Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Süssmilch, Johann Peter: Die göttliche Ordnung in den Veränderungen des menschlichen Geschlechts aus der Geburt, Tod und Fortpflanzung desselben. Berlin, 1741.

Bild:
<< vorherige Seite

Von denen Hindernissen der Vermehrung
die Bestellung des Landes an vielen Orten muß
überlassen werden. Mit einem Wort, aller Ver-
lust, den er damahls erlitten, muß auf seine Rech-
nung kommen, und seinem Ehrgeitze zugeschrieben
werden.

Die Austreibung von 3 oder 400 tausend sei-
ner Reformirten Unterthanen, ist aus eben derselben
Quelle hergeflossen. Er hätte sich niemahls so we-
nig daraus machen können, wenn er nicht denen
abergläubischen Spaniern dadurch hätte wollen ei-
nen Dunst vormachen.

Was kan man sich für Fleiß und Emsigkeit in
einem Lande versprechen, wo der Besitz dessen, was
man hat, ungewiß ist? welcher Unterthan wird sein
Land besäen, damit bloß der Fürst alles allein ein-
erndten möge? Sparsamkeit und Mäßigkeit müssen
bey einem solchem Volcke was fremdes seyn. Denn
wer wird heute etwas ersparen, das er, vielleicht
morgen zu verlieren, in Gefahr steht? Was für
Bewegungs-Gründe können sich alda zum heyra-
then finden? wer wird sich wohl in den Sinn kom-
men lassen, Kinder zu erzeugen, wenn man nicht
weiß, wovon man sie kleiden und ernähren soll? Es
hat also auf die Weise Ludwig XIV. durch Mor-
den, Blut-Vergiessen, und durch seinen fatalen Ehr-
geitz die Anzahl seiner Unterthanen nicht nur verrin-
gert, sondern er hat so gar verhindert, daß nicht
mehr haben können gebohren werden, und hat also
die Nachkommenschaft, so viel möglich gewesen, zer-
nichtet. Ist denn nun dieses der grosse Ludewig?
Ist dieses der unüberwindliche Monarch? Ist die-
ses der unsterbliche Mensch, ja der allmächtige, wie
ihn einige niederträchtige Schmeichler genennet? Ist

dieses

Von denen Hinderniſſen der Vermehrung
die Beſtellung des Landes an vielen Orten muß
uͤberlaſſen werden. Mit einem Wort, aller Ver-
luſt, den er damahls erlitten, muß auf ſeine Rech-
nung kommen, und ſeinem Ehrgeitze zugeſchrieben
werden.

Die Austreibung von 3 oder 400 tauſend ſei-
ner Reformirten Unterthanen, iſt aus eben derſelben
Quelle hergefloſſen. Er haͤtte ſich niemahls ſo we-
nig daraus machen koͤnnen, wenn er nicht denen
aberglaͤubiſchen Spaniern dadurch haͤtte wollen ei-
nen Dunſt vormachen.

Was kan man ſich fuͤr Fleiß und Emſigkeit in
einem Lande verſprechen, wo der Beſitz deſſen, was
man hat, ungewiß iſt? welcher Unterthan wird ſein
Land beſaͤen, damit bloß der Fuͤrſt alles allein ein-
erndten moͤge? Sparſamkeit und Maͤßigkeit muͤſſen
bey einem ſolchem Volcke was fremdes ſeyn. Denn
wer wird heute etwas erſparen, das er, vielleicht
morgen zu verlieren, in Gefahr ſteht? Was fuͤr
Bewegungs-Gruͤnde koͤnnen ſich alda zum heyra-
then finden? wer wird ſich wohl in den Sinn kom-
men laſſen, Kinder zu erzeugen, wenn man nicht
weiß, wovon man ſie kleiden und ernaͤhren ſoll? Es
hat alſo auf die Weiſe Ludwig XIV. durch Mor-
den, Blut-Vergieſſen, und durch ſeinen fatalen Ehr-
geitz die Anzahl ſeiner Unterthanen nicht nur verrin-
gert, ſondern er hat ſo gar verhindert, daß nicht
mehr haben koͤnnen gebohren werden, und hat alſo
die Nachkommenſchaft, ſo viel moͤglich geweſen, zer-
nichtet. Iſt denn nun dieſes der groſſe Ludewig?
Iſt dieſes der unuͤberwindliche Monarch? Iſt die-
ſes der unſterbliche Menſch, ja der allmaͤchtige, wie
ihn einige niedertraͤchtige Schmeichler genennet? Iſt

dieſes
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <floatingText>
            <body>
              <div type="letter">
                <p><pb facs="#f0084" n="38"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Von denen Hinderni&#x017F;&#x017F;en der Vermehrung</hi></fw><lb/>
die Be&#x017F;tellung des Landes an vielen Orten muß<lb/>
u&#x0364;berla&#x017F;&#x017F;en werden. Mit einem Wort, aller Ver-<lb/>
lu&#x017F;t, den er damahls erlitten, muß auf &#x017F;eine Rech-<lb/>
nung kommen, und &#x017F;einem Ehrgeitze zuge&#x017F;chrieben<lb/>
werden.</p><lb/>
                <p>Die Austreibung von 3 oder 400 tau&#x017F;end &#x017F;ei-<lb/>
ner Reformirten Unterthanen, i&#x017F;t aus eben der&#x017F;elben<lb/>
Quelle hergeflo&#x017F;&#x017F;en. Er ha&#x0364;tte &#x017F;ich niemahls &#x017F;o we-<lb/>
nig daraus machen ko&#x0364;nnen, wenn er nicht denen<lb/>
abergla&#x0364;ubi&#x017F;chen Spaniern dadurch ha&#x0364;tte wollen ei-<lb/>
nen Dun&#x017F;t vormachen.</p><lb/>
                <p>Was kan man &#x017F;ich fu&#x0364;r Fleiß und Em&#x017F;igkeit in<lb/>
einem Lande ver&#x017F;prechen, wo der Be&#x017F;itz de&#x017F;&#x017F;en, was<lb/>
man hat, ungewiß i&#x017F;t? welcher Unterthan wird &#x017F;ein<lb/>
Land be&#x017F;a&#x0364;en, damit bloß der Fu&#x0364;r&#x017F;t alles allein ein-<lb/>
erndten mo&#x0364;ge? Spar&#x017F;amkeit und Ma&#x0364;ßigkeit mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en<lb/>
bey einem &#x017F;olchem Volcke was fremdes &#x017F;eyn. Denn<lb/>
wer wird heute etwas er&#x017F;paren, das er, vielleicht<lb/>
morgen zu verlieren, in Gefahr &#x017F;teht? Was fu&#x0364;r<lb/>
Bewegungs-Gru&#x0364;nde ko&#x0364;nnen &#x017F;ich alda zum heyra-<lb/>
then finden? wer wird &#x017F;ich wohl in den Sinn kom-<lb/>
men la&#x017F;&#x017F;en, Kinder zu erzeugen, wenn man nicht<lb/>
weiß, wovon man &#x017F;ie kleiden und erna&#x0364;hren &#x017F;oll? Es<lb/>
hat al&#x017F;o auf die Wei&#x017F;e Ludwig <hi rendition="#aq">XIV.</hi> durch Mor-<lb/>
den, Blut-Vergie&#x017F;&#x017F;en, und durch &#x017F;einen fatalen Ehr-<lb/>
geitz die Anzahl &#x017F;einer Unterthanen nicht nur verrin-<lb/>
gert, &#x017F;ondern er hat &#x017F;o gar verhindert, daß nicht<lb/>
mehr haben ko&#x0364;nnen gebohren werden, und hat al&#x017F;o<lb/>
die Nachkommen&#x017F;chaft, &#x017F;o viel mo&#x0364;glich gewe&#x017F;en, zer-<lb/>
nichtet. I&#x017F;t denn nun die&#x017F;es der gro&#x017F;&#x017F;e Ludewig?<lb/>
I&#x017F;t die&#x017F;es der unu&#x0364;berwindliche Monarch? I&#x017F;t die-<lb/>
&#x017F;es der un&#x017F;terbliche Men&#x017F;ch, ja der allma&#x0364;chtige, wie<lb/>
ihn einige niedertra&#x0364;chtige Schmeichler genennet? I&#x017F;t<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">die&#x017F;es</fw><lb/></p>
              </div>
            </body>
          </floatingText>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[38/0084] Von denen Hinderniſſen der Vermehrung die Beſtellung des Landes an vielen Orten muß uͤberlaſſen werden. Mit einem Wort, aller Ver- luſt, den er damahls erlitten, muß auf ſeine Rech- nung kommen, und ſeinem Ehrgeitze zugeſchrieben werden. Die Austreibung von 3 oder 400 tauſend ſei- ner Reformirten Unterthanen, iſt aus eben derſelben Quelle hergefloſſen. Er haͤtte ſich niemahls ſo we- nig daraus machen koͤnnen, wenn er nicht denen aberglaͤubiſchen Spaniern dadurch haͤtte wollen ei- nen Dunſt vormachen. Was kan man ſich fuͤr Fleiß und Emſigkeit in einem Lande verſprechen, wo der Beſitz deſſen, was man hat, ungewiß iſt? welcher Unterthan wird ſein Land beſaͤen, damit bloß der Fuͤrſt alles allein ein- erndten moͤge? Sparſamkeit und Maͤßigkeit muͤſſen bey einem ſolchem Volcke was fremdes ſeyn. Denn wer wird heute etwas erſparen, das er, vielleicht morgen zu verlieren, in Gefahr ſteht? Was fuͤr Bewegungs-Gruͤnde koͤnnen ſich alda zum heyra- then finden? wer wird ſich wohl in den Sinn kom- men laſſen, Kinder zu erzeugen, wenn man nicht weiß, wovon man ſie kleiden und ernaͤhren ſoll? Es hat alſo auf die Weiſe Ludwig XIV. durch Mor- den, Blut-Vergieſſen, und durch ſeinen fatalen Ehr- geitz die Anzahl ſeiner Unterthanen nicht nur verrin- gert, ſondern er hat ſo gar verhindert, daß nicht mehr haben koͤnnen gebohren werden, und hat alſo die Nachkommenſchaft, ſo viel moͤglich geweſen, zer- nichtet. Iſt denn nun dieſes der groſſe Ludewig? Iſt dieſes der unuͤberwindliche Monarch? Iſt die- ſes der unſterbliche Menſch, ja der allmaͤchtige, wie ihn einige niedertraͤchtige Schmeichler genennet? Iſt dieſes

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/suessmilch_ordnung_1741
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/suessmilch_ordnung_1741/84
Zitationshilfe: Süssmilch, Johann Peter: Die göttliche Ordnung in den Veränderungen des menschlichen Geschlechts aus der Geburt, Tod und Fortpflanzung desselben. Berlin, 1741, S. 38. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/suessmilch_ordnung_1741/84>, abgerufen am 19.05.2024.