Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 2. Tübingen, 1836.Zweiter Abschnitt. unhistorischen Entstehung entdeckten, die Auffindung sol-cher Anlässe auch für die Haupterzählung erleichtert, und damit die Auflösung auch dieser selbst möglich gemacht. Dass die Gewalt Gottes und des mit ihm einigen mensch- lichen Geistes über die Natur von den Hebräern und er- sten Christen gerne unter dem Bilde einer Übermacht über die tobenden Meereswellen vorgestellt wurde, haben wir aus dem vorigen Beispiel gesehen. In der Erzählung des Exodus stellt sich diese Übermacht so dar, dass das Meer durch einen Wink aus seiner Stelle verjagt, und so dem Volk Gottes ein trockener Weg durch seinen Grund geöff- net wurde; in der zuvor betrachteten N. T.lichen Erzäh- lung so, dass das Meer an seiner Stelle blieb, und nur so weit zur Ruhe gewiesen wurde, dass Jesus und seine Jün- ger zu Schiff gefahrlos über dasselbe hinübergelangen konn- ten: in der jezt vorliegenden Anekdote wird aus der zwei- ten der Zug beibehalten, dass das Meer an seiner Stelle bleibt, zugleich jedoch aus der ersten der herbeigeholt, dass zu Fuss, nicht zu Schiffe hinübergewandelt wird, doch, mit Rücksicht auf den andern Zug, nicht durch seinen Grund, sondern über seine Oberfläche. Dass sich auf sol- che Weise die Anschauung der Übermacht des Wunder- thäters über Wasserwogen fortbildete, dazu lässt sich theils im A. T., theils in den Meinungen des Zeitalters Jesu noch nähere Veranlassung finden. Unter den Wundern des Elisa wird neben dem, dass er mittelst seines Mantels den Jordan getheilt, und so trockenen Fusses habe hin- durchgehen können (2 Kön. 2, 14.), auch das erzählt, dass er ein in's Wasser gefallenes Eisen schwimmend gemacht habe (2 Kön. 6, 6.): eine Übermacht über das Gesez der Schwere, welche der Wunderthäter wohl auch am eige- nen Leibe geltend machen, und so, wie es Hiob 9, 8. LXX. von Jehova heisst, als peripaton os ep edaphous epi thalasses sich darstellen konnte. Von Wunderthätern, die auf dem Wasser gehen konnten, wusste man sich um die Zeit Jesu Zweiter Abschnitt. unhistorischen Entstehung entdeckten, die Auffindung sol-cher Anlässe auch für die Haupterzählung erleichtert, und damit die Auflösung auch dieser selbst möglich gemacht. Daſs die Gewalt Gottes und des mit ihm einigen mensch- lichen Geistes über die Natur von den Hebräern und er- sten Christen gerne unter dem Bilde einer Übermacht über die tobenden Meereswellen vorgestellt wurde, haben wir aus dem vorigen Beispiel gesehen. In der Erzählung des Exodus stellt sich diese Übermacht so dar, daſs das Meer durch einen Wink aus seiner Stelle verjagt, und so dem Volk Gottes ein trockener Weg durch seinen Grund geöff- net wurde; in der zuvor betrachteten N. T.lichen Erzäh- lung so, daſs das Meer an seiner Stelle blieb, und nur so weit zur Ruhe gewiesen wurde, daſs Jesus und seine Jün- ger zu Schiff gefahrlos über dasselbe hinübergelangen konn- ten: in der jezt vorliegenden Anekdote wird aus der zwei- ten der Zug beibehalten, daſs das Meer an seiner Stelle bleibt, zugleich jedoch aus der ersten der herbeigeholt, daſs zu Fuſs, nicht zu Schiffe hinübergewandelt wird, doch, mit Rücksicht auf den andern Zug, nicht durch seinen Grund, sondern über seine Oberfläche. Daſs sich auf sol- che Weise die Anschauung der Übermacht des Wunder- thäters über Wasserwogen fortbildete, dazu läſst sich theils im A. T., theils in den Meinungen des Zeitalters Jesu noch nähere Veranlassung finden. Unter den Wundern des Elisa wird neben dem, daſs er mittelst seines Mantels den Jordan getheilt, und so trockenen Fuſses habe hin- durchgehen können (2 Kön. 2, 14.), auch das erzählt, daſs er ein in's Wasser gefallenes Eisen schwimmend gemacht habe (2 Kön. 6, 6.): eine Übermacht über das Gesez der Schwere, welche der Wunderthäter wohl auch am eige- nen Leibe geltend machen, und so, wie es Hiob 9, 8. LXX. von Jehova heiſst, als περιπατῶν ὡς ἐπ̕ ἐδάφους ἐπὶ ϑαλάσσης sich darstellen konnte. 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Zweiter Abschnitt.
unhistorischen Entstehung entdeckten, die Auffindung sol-
cher Anlässe auch für die Haupterzählung erleichtert, und
damit die Auflösung auch dieser selbst möglich gemacht.
Daſs die Gewalt Gottes und des mit ihm einigen mensch-
lichen Geistes über die Natur von den Hebräern und er-
sten Christen gerne unter dem Bilde einer Übermacht über
die tobenden Meereswellen vorgestellt wurde, haben wir
aus dem vorigen Beispiel gesehen. In der Erzählung des
Exodus stellt sich diese Übermacht so dar, daſs das Meer
durch einen Wink aus seiner Stelle verjagt, und so dem
Volk Gottes ein trockener Weg durch seinen Grund geöff-
net wurde; in der zuvor betrachteten N. T.lichen Erzäh-
lung so, daſs das Meer an seiner Stelle blieb, und nur so
weit zur Ruhe gewiesen wurde, daſs Jesus und seine Jün-
ger zu Schiff gefahrlos über dasselbe hinübergelangen konn-
ten: in der jezt vorliegenden Anekdote wird aus der zwei-
ten der Zug beibehalten, daſs das Meer an seiner Stelle
bleibt, zugleich jedoch aus der ersten der herbeigeholt,
daſs zu Fuſs, nicht zu Schiffe hinübergewandelt wird, doch,
mit Rücksicht auf den andern Zug, nicht durch seinen
Grund, sondern über seine Oberfläche. Daſs sich auf sol-
che Weise die Anschauung der Übermacht des Wunder-
thäters über Wasserwogen fortbildete, dazu läſst sich theils
im A. T., theils in den Meinungen des Zeitalters Jesu
noch nähere Veranlassung finden. Unter den Wundern
des Elisa wird neben dem, daſs er mittelst seines Mantels
den Jordan getheilt, und so trockenen Fuſses habe hin-
durchgehen können (2 Kön. 2, 14.), auch das erzählt, daſs
er ein in's Wasser gefallenes Eisen schwimmend gemacht
habe (2 Kön. 6, 6.): eine Übermacht über das Gesez der
Schwere, welche der Wunderthäter wohl auch am eige-
nen Leibe geltend machen, und so, wie es Hiob 9, 8. LXX. von
Jehova heiſst, als περιπατῶν ὡς ἐπ̕ ἐδάφους ἐπὶ ϑαλάσσης
sich darstellen konnte. Von Wunderthätern, die auf dem
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