Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 1. Berlin, 1812.

Bild:
<< vorherige Seite

Erste Abtheilung.
wie ein Kind vom Hause, so daß man sich nicht
mehr verwunderte, wenn ich zugegen war, und
Emma ward mir mit jedem Tage lieber. So ver-
gingen mir die Stunden, und eine Zärtlichkeit
hatte mein Herz gefangen genommen, ohne daß
ich es selber wußte. Meine ganze Bestimmung
schien mir nun erfüllt, ich hatte keine andere Wün-
sche, als immer wieder zukommen, und wenn ich
fortging, dieselbe Aussicht auf den künftigen Tag
zu haben.

Um die Zeit ward ein junger Ritter in der
Familie bekannt, der auch zugleich ein Freund mei-
ner Eltern war, und sich bald eben so, wie ich,
an Emma schloß. Ich haßte ihn von diesem Au-
genblicke wie meinen Todfeind. Unbeschreiblich aber
waren meine Gefühle, als ich wahrzunehmen
glaubte, daß Emma seine Gesellschaft der meinigen
vorziehe. Von dieser Stunde an war es, als wenn
die Musik, die mich bis dahin begleitet hatte, in
meinem Busen unterginge. Ich dachte nur Tod
und Haß, wilde Gedanken erwachten in meiner
Brust, wenn Emma nun auf der Laute die bekann-
ten Gesänge sang. Auch verbarg ich meinen Wi-
derwillen nicht, und bezeigte mich gegen meine El-
tern, die mir Vorwürfe machten, wild und wider-
spenstig.

Nun irrte ich in den Wäldern und zwischen
Felsen umher, gegen mich selber wüthend: den Tod
meines Gegners hatte ich beschlossen. Der junge
Ritter hielt nach einigen Monden bei den Eltern
um meine Geliebte an, sie wurde ihm zugesagt.

Erſte Abtheilung.
wie ein Kind vom Hauſe, ſo daß man ſich nicht
mehr verwunderte, wenn ich zugegen war, und
Emma ward mir mit jedem Tage lieber. So ver-
gingen mir die Stunden, und eine Zaͤrtlichkeit
hatte mein Herz gefangen genommen, ohne daß
ich es ſelber wußte. Meine ganze Beſtimmung
ſchien mir nun erfuͤllt, ich hatte keine andere Wuͤn-
ſche, als immer wieder zukommen, und wenn ich
fortging, dieſelbe Ausſicht auf den kuͤnftigen Tag
zu haben.

Um die Zeit ward ein junger Ritter in der
Familie bekannt, der auch zugleich ein Freund mei-
ner Eltern war, und ſich bald eben ſo, wie ich,
an Emma ſchloß. Ich haßte ihn von dieſem Au-
genblicke wie meinen Todfeind. Unbeſchreiblich aber
waren meine Gefuͤhle, als ich wahrzunehmen
glaubte, daß Emma ſeine Geſellſchaft der meinigen
vorziehe. Von dieſer Stunde an war es, als wenn
die Muſik, die mich bis dahin begleitet hatte, in
meinem Buſen unterginge. Ich dachte nur Tod
und Haß, wilde Gedanken erwachten in meiner
Bruſt, wenn Emma nun auf der Laute die bekann-
ten Geſaͤnge ſang. Auch verbarg ich meinen Wi-
derwillen nicht, und bezeigte mich gegen meine El-
tern, die mir Vorwuͤrfe machten, wild und wider-
ſpenſtig.

Nun irrte ich in den Waͤldern und zwiſchen
Felſen umher, gegen mich ſelber wuͤthend: den Tod
meines Gegners hatte ich beſchloſſen. Der junge
Ritter hielt nach einigen Monden bei den Eltern
um meine Geliebte an, ſie wurde ihm zugeſagt.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0239" n="228"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Er&#x017F;te Abtheilung</hi>.</fw><lb/>
wie ein Kind vom Hau&#x017F;e, &#x017F;o daß man &#x017F;ich nicht<lb/>
mehr verwunderte, wenn ich zugegen war, und<lb/>
Emma ward mir mit jedem Tage lieber. So ver-<lb/>
gingen mir die Stunden, und eine Za&#x0364;rtlichkeit<lb/>
hatte mein Herz gefangen genommen, ohne daß<lb/>
ich es &#x017F;elber wußte. Meine ganze Be&#x017F;timmung<lb/>
&#x017F;chien mir nun erfu&#x0364;llt, ich hatte keine andere Wu&#x0364;n-<lb/>
&#x017F;che, als immer wieder zukommen, und wenn ich<lb/>
fortging, die&#x017F;elbe Aus&#x017F;icht auf den ku&#x0364;nftigen Tag<lb/>
zu haben.</p><lb/>
            <p>Um die Zeit ward ein junger Ritter in der<lb/>
Familie bekannt, der auch zugleich ein Freund mei-<lb/>
ner Eltern war, und &#x017F;ich bald eben &#x017F;o, wie ich,<lb/>
an Emma &#x017F;chloß. Ich haßte ihn von die&#x017F;em Au-<lb/>
genblicke wie meinen Todfeind. Unbe&#x017F;chreiblich aber<lb/>
waren meine Gefu&#x0364;hle, als ich wahrzunehmen<lb/>
glaubte, daß Emma &#x017F;eine Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft der meinigen<lb/>
vorziehe. Von die&#x017F;er Stunde an war es, als wenn<lb/>
die Mu&#x017F;ik, die mich bis dahin begleitet hatte, in<lb/>
meinem Bu&#x017F;en unterginge. Ich dachte nur Tod<lb/>
und Haß, wilde Gedanken erwachten in meiner<lb/>
Bru&#x017F;t, wenn Emma nun auf der Laute die bekann-<lb/>
ten Ge&#x017F;a&#x0364;nge &#x017F;ang. Auch verbarg ich meinen Wi-<lb/>
derwillen nicht, und bezeigte mich gegen meine El-<lb/>
tern, die mir Vorwu&#x0364;rfe machten, wild und wider-<lb/>
&#x017F;pen&#x017F;tig.</p><lb/>
            <p>Nun irrte ich in den Wa&#x0364;ldern und zwi&#x017F;chen<lb/>
Fel&#x017F;en umher, gegen mich &#x017F;elber wu&#x0364;thend: den Tod<lb/>
meines Gegners hatte ich be&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en. Der junge<lb/>
Ritter hielt nach einigen Monden bei den Eltern<lb/>
um meine Geliebte an, &#x017F;ie wurde ihm zuge&#x017F;agt.<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[228/0239] Erſte Abtheilung. wie ein Kind vom Hauſe, ſo daß man ſich nicht mehr verwunderte, wenn ich zugegen war, und Emma ward mir mit jedem Tage lieber. So ver- gingen mir die Stunden, und eine Zaͤrtlichkeit hatte mein Herz gefangen genommen, ohne daß ich es ſelber wußte. Meine ganze Beſtimmung ſchien mir nun erfuͤllt, ich hatte keine andere Wuͤn- ſche, als immer wieder zukommen, und wenn ich fortging, dieſelbe Ausſicht auf den kuͤnftigen Tag zu haben. Um die Zeit ward ein junger Ritter in der Familie bekannt, der auch zugleich ein Freund mei- ner Eltern war, und ſich bald eben ſo, wie ich, an Emma ſchloß. Ich haßte ihn von dieſem Au- genblicke wie meinen Todfeind. Unbeſchreiblich aber waren meine Gefuͤhle, als ich wahrzunehmen glaubte, daß Emma ſeine Geſellſchaft der meinigen vorziehe. Von dieſer Stunde an war es, als wenn die Muſik, die mich bis dahin begleitet hatte, in meinem Buſen unterginge. Ich dachte nur Tod und Haß, wilde Gedanken erwachten in meiner Bruſt, wenn Emma nun auf der Laute die bekann- ten Geſaͤnge ſang. Auch verbarg ich meinen Wi- derwillen nicht, und bezeigte mich gegen meine El- tern, die mir Vorwuͤrfe machten, wild und wider- ſpenſtig. Nun irrte ich in den Waͤldern und zwiſchen Felſen umher, gegen mich ſelber wuͤthend: den Tod meines Gegners hatte ich beſchloſſen. Der junge Ritter hielt nach einigen Monden bei den Eltern um meine Geliebte an, ſie wurde ihm zugeſagt.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus01_1812
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus01_1812/239
Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 1. Berlin, 1812, S. 228. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus01_1812/239>, abgerufen am 02.06.2024.