Was Du mir gethan hast, liebstes, bestes Mäd- chen? Nichts, als daß Du mich nicht eben so sehr liebst, wie ich Dich liebe. -- Warum ver- läßt Du mich oft so plötzlich? Warum darf ich nicht in der Nacht bey Dir bleiben, wenn Du Dich ohne mich so einsam fühlst? Die wahre Liebe ist mit diesem Eigensinne unbekannt. Wenn Du mich nur hier sähest, wie ich oft in der Nacht nach Deinem Hause hinüber blicke, wie ich nicht schlafen kann, und mir schweigend Deine Lieder wiederhole, um mich nur etwas zu beruhigen, wie ich Dein Bild tausend und tausendmal küsse, das ich neulich bey Dir zeich- nete! Das Papier ist von meinen Thränen naß; das Haus wird mir zu enge, und ich schweife im trüben Mondlichte dann zwischen den Rui- nen umher, und Deine Gestalt begleitet mich allenthalben. O Rosaline, dieses Zagen, diese Angst kennst Du nicht, denn sonst würdest Du meinen Zustand mehr bemitleiden. Nein, Hart- herzige! Du kennst die Liebe nicht, denn Du
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41. Anthonio an Roſaline.
Was Du mir gethan haſt, liebſtes, beſtes Maͤd- chen? Nichts, als daß Du mich nicht eben ſo ſehr liebſt, wie ich Dich liebe. — Warum ver- laͤßt Du mich oft ſo ploͤtzlich? Warum darf ich nicht in der Nacht bey Dir bleiben, wenn Du Dich ohne mich ſo einſam fuͤhlſt? Die wahre Liebe iſt mit dieſem Eigenſinne unbekannt. Wenn Du mich nur hier ſaͤheſt, wie ich oft in der Nacht nach Deinem Hauſe hinuͤber blicke, wie ich nicht ſchlafen kann, und mir ſchweigend Deine Lieder wiederhole, um mich nur etwas zu beruhigen, wie ich Dein Bild tauſend und tauſendmal kuͤſſe, das ich neulich bey Dir zeich- nete! Das Papier iſt von meinen Thraͤnen naß; das Haus wird mir zu enge, und ich ſchweife im truͤben Mondlichte dann zwiſchen den Rui- nen umher, und Deine Geſtalt begleitet mich allenthalben. O Roſaline, dieſes Zagen, dieſe Angſt kennſt Du nicht, denn ſonſt wuͤrdeſt Du meinen Zuſtand mehr bemitleiden. Nein, Hart- herzige! Du kennſt die Liebe nicht, denn Du
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41.
Anthonio an Roſaline.
Was Du mir gethan haſt, liebſtes, beſtes Maͤd-
chen? Nichts, als daß Du mich nicht eben ſo
ſehr liebſt, wie ich Dich liebe. — Warum ver-
laͤßt Du mich oft ſo ploͤtzlich? Warum darf ich
nicht in der Nacht bey Dir bleiben, wenn Du
Dich ohne mich ſo einſam fuͤhlſt? Die wahre
Liebe iſt mit dieſem Eigenſinne unbekannt. Wenn
Du mich nur hier ſaͤheſt, wie ich oft in der
Nacht nach Deinem Hauſe hinuͤber blicke, wie
ich nicht ſchlafen kann, und mir ſchweigend
Deine Lieder wiederhole, um mich nur etwas
zu beruhigen, wie ich Dein Bild tauſend und
tauſendmal kuͤſſe, das ich neulich bey Dir zeich-
nete! Das Papier iſt von meinen Thraͤnen naß;
das Haus wird mir zu enge, und ich ſchweife
im truͤben Mondlichte dann zwiſchen den Rui-
nen umher, und Deine Geſtalt begleitet mich
allenthalben. O Roſaline, dieſes Zagen, dieſe
Angſt kennſt Du nicht, denn ſonſt wuͤrdeſt Du
meinen Zuſtand mehr bemitleiden. Nein, Hart-
herzige! Du kennſt die Liebe nicht, denn Du
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Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 2. Berlin u. a., 1796, S. 163. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell02_1796/169>, abgerufen am 31.10.2024.
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