Thomasius, Christian: Von der Kunst Vernünfftig und Tugendhafft zu lieben. Halle (Saale), 1692.Vorrede. cus, Agricola u. s. w. vor Augenstellen/ und aus derer Lebens-Be- schreibung oder Schrifften erken- nen/ daß diese allerdings die ver- nünfftige Liebe/ wo nicht in ihrer Vollkommenheit/ doch in einem mercklichen Grad geschmeckt und besessen haben. Und ist leider zu er- barmen/ daß wir Christen heissen/ und noch nicht einmahl die Mensch- heit erreichet haben; und daß unter denen/ die unter uns denen andern ein Exempel eines Christlichen Le- bens geben solten/ die meisten nicht alleine wie die Bestien leben/ sondern auch die armen Einfältigen und Ler- nenden auff ihr eigen Exempel wei- sen/ sich nach demselben einen Con- cept der Tugend zu machen/ da doch ihre Hertzen Tempel der Wollust/ des Ehr- und Geld-Geitzes sind. Sol- cher gestalt aber bildet man sich durch b 4
Vorrede. cus, Agricola u. ſ. w. vor Augenſtellen/ und aus derer Lebens-Be- ſchreibung oder Schrifften erken- nen/ daß dieſe allerdings die ver- nuͤnfftige Liebe/ wo nicht in ihrer Vollkommenheit/ doch in einem mercklichen Grad geſchmeckt und beſeſſen haben. Und iſt leider zu er- barmen/ daß wir Chriſten heiſſen/ und noch nicht einmahl die Menſch- heit erreichet haben; und daß unter denen/ die unter uns denen andern ein Exempel eines Chriſtlichen Le- bens geben ſolten/ die meiſten nicht alleine wie die Beſtien leben/ ſondern auch die armen Einfaͤltigen und Ler- nenden auff ihr eigen Exempel wei- ſen/ ſich nach demſelben einen Con- cept der Tugend zu machen/ da doch ihre Hertzen Tempel der Wolluſt/ des Ehr- und Geld-Geitzes ſind. Sol- cher geſtalt aber bildet man ſich durch b 4
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Vorrede.
cus, Agricola u. ſ. w. vor Augen
ſtellen/ und aus derer Lebens-Be-
ſchreibung oder Schrifften erken-
nen/ daß dieſe allerdings die ver-
nuͤnfftige Liebe/ wo nicht in ihrer
Vollkommenheit/ doch in einem
mercklichen Grad geſchmeckt und
beſeſſen haben. Und iſt leider zu er-
barmen/ daß wir Chriſten heiſſen/
und noch nicht einmahl die Menſch-
heit erreichet haben; und daß unter
denen/ die unter uns denen andern
ein Exempel eines Chriſtlichen Le-
bens geben ſolten/ die meiſten nicht
alleine wie die Beſtien leben/ ſondern
auch die armen Einfaͤltigen und Ler-
nenden auff ihr eigen Exempel wei-
ſen/ ſich nach demſelben einen Con-
cept der Tugend zu machen/ da doch
ihre Hertzen Tempel der Wolluſt/ des
Ehr- und Geld-Geitzes ſind. Sol-
cher geſtalt aber bildet man ſich
durch
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