiſten gehorchen dieſem Rufe; die Meiſten hin¬
gegen handeln wie Ananias und Sapphira, indem ſie halb
pfäffiſch oder religiös und halb weltlich ſich betragen, Gott
und dem Mammon dienen.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Stirner, Max: Der Einzige und sein Eigenthum. Leipzig, 1845, S. 104. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stirner_einzige_1845/112>, abgerufen am 31.10.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.