Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 3. Berlin, 1816.Zweite Abtheilung. mit der Du sonst ihre verbuhlten, geschminktenWangen gestreichelt hast? Nein, Du hast keinen ehrlichen Blutstropfen mehr im Leibe, keine Faser von einem Manne an Dir, wenn Du das alles so gelassen, ohne Erwiederung hinnimmst. Fortunat. Du hast Recht, meine Geduld, meine demüthige Sanftmuth ist schimpflich. Ich rufe sie noch einmal heraus. Nun sollt Ihr sehn, daß ich auch Galle habe. (er pocht an) Betty! Betty! -- Nein, nicht Betty; wie käme eine solche ge- schminkte, elende, seelenlose Puppe zu einem christ- lichen und ehrlichen Nahmen? Du Scheusal, aus Schminke, Lügen, Wein, und gestohlnen und er- bettelten Näschereien zusammen gesezt, mit seidnen Fetzen behängt, die die Unkeuschheit, Deine üppige verstellte Umarmung, die Küsse auf widerwärtigen Lippen erst erkaufen müssen, höre, wie ich Dich verachte und verabscheue! Der Henker, der Kar- rengaul, das elendeste Vieh ist in der Schöpfung besser und edler, und nimmt einen höheren Rang ein, als Du, für die scheußlichste Sünde lebend, in ihr athmend, selbst verpestet um andre zu ver- pesten! (man hört drinn laut lachen.) Walther. So war's Recht; wenn das Af- fengesicht auch thut, als macht' sie sich nichts dar- aus, so ärgert sie sich doch, die Worte zu hören, und Du hast auch Dein Herz etwas erleichtert. Nun leb' wohl, fahrt alle wohl, ihr guten Kin- der, und betragt euch ein andermal klüger. (geht ab.) Zweite Abtheilung. mit der Du ſonſt ihre verbuhlten, geſchminktenWangen geſtreichelt haſt? Nein, Du haſt keinen ehrlichen Blutstropfen mehr im Leibe, keine Faſer von einem Manne an Dir, wenn Du das alles ſo gelaſſen, ohne Erwiederung hinnimmſt. Fortunat. Du haſt Recht, meine Geduld, meine demuͤthige Sanftmuth iſt ſchimpflich. Ich rufe ſie noch einmal heraus. Nun ſollt Ihr ſehn, daß ich auch Galle habe. (er pocht an) Betty! Betty! — Nein, nicht Betty; wie kaͤme eine ſolche ge- ſchminkte, elende, ſeelenloſe Puppe zu einem chriſt- lichen und ehrlichen Nahmen? Du Scheuſal, aus Schminke, Luͤgen, Wein, und geſtohlnen und er- bettelten Naͤſchereien zuſammen geſezt, mit ſeidnen Fetzen behaͤngt, die die Unkeuſchheit, Deine uͤppige verſtellte Umarmung, die Kuͤſſe auf widerwaͤrtigen Lippen erſt erkaufen muͤſſen, hoͤre, wie ich Dich verachte und verabſcheue! Der Henker, der Kar- rengaul, das elendeſte Vieh iſt in der Schoͤpfung beſſer und edler, und nimmt einen hoͤheren Rang ein, als Du, fuͤr die ſcheußlichſte Suͤnde lebend, in ihr athmend, ſelbſt verpeſtet um andre zu ver- peſten! (man hoͤrt drinn laut lachen.) Walther. So war's Recht; wenn das Af- fengeſicht auch thut, als macht' ſie ſich nichts dar- aus, ſo aͤrgert ſie ſich doch, die Worte zu hoͤren, und Du haſt auch Dein Herz etwas erleichtert. Nun leb' wohl, fahrt alle wohl, ihr guten Kin- der, und betragt euch ein andermal kluͤger. (geht ab.) <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <sp who="#Walther"> <p><pb facs="#f0088" n="78"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Zweite Abtheilung</hi>.</fw><lb/> mit der Du ſonſt ihre verbuhlten, geſchminkten<lb/> Wangen geſtreichelt haſt? Nein, Du haſt keinen<lb/> ehrlichen Blutstropfen mehr im Leibe, keine Faſer<lb/> von einem Manne an Dir, wenn Du das alles<lb/> ſo gelaſſen, ohne Erwiederung hinnimmſt.</p> </sp><lb/> <sp who="#FORT"> <speaker><hi rendition="#g">Fortunat</hi>.</speaker> <p>Du haſt Recht, meine Geduld,<lb/> meine demuͤthige Sanftmuth iſt ſchimpflich. Ich<lb/> rufe ſie noch einmal heraus. Nun ſollt Ihr ſehn,<lb/> daß ich auch Galle habe. <stage>(er pocht an)</stage> Betty! Betty!<lb/> — Nein, nicht Betty; wie kaͤme eine ſolche ge-<lb/> ſchminkte, elende, ſeelenloſe Puppe zu einem chriſt-<lb/> lichen und ehrlichen Nahmen? Du Scheuſal, aus<lb/> Schminke, Luͤgen, Wein, und geſtohlnen und er-<lb/> bettelten Naͤſchereien zuſammen geſezt, mit ſeidnen<lb/> Fetzen behaͤngt, die die Unkeuſchheit, Deine uͤppige<lb/> verſtellte Umarmung, die Kuͤſſe auf widerwaͤrtigen<lb/> Lippen erſt erkaufen muͤſſen, hoͤre, wie ich Dich<lb/> verachte und verabſcheue! Der Henker, der Kar-<lb/> rengaul, das elendeſte Vieh iſt in der Schoͤpfung<lb/> beſſer und edler, und nimmt einen hoͤheren Rang<lb/> ein, als Du, fuͤr die ſcheußlichſte Suͤnde lebend,<lb/> in ihr athmend, ſelbſt verpeſtet um andre zu ver-<lb/> peſten!</p> <stage>(man hoͤrt drinn laut lachen.)</stage> </sp><lb/> <sp who="#Walther"> <speaker><hi rendition="#g">Walther</hi>.</speaker> <p>So war's Recht; wenn das Af-<lb/> fengeſicht auch thut, als macht' ſie ſich nichts dar-<lb/> aus, ſo aͤrgert ſie ſich doch, die Worte zu hoͤren,<lb/> und Du haſt auch Dein Herz etwas erleichtert.<lb/> Nun leb' wohl, fahrt alle wohl, ihr guten Kin-<lb/> der, und betragt euch ein andermal kluͤger.</p><lb/> <stage> <hi rendition="#et">(geht ab.)</hi> </stage> </sp><lb/> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [78/0088]
Zweite Abtheilung.
mit der Du ſonſt ihre verbuhlten, geſchminkten
Wangen geſtreichelt haſt? Nein, Du haſt keinen
ehrlichen Blutstropfen mehr im Leibe, keine Faſer
von einem Manne an Dir, wenn Du das alles
ſo gelaſſen, ohne Erwiederung hinnimmſt.
Fortunat. Du haſt Recht, meine Geduld,
meine demuͤthige Sanftmuth iſt ſchimpflich. Ich
rufe ſie noch einmal heraus. Nun ſollt Ihr ſehn,
daß ich auch Galle habe. (er pocht an) Betty! Betty!
— Nein, nicht Betty; wie kaͤme eine ſolche ge-
ſchminkte, elende, ſeelenloſe Puppe zu einem chriſt-
lichen und ehrlichen Nahmen? Du Scheuſal, aus
Schminke, Luͤgen, Wein, und geſtohlnen und er-
bettelten Naͤſchereien zuſammen geſezt, mit ſeidnen
Fetzen behaͤngt, die die Unkeuſchheit, Deine uͤppige
verſtellte Umarmung, die Kuͤſſe auf widerwaͤrtigen
Lippen erſt erkaufen muͤſſen, hoͤre, wie ich Dich
verachte und verabſcheue! Der Henker, der Kar-
rengaul, das elendeſte Vieh iſt in der Schoͤpfung
beſſer und edler, und nimmt einen hoͤheren Rang
ein, als Du, fuͤr die ſcheußlichſte Suͤnde lebend,
in ihr athmend, ſelbſt verpeſtet um andre zu ver-
peſten! (man hoͤrt drinn laut lachen.)
Walther. So war's Recht; wenn das Af-
fengeſicht auch thut, als macht' ſie ſich nichts dar-
aus, ſo aͤrgert ſie ſich doch, die Worte zu hoͤren,
und Du haſt auch Dein Herz etwas erleichtert.
Nun leb' wohl, fahrt alle wohl, ihr guten Kin-
der, und betragt euch ein andermal kluͤger.
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Zitationshilfe: | Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 3. Berlin, 1816, S. 78. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus03_1816/88>, abgerufen am 17.06.2024. |