Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 2. Berlin, 1812.Zweite Abtheilung. -- Sagt mal, Jäger: (Euch acht' ich und binwohlwollend gegen Euch gesinnt) aber habt Ihr nicht vielleicht in der Familie einen Vetter, oder weitläuftigen Anverwandten, an dem nichts ist, an dem die Welt nichts verlöre, und den man so ein weniges aufschneiden könnte, um ein Ein- sehn in die Maschienerie zu bekommen? Hinze. Nein, Ihro Majestät, ich bin der einzige meines Geschlechts. König. Schade! -- Hofgelehrter, denkt ein- mal nach, wie der Mensch innerlich gebaut seyn mag, und les't es uns alsdann in der Akademie vor. Hanswurst. Kommt, Jäger, setzen wir uns wieder und speisen. Hinze. Ich sehe, mit Dir muß ich Freund- schaft halten. Leander. Es wird mir eine Ehre seyn, mein König; ich habe auch schon eine Hypothese im Kopf, die mir von der höchsten Wahrscheinlichkeit ist; ich vermuthe nemlich, daß der Jäger ein unwillkühr- licher Bauchredner ist, der wahrscheinlich bei stren- ger Erziehung sich früh angewöhnt hat, sein Wohl- gefallen und seine Freude, die er nicht äußern durfte, in seinem Innern zu verschließen, dorten aber, weil sein starkes Naturell zu mächtig war, hat es in den Eingeweiden für sich selbst den Ausdruck der Freude getrieben, und sich so diese innerliche Spra- che gebildet, die wir jetzt als eine seltsame Erschei- nung an ihm bewundern. König. Läßt sich hören. Leander. Nun klingt es deshalb in ihm Zweite Abtheilung. — Sagt mal, Jaͤger: (Euch acht' ich und binwohlwollend gegen Euch geſinnt) aber habt Ihr nicht vielleicht in der Familie einen Vetter, oder weitlaͤuftigen Anverwandten, an dem nichts iſt, an dem die Welt nichts verloͤre, und den man ſo ein weniges aufſchneiden koͤnnte, um ein Ein- ſehn in die Maſchienerie zu bekommen? Hinze. Nein, Ihro Majeſtaͤt, ich bin der einzige meines Geſchlechts. Koͤnig. Schade! — Hofgelehrter, denkt ein- mal nach, wie der Menſch innerlich gebaut ſeyn mag, und leſ't es uns alsdann in der Akademie vor. Hanswurſt. Kommt, Jaͤger, ſetzen wir uns wieder und ſpeiſen. Hinze. Ich ſehe, mit Dir muß ich Freund- ſchaft halten. Leander. Es wird mir eine Ehre ſeyn, mein Koͤnig; ich habe auch ſchon eine Hypotheſe im Kopf, die mir von der hoͤchſten Wahrſcheinlichkeit iſt; ich vermuthe nemlich, daß der Jaͤger ein unwillkuͤhr- licher Bauchredner iſt, der wahrſcheinlich bei ſtren- ger Erziehung ſich fruͤh angewoͤhnt hat, ſein Wohl- gefallen und ſeine Freude, die er nicht aͤußern durfte, in ſeinem Innern zu verſchließen, dorten aber, weil ſein ſtarkes Naturell zu maͤchtig war, hat es in den Eingeweiden fuͤr ſich ſelbſt den Ausdruck der Freude getrieben, und ſich ſo dieſe innerliche Spra- che gebildet, die wir jetzt als eine ſeltſame Erſchei- nung an ihm bewundern. Koͤnig. Laͤßt ſich hoͤren. Leander. 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Zweite Abtheilung.
— Sagt mal, Jaͤger: (Euch acht' ich und bin
wohlwollend gegen Euch geſinnt) aber habt Ihr
nicht vielleicht in der Familie einen Vetter, oder
weitlaͤuftigen Anverwandten, an dem nichts iſt,
an dem die Welt nichts verloͤre, und den man
ſo ein weniges aufſchneiden koͤnnte, um ein Ein-
ſehn in die Maſchienerie zu bekommen?
Hinze. Nein, Ihro Majeſtaͤt, ich bin der
einzige meines Geſchlechts.
Koͤnig. Schade! — Hofgelehrter, denkt ein-
mal nach, wie der Menſch innerlich gebaut ſeyn
mag, und leſ't es uns alsdann in der Akademie vor.
Hanswurſt. Kommt, Jaͤger, ſetzen wir
uns wieder und ſpeiſen.
Hinze. Ich ſehe, mit Dir muß ich Freund-
ſchaft halten.
Leander. Es wird mir eine Ehre ſeyn, mein
Koͤnig; ich habe auch ſchon eine Hypotheſe im Kopf,
die mir von der hoͤchſten Wahrſcheinlichkeit iſt; ich
vermuthe nemlich, daß der Jaͤger ein unwillkuͤhr-
licher Bauchredner iſt, der wahrſcheinlich bei ſtren-
ger Erziehung ſich fruͤh angewoͤhnt hat, ſein Wohl-
gefallen und ſeine Freude, die er nicht aͤußern durfte,
in ſeinem Innern zu verſchließen, dorten aber, weil
ſein ſtarkes Naturell zu maͤchtig war, hat es in
den Eingeweiden fuͤr ſich ſelbſt den Ausdruck der
Freude getrieben, und ſich ſo dieſe innerliche Spra-
che gebildet, die wir jetzt als eine ſeltſame Erſchei-
nung an ihm bewundern.
Koͤnig. Laͤßt ſich hoͤren.
Leander. Nun klingt es deshalb in ihm
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Zitationshilfe: | Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 2. Berlin, 1812, S. 200. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus02_1812/209>, abgerufen am 17.06.2024. |