Nein, bis jetzt hab ich noch nie diesen Genuß empfunden; das Vergnügen an anderen Weibern ist nur wie ein Vorgefühl, eine Ahndung dieser Seeligkeit. In den Armen der Blainville fühlt' ich nur den Anfang des Rausches, und log mir eine Entzückung der Götter; Reue und Ueber- druß bemeisterten sich meiner sehr bald. Laura, Bianka und alle übrigen dieser Zunft sind ver- worfene Geschöpfe, die ihre Entzückungen heu- cheln, und nach dem Preise erhöhn. -- Rosa- line, Rosaline ist das einzige Weib in der Welt, die übrigen sind ihr nur gleichsam nachgemacht. --
Ich fange jetzt würklich an, schläfrig zu wer- den; die Traumbilder, die mich begrüßen wol- len, tanzen schon jetzt um mich herum, und necken mich. Alle haben die entkleidete Rosa- line in ihrer Mitte. -- Ich werfe mich aufs Lager. Willy, sey' ich, ist schon zu Bette gegan- gen; in Rom schlägt es drey Uhr. -- Leben Sie recht wohl, lieber Rosa; ich beneide jetzt keinen Menschen, sondern bedaure sie alle. Noch nie hab' ich mich so darüber gefreut, daß ich Lovell hin. --
Nein, bis jetzt hab ich noch nie dieſen Genuß empfunden; das Vergnuͤgen an anderen Weibern iſt nur wie ein Vorgefuͤhl, eine Ahndung dieſer Seeligkeit. In den Armen der Blainville fuͤhlt’ ich nur den Anfang des Rauſches, und log mir eine Entzuͤckung der Goͤtter; Reue und Ueber- druß bemeiſterten ſich meiner ſehr bald. Laura, Bianka und alle uͤbrigen dieſer Zunft ſind ver- worfene Geſchoͤpfe, die ihre Entzuͤckungen heu- cheln, und nach dem Preiſe erhoͤhn. — Roſa- line, Roſaline iſt das einzige Weib in der Welt, die uͤbrigen ſind ihr nur gleichſam nachgemacht. —
Ich fange jetzt wuͤrklich an, ſchlaͤfrig zu wer- den; die Traumbilder, die mich begruͤßen wol- len, tanzen ſchon jetzt um mich herum, und necken mich. Alle haben die entkleidete Roſa- line in ihrer Mitte. — Ich werfe mich aufs Lager. Willy, ſey’ ich, iſt ſchon zu Bette gegan- gen; in Rom ſchlaͤgt es drey Uhr. — Leben Sie recht wohl, lieber Roſa; ich beneide jetzt keinen Menſchen, ſondern bedaure ſie alle. Noch nie hab’ ich mich ſo daruͤber gefreut, daß ich Lovell hin. —
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Nein, bis jetzt hab ich noch nie dieſen Genuß
empfunden; das Vergnuͤgen an anderen Weibern
iſt nur wie ein Vorgefuͤhl, eine Ahndung dieſer
Seeligkeit. In den Armen der Blainville fuͤhlt’
ich nur den Anfang des Rauſches, und log mir
eine Entzuͤckung der Goͤtter; Reue und Ueber-
druß bemeiſterten ſich meiner ſehr bald. Laura,
Bianka und alle uͤbrigen dieſer Zunft ſind ver-
worfene Geſchoͤpfe, die ihre Entzuͤckungen heu-
cheln, und nach dem Preiſe erhoͤhn. — Roſa-
line, Roſaline iſt das einzige Weib in der Welt,
die uͤbrigen ſind ihr nur gleichſam nachgemacht. —
Ich fange jetzt wuͤrklich an, ſchlaͤfrig zu wer-
den; die Traumbilder, die mich begruͤßen wol-
len, tanzen ſchon jetzt um mich herum, und
necken mich. Alle haben die entkleidete Roſa-
line in ihrer Mitte. — Ich werfe mich aufs
Lager. Willy, ſey’ ich, iſt ſchon zu Bette gegan-
gen; in Rom ſchlaͤgt es drey Uhr. — Leben
Sie recht wohl, lieber Roſa; ich beneide jetzt
keinen Menſchen, ſondern bedaure ſie alle. Noch
nie hab’ ich mich ſo daruͤber gefreut, daß ich
Lovell hin. —
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Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 2. Berlin u. a., 1796, S. 190. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell02_1796/196>, abgerufen am 31.10.2024.
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