Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Thomasius, Christian: Ausübung Der SittenLehre. Halle (Saale), 1696.

Bild:
<< vorherige Seite

eigentlich beschrieben werden müssen.
gesagt/ daß zu denen Sinnligkeiten auch die
Empfindung unserer Gedancken gehöre; Dem
aus der Lehre dieses Capitels auch die Empfin-
dung unserer Neigungen selbst
beyzufügen ist.
Denn wenn du uns gleich woltest die Begierde zu
mediriren in tieffsinnigen Menschen vorwerffen/
daß dieselbe nicht durch die Sinnligkeiten des Lei-
bes erwecket werde/ so können wir doch gar leich-
te antworten/ daß die Lust/ die aus der sinnlichen
Empfindung des meditirens entstehet/ auch zu den
Sinnligkeiten gehöre.

47. Eben also mustu durch die äußerlichen
Dinge
allhier diejenigen verstehen/ die auser dem
Hertzen des Menschen
seyn/ als wie wir in der
Vernunfftlehre/ so viel die den Verstand regen-
den Sinnligkeiten betrifft/ alle äußerliche Dinge
genennet haben/ die auser dem Gehirne seyn e]
dergestalt/ daß auch hier unter die äußerlichen
Dinge die jenigen gehören/ die sonst innerliche
Theile des Menschlichen Leibes sind/ damit man
uns nicht etwa den Hunger/ Durst/ und die aus
der Menge des Saamens herrührende Begierde
vorwerffe.

48. Und vielleicht haben die Aristotelici des-
wegen den Hunger/ Durst/ und das geile Ge-
fühle nicht unter die Sinne gerechnet/
weil sie
die Affecten und Sinne/ nicht mit einander ver-
mischen wollen; Denn sie haben ohne allen

Zweiffel
e] c. 3. n. 27.

eigentlich beſchrieben werden muͤſſen.
geſagt/ daß zu denen Sinnligkeiten auch die
Empfindung unſerer Gedancken gehoͤre; Dem
aus der Lehre dieſes Capitels auch die Empfin-
dung unſerer Neigungen ſelbſt
beyzufuͤgen iſt.
Denn wenn du uns gleich wolteſt die Begierde zu
mediriren in tieffſinnigen Menſchen vorwerffen/
daß dieſelbe nicht durch die Sinnligkeiten des Lei-
bes erwecket werde/ ſo koͤnnen wir doch gar leich-
te antworten/ daß die Luſt/ die aus der ſinnlichen
Empfindung des meditirens entſtehet/ auch zu den
Sinnligkeiten gehoͤre.

47. Eben alſo muſtu durch die aͤußerlichen
Dinge
allhier diejenigen verſtehen/ die auſer dem
Hertzen des Menſchen
ſeyn/ als wie wir in der
Vernunfftlehre/ ſo viel die den Verſtand regen-
den Sinnligkeiten betrifft/ alle aͤußerliche Dinge
genennet haben/ die auſer dem Gehirne ſeyn e]
dergeſtalt/ daß auch hier unter die aͤußerlichen
Dinge die jenigen gehoͤren/ die ſonſt innerliche
Theile des Menſchlichen Leibes ſind/ damit man
uns nicht etwa den Hunger/ Durſt/ und die aus
der Menge des Saamens herruͤhrende Begierde
vorwerffe.

48. Und vielleicht haben die Ariſtotelici des-
wegen den Hunger/ Durſt/ und das geile Ge-
fuͤhle nicht unter die Sinne gerechnet/
weil ſie
die Affecten und Sinne/ nicht mit einander ver-
miſchen wollen; Denn ſie haben ohne allen

Zweiffel
e] c. 3. n. 27.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0105" n="93"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">eigentlich be&#x017F;chrieben werden mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en.</hi></fw><lb/>
ge&#x017F;agt/ daß <hi rendition="#fr">zu denen Sinnligkeiten</hi> auch die<lb/>
Empfindung un&#x017F;erer Gedancken geho&#x0364;re; Dem<lb/>
aus der Lehre die&#x017F;es Capitels auch <hi rendition="#fr">die Empfin-<lb/>
dung un&#x017F;erer Neigungen &#x017F;elb&#x017F;t</hi> beyzufu&#x0364;gen i&#x017F;t.<lb/>
Denn wenn du uns gleich wolte&#x017F;t die Begierde zu<lb/><hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">mediri</hi></hi>ren in tieff&#x017F;innigen Men&#x017F;chen vorwerffen/<lb/>
daß die&#x017F;elbe nicht durch die Sinnligkeiten des Lei-<lb/>
bes erwecket werde/ &#x017F;o ko&#x0364;nnen wir doch gar leich-<lb/>
te antworten/ daß die Lu&#x017F;t/ die aus der &#x017F;innlichen<lb/>
Empfindung des <hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">mediti</hi></hi>rens ent&#x017F;tehet/ auch zu den<lb/>
Sinnligkeiten geho&#x0364;re.</p><lb/>
        <p>47. Eben al&#x017F;o mu&#x017F;tu durch <hi rendition="#fr">die a&#x0364;ußerlichen<lb/>
Dinge</hi> allhier diejenigen ver&#x017F;tehen/ die <hi rendition="#fr">au&#x017F;er dem<lb/>
Hertzen des Men&#x017F;chen</hi> &#x017F;eyn/ als wie wir in der<lb/>
Vernunfftlehre/ &#x017F;o viel die den Ver&#x017F;tand regen-<lb/>
den Sinnligkeiten betrifft/ alle a&#x0364;ußerliche Dinge<lb/>
genennet haben/ die au&#x017F;er dem Gehirne &#x017F;eyn <note place="foot" n="e]"><hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">c. 3. n.</hi> 27.</hi></note><lb/>
derge&#x017F;talt/ daß auch hier unter die a&#x0364;ußerlichen<lb/>
Dinge die jenigen geho&#x0364;ren/ die &#x017F;on&#x017F;t innerliche<lb/>
Theile des Men&#x017F;chlichen Leibes &#x017F;ind/ damit man<lb/>
uns nicht etwa den Hunger/ Dur&#x017F;t/ und die aus<lb/>
der Menge des Saamens herru&#x0364;hrende Begierde<lb/>
vorwerffe.</p><lb/>
        <p>48. Und vielleicht haben die <hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">Ari&#x017F;totelici</hi></hi> des-<lb/>
wegen <hi rendition="#fr">den Hunger/ Dur&#x017F;t/</hi> und <hi rendition="#fr">das geile Ge-<lb/>
fu&#x0364;hle nicht unter die Sinne gerechnet/</hi> weil &#x017F;ie<lb/>
die <hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">Affect</hi></hi>en und Sinne/ nicht mit einander ver-<lb/>
mi&#x017F;chen wollen; Denn &#x017F;ie haben ohne allen<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Zweiffel</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[93/0105] eigentlich beſchrieben werden muͤſſen. geſagt/ daß zu denen Sinnligkeiten auch die Empfindung unſerer Gedancken gehoͤre; Dem aus der Lehre dieſes Capitels auch die Empfin- dung unſerer Neigungen ſelbſt beyzufuͤgen iſt. Denn wenn du uns gleich wolteſt die Begierde zu mediriren in tieffſinnigen Menſchen vorwerffen/ daß dieſelbe nicht durch die Sinnligkeiten des Lei- bes erwecket werde/ ſo koͤnnen wir doch gar leich- te antworten/ daß die Luſt/ die aus der ſinnlichen Empfindung des meditirens entſtehet/ auch zu den Sinnligkeiten gehoͤre. 47. Eben alſo muſtu durch die aͤußerlichen Dinge allhier diejenigen verſtehen/ die auſer dem Hertzen des Menſchen ſeyn/ als wie wir in der Vernunfftlehre/ ſo viel die den Verſtand regen- den Sinnligkeiten betrifft/ alle aͤußerliche Dinge genennet haben/ die auſer dem Gehirne ſeyn e] dergeſtalt/ daß auch hier unter die aͤußerlichen Dinge die jenigen gehoͤren/ die ſonſt innerliche Theile des Menſchlichen Leibes ſind/ damit man uns nicht etwa den Hunger/ Durſt/ und die aus der Menge des Saamens herruͤhrende Begierde vorwerffe. 48. Und vielleicht haben die Ariſtotelici des- wegen den Hunger/ Durſt/ und das geile Ge- fuͤhle nicht unter die Sinne gerechnet/ weil ſie die Affecten und Sinne/ nicht mit einander ver- miſchen wollen; Denn ſie haben ohne allen Zweiffel e] c. 3. n. 27.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ausuebungsittenlehre_1696
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ausuebungsittenlehre_1696/105
Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Ausübung Der SittenLehre. Halle (Saale), 1696, S. 93. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ausuebungsittenlehre_1696/105>, abgerufen am 10.11.2024.