Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Vierdter Theil. Halle, 1725.halten und behauptet, daß diese Veränderungen der bißher üblichen Excommunication eben so wohl für ein Menschen-Werck zu achten sey, als die vorige Excommunication gewesen. Endlich machte man auch bey der Absolution, die bißher nach der alten Art des Bannes keinen, der sich zu ändern und bessern versprochen, versaget ward, neue Difficultäten, und mit vielen damahls ersonnenen Graden der Busse denen Verbanneten das Leben blutsauer, wodurch aber diese Verbannung wegen der vielfältigen dabey von neuen mit unterlauffenden Beschimpffungen derer Verbanneten die Würckungen einer wahrhafftigen weltlichen Straffe immer mehr und mehr bekam. Seldeuus d. loco cap. 9. integro & cap. 13. p. 144. seq. Da nun endlich unter der Regierung Constantini Magni dieDrittens von denen Zeiten an des Kaysers Constantini, sonderlich schon in vierten und fünfften Seculo. Christen anfiengen von ihren Verfolgungen befreyet zu werden, und den Kayser selbst zum Rückenhalter bekamen, ist leichtlich zu erachten daß der Kirchen-Bann wie wir denselben bißhero beschrieben, auch selbst zu dem höchsten Gipffel seiner Gewalt und Macht gestiegen: wiewohl, als leichtlich zu erachten, dieses nicht auf einmahl, sondern von Seculo zu Seculo nach und nach geschehen. Kürtzlich und nach Anleitung gegenwärtigen Responsi nur summarisch von der Sache zu reden, bestand die Aufnahme und das Wachsthum des Kirchen-Banns darinnen. Erstlich häufften sich die Solennitäten bey dem Kirchen-Bann. An statt daß die Jüden mit Trompeten-Schall die Verbannung thaten, fieng man an bey denen Christen (Seldenus c. 10. p. 212.) solches bey angezündeten Lichten und Lampen und bey Läutung der Glocken zu thun: man brauchte so wohl bey dem grossen als kleinen Bann sich gewisser Formuln, (p. 210.) die mehrentheils so pralericht und gotteslästerlich eingerichtet waren, als wenn die Clerisey nach ihren Gutdüncken GOtt selbst und die heiligen Engel in ihrer Bothmäßigkeit hätten und ihnen befehlen könten, was sie nur wolten, und zwar dieses alles mit Anziehung zermarterter und radebrechter Sprüche aus heiliger Schrifft, durch welche die Clerisey das arme Volck von kleinesten biß zum grösten bereden wolte, auch würcklich beredete, daß ihnen unter den Schein einer geistlichen Gewalt die Macht gegeben sey, auf weltliche Weise en souverain und dergestalt zu tyrannisiren, daß kein Mensche darwieder muxen dörffte. Man fieng schon in vierten und fünfften Seculo an auch Kayserliche und Königliche Personen als den Kayser Arcadium und seine Gemahlin Eudoxiam zu excommuniciren, (p. 211.) auch die Todten nicht zu verschonen, (p. 215. seq.) man thate Mäuse, Ratten, Heuschrecken, Raupen, Elstern und andre Vögel, halten und behauptet, daß diese Veränderungen der bißher üblichen Excommunication eben so wohl für ein Menschen-Werck zu achten sey, als die vorige Excommunication gewesen. Endlich machte man auch bey der Absolution, die bißher nach der alten Art des Bannes keinen, der sich zu ändern und bessern versprochen, versaget ward, neue Difficultäten, und mit vielen damahls ersonnenen Graden der Busse denen Verbanneten das Leben blutsauer, wodurch aber diese Verbannung wegen der vielfältigen dabey von neuen mit unterlauffenden Beschimpffungen derer Verbanneten die Würckungen einer wahrhafftigen weltlichen Straffe immer mehr und mehr bekam. Seldeuus d. loco cap. 9. integro & cap. 13. p. 144. seq. Da nun endlich unter der Regierung Constantini Magni dieDrittens von denen Zeiten an des Kaysers Constantini, sonderlich schon in vierten und fünfften Seculo. Christen anfiengen von ihren Verfolgungen befreyet zu werden, und den Kayser selbst zum Rückenhalter bekamen, ist leichtlich zu erachten daß der Kirchen-Bann wie wir denselben bißhero beschrieben, auch selbst zu dem höchsten Gipffel seiner Gewalt und Macht gestiegen: wiewohl, als leichtlich zu erachten, dieses nicht auf einmahl, sondern von Seculo zu Seculo nach und nach geschehen. Kürtzlich und nach Anleitung gegenwärtigen Responsi nur summarisch von der Sache zu reden, bestand die Aufnahme und das Wachsthum des Kirchen-Banns darinnen. Erstlich häufften sich die Solennitäten bey dem Kirchen-Bann. An statt daß die Jüden mit Trompeten-Schall die Verbannung thaten, fieng man an bey denen Christen (Seldenus c. 10. p. 212.) solches bey angezündeten Lichten und Lampen und bey Läutung der Glocken zu thun: man brauchte so wohl bey dem grossen als kleinen Bann sich gewisser Formuln, (p. 210.) die mehrentheils so pralericht und gotteslästerlich eingerichtet waren, als wenn die Clerisey nach ihren Gutdüncken GOtt selbst und die heiligen Engel in ihrer Bothmäßigkeit hätten und ihnen befehlen könten, was sie nur wolten, und zwar dieses alles mit Anziehung zermarterter und radebrechter Sprüche aus heiliger Schrifft, durch welche die Clerisey das arme Volck von kleinesten biß zum grösten bereden wolte, auch würcklich beredete, daß ihnen unter den Schein einer geistlichen Gewalt die Macht gegeben sey, auf weltliche Weise en souverain und dergestalt zu tyrannisiren, daß kein Mensche darwieder muxen dörffte. Man fieng schon in vierten und fünfften Seculo an auch Kayserliche und Königliche Personen als den Kayser Arcadium und seine Gemahlin Eudoxiam zu excommuniciren, (p. 211.) auch die Todten nicht zu verschonen, (p. 215. seq.) man thate Mäuse, Ratten, Heuschrecken, Raupen, Elstern und andre Vögel, <TEI> <text> <body> <div> <p><pb facs="#f0143" n="135"/> halten und behauptet, daß diese Veränderungen der bißher üblichen Excommunication eben so wohl für ein Menschen-Werck zu achten sey, als die vorige Excommunication gewesen. Endlich machte man auch bey der Absolution, die bißher nach der alten Art des Bannes keinen, der sich zu ändern und bessern versprochen, versaget ward, neue Difficultäten, und mit vielen damahls ersonnenen Graden der Busse denen Verbanneten das Leben blutsauer, wodurch aber diese Verbannung wegen der vielfältigen dabey von neuen mit unterlauffenden Beschimpffungen derer Verbanneten die Würckungen einer wahrhafftigen weltlichen Straffe immer mehr und mehr bekam. Seldeuus <hi rendition="#i">d. loco cap. 9. integro & cap. 13. p. 144. seq.</hi></p> <p>Da nun endlich unter der Regierung Constantini Magni die<note place="right">Drittens von denen Zeiten an des Kaysers Constantini, sonderlich schon in vierten und fünfften Seculo.</note> Christen anfiengen von ihren Verfolgungen befreyet zu werden, und den Kayser selbst zum Rückenhalter bekamen, ist leichtlich zu erachten daß der Kirchen-Bann wie wir denselben bißhero beschrieben, auch selbst zu dem höchsten Gipffel seiner Gewalt und Macht gestiegen: wiewohl, als leichtlich zu erachten, dieses nicht auf einmahl, sondern von Seculo zu Seculo nach und nach geschehen. Kürtzlich und nach Anleitung gegenwärtigen Responsi nur summarisch von der Sache zu reden, bestand die Aufnahme und das Wachsthum des Kirchen-Banns darinnen. Erstlich häufften sich die Solennitäten bey dem Kirchen-Bann. An statt daß die Jüden mit Trompeten-Schall die Verbannung thaten, fieng man an bey denen Christen (Seldenus <hi rendition="#i">c. 10. p. 212.</hi>) solches bey angezündeten Lichten und Lampen und bey Läutung der Glocken zu thun: man brauchte so wohl bey dem grossen als kleinen Bann sich gewisser Formuln, <hi rendition="#i">(p. 210.)</hi> die mehrentheils so pralericht und gotteslästerlich eingerichtet waren, als wenn die Clerisey nach ihren Gutdüncken GOtt selbst und die heiligen Engel in ihrer Bothmäßigkeit hätten und ihnen befehlen könten, was sie nur wolten, und zwar dieses alles mit Anziehung zermarterter und radebrechter Sprüche aus heiliger Schrifft, durch welche die Clerisey das arme Volck von kleinesten biß zum grösten bereden wolte, auch würcklich beredete, daß ihnen unter den Schein einer geistlichen Gewalt die Macht gegeben sey, auf weltliche Weise en souverain und dergestalt zu tyrannisiren, daß kein Mensche darwieder muxen dörffte. Man fieng schon in vierten und fünfften Seculo an auch Kayserliche und Königliche Personen als den Kayser Arcadium und seine Gemahlin Eudoxiam zu excommuniciren, <hi rendition="#i">(p. 211.)</hi> auch die Todten nicht zu verschonen, <hi rendition="#i">(p. 215. seq.)</hi> man thate Mäuse, Ratten, Heuschrecken, Raupen, Elstern und andre Vögel, </p> </div> </body> </text> </TEI> [135/0143]
halten und behauptet, daß diese Veränderungen der bißher üblichen Excommunication eben so wohl für ein Menschen-Werck zu achten sey, als die vorige Excommunication gewesen. Endlich machte man auch bey der Absolution, die bißher nach der alten Art des Bannes keinen, der sich zu ändern und bessern versprochen, versaget ward, neue Difficultäten, und mit vielen damahls ersonnenen Graden der Busse denen Verbanneten das Leben blutsauer, wodurch aber diese Verbannung wegen der vielfältigen dabey von neuen mit unterlauffenden Beschimpffungen derer Verbanneten die Würckungen einer wahrhafftigen weltlichen Straffe immer mehr und mehr bekam. Seldeuus d. loco cap. 9. integro & cap. 13. p. 144. seq.
Da nun endlich unter der Regierung Constantini Magni die Christen anfiengen von ihren Verfolgungen befreyet zu werden, und den Kayser selbst zum Rückenhalter bekamen, ist leichtlich zu erachten daß der Kirchen-Bann wie wir denselben bißhero beschrieben, auch selbst zu dem höchsten Gipffel seiner Gewalt und Macht gestiegen: wiewohl, als leichtlich zu erachten, dieses nicht auf einmahl, sondern von Seculo zu Seculo nach und nach geschehen. Kürtzlich und nach Anleitung gegenwärtigen Responsi nur summarisch von der Sache zu reden, bestand die Aufnahme und das Wachsthum des Kirchen-Banns darinnen. Erstlich häufften sich die Solennitäten bey dem Kirchen-Bann. An statt daß die Jüden mit Trompeten-Schall die Verbannung thaten, fieng man an bey denen Christen (Seldenus c. 10. p. 212.) solches bey angezündeten Lichten und Lampen und bey Läutung der Glocken zu thun: man brauchte so wohl bey dem grossen als kleinen Bann sich gewisser Formuln, (p. 210.) die mehrentheils so pralericht und gotteslästerlich eingerichtet waren, als wenn die Clerisey nach ihren Gutdüncken GOtt selbst und die heiligen Engel in ihrer Bothmäßigkeit hätten und ihnen befehlen könten, was sie nur wolten, und zwar dieses alles mit Anziehung zermarterter und radebrechter Sprüche aus heiliger Schrifft, durch welche die Clerisey das arme Volck von kleinesten biß zum grösten bereden wolte, auch würcklich beredete, daß ihnen unter den Schein einer geistlichen Gewalt die Macht gegeben sey, auf weltliche Weise en souverain und dergestalt zu tyrannisiren, daß kein Mensche darwieder muxen dörffte. Man fieng schon in vierten und fünfften Seculo an auch Kayserliche und Königliche Personen als den Kayser Arcadium und seine Gemahlin Eudoxiam zu excommuniciren, (p. 211.) auch die Todten nicht zu verschonen, (p. 215. seq.) man thate Mäuse, Ratten, Heuschrecken, Raupen, Elstern und andre Vögel,
Drittens von denen Zeiten an des Kaysers Constantini, sonderlich schon in vierten und fünfften Seculo.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ernsthaffte04_1725 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ernsthaffte04_1725/143 |
Zitationshilfe: | Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Vierdter Theil. Halle, 1725, S. 135. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ernsthaffte04_1725/143>, abgerufen am 16.06.2024. |