Wer bürgt mir denn (Ihr nehmt mir das nicht übel) Daß alles, was Ihr sagt, die strenge Wahrheit?
Andrea. So glaubt Ihr, daß ich lüge?
Hieronym. Ei, man lügt Nicht eben immer grade zu, und findet Doch Fußsteig', die nicht laufen wie die Straße; Man kann ein Ding auf hundert Art erzählen, Verschieden immer, und doch immer wahr, Der Kluge nimmt davon so viel ihm nüzt.
Andrea. Seht das Juwel im Ohrring und den Namen.
Hieronym. Ich kenn's und glaub' Euch jezt; von Herzen gern Möchte' ich auch meinem alten Freunde dienen, Und um so mehr, da viel bei zu gewinnen. Doch scheint es mir, er müste sich zuerst An seinen König wenden, an den Hof.
Andrea. Er meint durch Euch geschähe dies am besten, Er sagte mir, er habe viele Neider, Auch habe man die Reise ihm verdacht, Der König selbst sie nicht gebilligt, drum Denkt er, daß Geld und gutes Wort, von Euch Zur rechten Zeit, dem rechten Mann gesagt, Genug vermög', in Freiheit ihn zu setzen.
Hieronym. Wir Italiäner sind hier nicht beliebt,
Fortunat.
Wer buͤrgt mir denn (Ihr nehmt mir das nicht uͤbel) Daß alles, was Ihr ſagt, die ſtrenge Wahrheit?
Andrea. So glaubt Ihr, daß ich luͤge?
Hieronym. Ei, man luͤgt Nicht eben immer grade zu, und findet Doch Fußſteig', die nicht laufen wie die Straße; Man kann ein Ding auf hundert Art erzaͤhlen, Verſchieden immer, und doch immer wahr, Der Kluge nimmt davon ſo viel ihm nuͤzt.
Andrea. Seht das Juwel im Ohrring und den Namen.
Hieronym. Ich kenn's und glaub' Euch jezt; von Herzen gern Moͤchte' ich auch meinem alten Freunde dienen, Und um ſo mehr, da viel bei zu gewinnen. Doch ſcheint es mir, er muͤſte ſich zuerſt An ſeinen Koͤnig wenden, an den Hof.
Andrea. Er meint durch Euch geſchaͤhe dies am beſten, Er ſagte mir, er habe viele Neider, Auch habe man die Reiſe ihm verdacht, Der Koͤnig ſelbſt ſie nicht gebilligt, drum Denkt er, daß Geld und gutes Wort, von Euch Zur rechten Zeit, dem rechten Mann geſagt, Genug vermoͤg', in Freiheit ihn zu ſetzen.
Hieronym. Wir Italiaͤner ſind hier nicht beliebt,
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><spwho="#HIERO"><p><pbfacs="#f0067"n="57"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#g">Fortunat</hi>.</fw><lb/>
Wer buͤrgt mir denn (Ihr nehmt mir das nicht<lb/><hirendition="#et">uͤbel)</hi><lb/>
Daß alles, was Ihr ſagt, die ſtrenge Wahrheit?</p></sp><lb/><spwho="#Andrea"><speaker><hirendition="#g">Andrea</hi>.</speaker><lb/><p>So glaubt Ihr, daß ich luͤge?</p></sp><lb/><spwho="#HIERO"><speaker><hirendition="#g">Hieronym</hi>.</speaker><lb/><p><hirendition="#et">Ei, man luͤgt</hi><lb/>
Nicht eben immer grade zu, und findet<lb/>
Doch Fußſteig', die nicht laufen wie die Straße;<lb/>
Man kann ein Ding auf hundert Art erzaͤhlen,<lb/>
Verſchieden immer, und doch immer wahr,<lb/>
Der Kluge nimmt davon ſo viel ihm nuͤzt.</p></sp><lb/><spwho="#Andrea"><speaker><hirendition="#g">Andrea</hi>.</speaker><lb/><p>Seht das Juwel im Ohrring und den Namen.</p></sp><lb/><spwho="#HIERO"><speaker><hirendition="#g">Hieronym</hi>.</speaker><lb/><p>Ich kenn's und glaub' Euch jezt; von Herzen<lb/><hirendition="#et">gern</hi><lb/>
Moͤchte' ich auch meinem alten Freunde dienen,<lb/>
Und um ſo mehr, da viel bei zu gewinnen.<lb/>
Doch ſcheint es mir, er muͤſte ſich zuerſt<lb/>
An ſeinen Koͤnig wenden, an den Hof.</p></sp><lb/><spwho="#Andrea"><speaker><hirendition="#g">Andrea</hi>.</speaker><lb/><p>Er meint durch Euch geſchaͤhe dies am beſten,<lb/>
Er ſagte mir, er habe viele Neider,<lb/>
Auch habe man die Reiſe ihm verdacht,<lb/>
Der Koͤnig ſelbſt ſie nicht gebilligt, drum<lb/>
Denkt er, daß Geld und gutes Wort, von Euch<lb/>
Zur rechten Zeit, dem rechten Mann geſagt,<lb/>
Genug vermoͤg', in Freiheit ihn zu ſetzen.</p></sp><lb/><spwho="#HIERO"><speaker><hirendition="#g">Hieronym</hi>.</speaker><lb/><p>Wir Italiaͤner ſind hier nicht beliebt,<lb/></p></sp></div></div></div></div></body></text></TEI>
[57/0067]
Fortunat.
Wer buͤrgt mir denn (Ihr nehmt mir das nicht
uͤbel)
Daß alles, was Ihr ſagt, die ſtrenge Wahrheit?
Andrea.
So glaubt Ihr, daß ich luͤge?
Hieronym.
Ei, man luͤgt
Nicht eben immer grade zu, und findet
Doch Fußſteig', die nicht laufen wie die Straße;
Man kann ein Ding auf hundert Art erzaͤhlen,
Verſchieden immer, und doch immer wahr,
Der Kluge nimmt davon ſo viel ihm nuͤzt.
Andrea.
Seht das Juwel im Ohrring und den Namen.
Hieronym.
Ich kenn's und glaub' Euch jezt; von Herzen
gern
Moͤchte' ich auch meinem alten Freunde dienen,
Und um ſo mehr, da viel bei zu gewinnen.
Doch ſcheint es mir, er muͤſte ſich zuerſt
An ſeinen Koͤnig wenden, an den Hof.
Andrea.
Er meint durch Euch geſchaͤhe dies am beſten,
Er ſagte mir, er habe viele Neider,
Auch habe man die Reiſe ihm verdacht,
Der Koͤnig ſelbſt ſie nicht gebilligt, drum
Denkt er, daß Geld und gutes Wort, von Euch
Zur rechten Zeit, dem rechten Mann geſagt,
Genug vermoͤg', in Freiheit ihn zu ſetzen.
Hieronym.
Wir Italiaͤner ſind hier nicht beliebt,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 3. Berlin, 1816, S. 57. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus03_1816/67>, abgerufen am 17.06.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.