13. Amalie Wilmont an ihre Freundinn Emilie Burton.
London.
Sie sind es schon gewohnt, liebe Emilie, mei- ne uninteressanten Briefe zu lesen, ich habe also nicht viel zu besorgen, wenn ich Ihnen noch einmal schreibe. Es ist gewiß nicht Eitelkeit oder Stolz, wenn ich niemals von Neuigkeiten oder wichtigen Vorfällen, sondern immer nur von mir spreche, und von dem, was mir zu- stößt. Ich habe mich leider von Jugend auf daran gewöhnt, mich nur mit mir selbst und mit dem kleinen Zirkel zu beschäfftigen, der mich umgiebt. Wenn mir eine Krankheit meiner Eltern, eine Reise meines Bruders, oder das Unglück eines Freundes wichtig ist; so vergesse ich darüber die ganze übrige Welt, und weine oder freue mich, ganz für mich, wenn indeß auch in einem entfernten Erdtheile vielleicht eine ganze Nation untergeht.
Ach, liebe Freundinn, wenn ich doch bey Ihnen wäre, oder Sie bey mir seyn könnten!
13. Amalie Wilmont an ihre Freundinn Emilie Burton.
London.
Sie ſind es ſchon gewohnt, liebe Emilie, mei- ne unintereſſanten Briefe zu leſen, ich habe alſo nicht viel zu beſorgen, wenn ich Ihnen noch einmal ſchreibe. Es iſt gewiß nicht Eitelkeit oder Stolz, wenn ich niemals von Neuigkeiten oder wichtigen Vorfaͤllen, ſondern immer nur von mir ſpreche, und von dem, was mir zu- ſtoͤßt. Ich habe mich leider von Jugend auf daran gewoͤhnt, mich nur mit mir ſelbſt und mit dem kleinen Zirkel zu beſchaͤfftigen, der mich umgiebt. Wenn mir eine Krankheit meiner Eltern, eine Reiſe meines Bruders, oder das Ungluͤck eines Freundes wichtig iſt; ſo vergeſſe ich daruͤber die ganze uͤbrige Welt, und weine oder freue mich, ganz fuͤr mich, wenn indeß auch in einem entfernten Erdtheile vielleicht eine ganze Nation untergeht.
Ach, liebe Freundinn, wenn ich doch bey Ihnen waͤre, oder Sie bey mir ſeyn koͤnnten!
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0074"n="68"/><divn="2"><head>13.<lb/><hirendition="#g">Amalie Wilmont</hi> an ihre Freundinn<lb/><hirendition="#g">Emilie Burton</hi>.</head><lb/><dateline><placeName><hirendition="#right"><hirendition="#g">London</hi>.</hi></placeName></dateline><lb/><p><hirendition="#in">S</hi>ie ſind es ſchon gewohnt, liebe Emilie, mei-<lb/>
ne unintereſſanten Briefe zu leſen, ich habe alſo<lb/>
nicht viel zu beſorgen, wenn ich Ihnen noch<lb/>
einmal ſchreibe. Es iſt gewiß nicht Eitelkeit<lb/>
oder Stolz, wenn ich niemals von Neuigkeiten<lb/>
oder wichtigen Vorfaͤllen, ſondern immer nur<lb/>
von mir ſpreche, und von dem, was mir zu-<lb/>ſtoͤßt. Ich habe mich leider von Jugend auf<lb/>
daran gewoͤhnt, mich nur mit mir ſelbſt und<lb/>
mit dem kleinen Zirkel zu beſchaͤfftigen, der<lb/>
mich umgiebt. Wenn mir eine Krankheit meiner<lb/>
Eltern, eine Reiſe meines Bruders, oder das<lb/>
Ungluͤck eines Freundes wichtig iſt; ſo vergeſſe<lb/>
ich daruͤber die ganze uͤbrige Welt, und weine<lb/>
oder freue mich, ganz fuͤr mich, wenn indeß<lb/>
auch in einem entfernten Erdtheile vielleicht eine<lb/>
ganze Nation untergeht.</p><lb/><p>Ach, liebe Freundinn, wenn ich doch bey<lb/>
Ihnen waͤre, oder Sie bey mir ſeyn koͤnnten!<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[68/0074]
13.
Amalie Wilmont an ihre Freundinn
Emilie Burton.
London.
Sie ſind es ſchon gewohnt, liebe Emilie, mei-
ne unintereſſanten Briefe zu leſen, ich habe alſo
nicht viel zu beſorgen, wenn ich Ihnen noch
einmal ſchreibe. Es iſt gewiß nicht Eitelkeit
oder Stolz, wenn ich niemals von Neuigkeiten
oder wichtigen Vorfaͤllen, ſondern immer nur
von mir ſpreche, und von dem, was mir zu-
ſtoͤßt. Ich habe mich leider von Jugend auf
daran gewoͤhnt, mich nur mit mir ſelbſt und
mit dem kleinen Zirkel zu beſchaͤfftigen, der
mich umgiebt. Wenn mir eine Krankheit meiner
Eltern, eine Reiſe meines Bruders, oder das
Ungluͤck eines Freundes wichtig iſt; ſo vergeſſe
ich daruͤber die ganze uͤbrige Welt, und weine
oder freue mich, ganz fuͤr mich, wenn indeß
auch in einem entfernten Erdtheile vielleicht eine
ganze Nation untergeht.
Ach, liebe Freundinn, wenn ich doch bey
Ihnen waͤre, oder Sie bey mir ſeyn koͤnnten!
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 2. Berlin u. a., 1796, S. 68. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell02_1796/74>, abgerufen am 10.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.