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Süssmilch, Johann Peter: Die göttliche Ordnung in den Veränderungen des menschlichen Geschlechts aus der Geburt, Tod und Fortpflanzung desselben. Berlin, 1741.

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Von der Vermehrung
Wachsthum beständig seinen Fortgang gehabt.
Wer siehet also nicht, daß selbiger vornehmlich aus
Politischen Ursachen herrühre, von denen sich aber
auf das, was ordentlich und natürlich ist, gar nicht
schliessen läst? Eben dieses könte ich auch aus de-
nen von Wien in Händen habenden Listen darthun,
wenn es nöthig wäre. Hieraus erhellet also, daß
man von dem Wachsthum in grossen Städten auf
den auf dem Lande nicht schliessen müsse.

Sodann muß man zweytens auch bey Unter-
suchung dieser curiösen Aufgabe Acht haben, ob in
der Zeit Krieg, Pest und Wanderungen der Völcker,
vorgefallen sind oder nicht. Hat man lauter gesun-
de und ordentliche Jahre vor sich, so ist die Sache
gar leicht. Und hierinne können uns die Listen von
unserm Lande sehr zu Hülffe kommen. Ich wolte
aus selbigen fast als etwas gewisses fest setzen, daß in
100. Jahren sich die Menschen durch ihren in-
nerlichen und natürlichen Wachsthum verdop-
peln,
weil dieses die höchste Zahl ist, die die General-
Tabelle giebt, und weil die andern Special-Tabellen
fast alle noch weniger geben. Wieder die Mög-
lichkeit kan keiner etwas gegründetes vorbringen.
Graunt, [h] hat behauptet, daß in Engelland auf
dem platten Lande sich das Volck in 280. Jahren
durch ordentliche Zeugung verdoppele, welches alle
40. Jahr beträgt, es kan solches seyn, es würde
aber alsdenn die Vermehrung in Engelland weit
langsamer, wenigstens noch einmahl so langsam fort-
gehen, als bey uns. Er hat seine Rechnung nur
auf die Listen eines eintzigen Kirchspiels, nemlich des

von
[h] Annotations vpon the bills of mortality. edit. 5. pag.
59. und im indice num. 46.

Von der Vermehrung
Wachsthum beſtaͤndig ſeinen Fortgang gehabt.
Wer ſiehet alſo nicht, daß ſelbiger vornehmlich aus
Politiſchen Urſachen herruͤhre, von denen ſich aber
auf das, was ordentlich und natuͤrlich iſt, gar nicht
ſchlieſſen laͤſt? Eben dieſes koͤnte ich auch aus de-
nen von Wien in Haͤnden habenden Liſten darthun,
wenn es noͤthig waͤre. Hieraus erhellet alſo, daß
man von dem Wachsthum in groſſen Staͤdten auf
den auf dem Lande nicht ſchlieſſen muͤſſe.

Sodann muß man zweytens auch bey Unter-
ſuchung dieſer curioͤſen Aufgabe Acht haben, ob in
der Zeit Krieg, Peſt und Wanderungen der Voͤlcker,
vorgefallen ſind oder nicht. Hat man lauter geſun-
de und ordentliche Jahre vor ſich, ſo iſt die Sache
gar leicht. Und hierinne koͤnnen uns die Liſten von
unſerm Lande ſehr zu Huͤlffe kommen. Ich wolte
aus ſelbigen faſt als etwas gewiſſes feſt ſetzen, daß in
100. Jahren ſich die Menſchen durch ihren in-
nerlichen und natuͤrlichen Wachsthum verdop-
peln,
weil dieſes die hoͤchſte Zahl iſt, die die General-
Tabelle giebt, und weil die andern Special-Tabellen
faſt alle noch weniger geben. Wieder die Moͤg-
lichkeit kan keiner etwas gegruͤndetes vorbringen.
Graunt, [h] hat behauptet, daß in Engelland auf
dem platten Lande ſich das Volck in 280. Jahren
durch ordentliche Zeugung verdoppele, welches alle
40. Jahr ⅐ betraͤgt, es kan ſolches ſeyn, es wuͤrde
aber alsdenn die Vermehrung in Engelland weit
langſamer, wenigſtens noch einmahl ſo langſam fort-
gehen, als bey uns. Er hat ſeine Rechnung nur
auf die Liſten eines eintzigen Kirchſpiels, nemlich des

von
[h] Annotations vpon the bills of mortality. edit. 5. pag.
59. und im indice num. 46.
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[12/0058] Von der Vermehrung Wachsthum beſtaͤndig ſeinen Fortgang gehabt. Wer ſiehet alſo nicht, daß ſelbiger vornehmlich aus Politiſchen Urſachen herruͤhre, von denen ſich aber auf das, was ordentlich und natuͤrlich iſt, gar nicht ſchlieſſen laͤſt? Eben dieſes koͤnte ich auch aus de- nen von Wien in Haͤnden habenden Liſten darthun, wenn es noͤthig waͤre. Hieraus erhellet alſo, daß man von dem Wachsthum in groſſen Staͤdten auf den auf dem Lande nicht ſchlieſſen muͤſſe. Sodann muß man zweytens auch bey Unter- ſuchung dieſer curioͤſen Aufgabe Acht haben, ob in der Zeit Krieg, Peſt und Wanderungen der Voͤlcker, vorgefallen ſind oder nicht. Hat man lauter geſun- de und ordentliche Jahre vor ſich, ſo iſt die Sache gar leicht. Und hierinne koͤnnen uns die Liſten von unſerm Lande ſehr zu Huͤlffe kommen. Ich wolte aus ſelbigen faſt als etwas gewiſſes feſt ſetzen, daß in 100. Jahren ſich die Menſchen durch ihren in- nerlichen und natuͤrlichen Wachsthum verdop- peln, weil dieſes die hoͤchſte Zahl iſt, die die General- Tabelle giebt, und weil die andern Special-Tabellen faſt alle noch weniger geben. Wieder die Moͤg- lichkeit kan keiner etwas gegruͤndetes vorbringen. Graunt, [h] hat behauptet, daß in Engelland auf dem platten Lande ſich das Volck in 280. Jahren durch ordentliche Zeugung verdoppele, welches alle 40. Jahr ⅐ betraͤgt, es kan ſolches ſeyn, es wuͤrde aber alsdenn die Vermehrung in Engelland weit langſamer, wenigſtens noch einmahl ſo langſam fort- gehen, als bey uns. Er hat ſeine Rechnung nur auf die Liſten eines eintzigen Kirchſpiels, nemlich des von [h] Annotations vpon the bills of mortality. edit. 5. pag. 59. und im indice num. 46.

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Zitationshilfe: Süssmilch, Johann Peter: Die göttliche Ordnung in den Veränderungen des menschlichen Geschlechts aus der Geburt, Tod und Fortpflanzung desselben. Berlin, 1741, S. 12. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/suessmilch_ordnung_1741/58>, abgerufen am 19.05.2024.