Thätigkeiten vollzogen werden -- begriffen und angewandt werden können. Die Natur aller solcher Theorie wird am deutlichsten durch die Mechanik. Die Mechanik selbst ist nichts als angewandte Mathematik. Die Mathematik ist nichts als angewandte Logik. Das Princip der ange- wandten Mechanik lässt sich auf folgende Weise als ein allgemeines aussprechen: möglichst hohen Nutzeffect mit möglichst geringem Aufwande von Kraft oder Arbeit zu erzielen. Der Inhalt desselben Princips aber kann in Bezug auf jede nach einem bestimmten Zwecke gerichtete Unter- nehmung dahin formulirt werden: der Zweck soll auf mög- lichst vollkommene Weise durch möglichst leichte und ein- fache Mittel erreicht werden. Oder in Anwendung auf ein Geschäft, das um des Geldes willen geführt wird: möglichst hohen Gewinn mit möglichst geringen Kosten, oder: mög- lichst hohen Reinertrag! Und in Anwendung auf das Leben als ein solches Geschäft: die grösste Menge von Lust oder Glück mit der geringsten Menge von Schmerz, Anstrengung und Mühsal; dem kleinsten Opfer an Gütern oder Lebens- kraft (durch Arbeit). -- Denn überall, wo ein Zweck er- reicht werden soll, da ist es nothwendig, dass derselbe scharf und bestimmt ins Auge gefasst werde -- wie ein sichtbares Ziel des Schützen ins leibliche Auge, also dieser in den Blickpunkt des Denkens --, dass mit Ruhe und Kälte überlegt werde, welches die besten, sichersten, leich- testen Mittel seien, das Vorhaben auf vollkommene Weise durchzuführen; endlich dass diese Mittel gleichsam mit fester Hand gepackt, und auf die als richtig erkannte Art und Weise zur Geltung gebracht werden. Man muss also 1) richtig zielen, 2) richtig urtheilen, 3) richtig handeln. Das Dritte ist entscheidend und dem Ende am nächsten; ihm sind wieder 1) und 2) untergeordnet, als Mittel in Bezug auf diesen ihren Zweck. Da aber auch das richtige Handeln nur Mittel ist, nämlich um den gewünschten Erfolg hervorzubringen oder zu erlangen, so ergeben sich solcher vermittelnden und durch diesen Zweck geforderten Thätig- keiten die 3 Gattungen, als in Bezug darauf einander coor- dinirte: 1) die Application des Geistes oder die Apprehen- sion des Gewünschten oder die willkürliche, d. i. mit Ge-
Thätigkeiten vollzogen werden — begriffen und angewandt werden können. Die Natur aller solcher Theorie wird am deutlichsten durch die Mechanik. Die Mechanik selbst ist nichts als angewandte Mathematik. Die Mathematik ist nichts als angewandte Logik. Das Princip der ange- wandten Mechanik lässt sich auf folgende Weise als ein allgemeines aussprechen: möglichst hohen Nutzeffect mit möglichst geringem Aufwande von Kraft oder Arbeit zu erzielen. Der Inhalt desselben Princips aber kann in Bezug auf jede nach einem bestimmten Zwecke gerichtete Unter- nehmung dahin formulirt werden: der Zweck soll auf mög- lichst vollkommene Weise durch möglichst leichte und ein- fache Mittel erreicht werden. Oder in Anwendung auf ein Geschäft, das um des Geldes willen geführt wird: möglichst hohen Gewinn mit möglichst geringen Kosten, oder: mög- lichst hohen Reinertrag! Und in Anwendung auf das Leben als ein solches Geschäft: die grösste Menge von Lust oder Glück mit der geringsten Menge von Schmerz, Anstrengung und Mühsal; dem kleinsten Opfer an Gütern oder Lebens- kraft (durch Arbeit). — Denn überall, wo ein Zweck er- reicht werden soll, da ist es nothwendig, dass derselbe scharf und bestimmt ins Auge gefasst werde — wie ein sichtbares Ziel des Schützen ins leibliche Auge, also dieser in den Blickpunkt des Denkens —, dass mit Ruhe und Kälte überlegt werde, welches die besten, sichersten, leich- testen Mittel seien, das Vorhaben auf vollkommene Weise durchzuführen; endlich dass diese Mittel gleichsam mit fester Hand gepackt, und auf die als richtig erkannte Art und Weise zur Geltung gebracht werden. Man muss also 1) richtig zielen, 2) richtig urtheilen, 3) richtig handeln. Das Dritte ist entscheidend und dem Ende am nächsten; ihm sind wieder 1) und 2) untergeordnet, als Mittel in Bezug auf diesen ihren Zweck. Da aber auch das richtige Handeln nur Mittel ist, nämlich um den gewünschten Erfolg hervorzubringen oder zu erlangen, so ergeben sich solcher vermittelnden und durch diesen Zweck geforderten Thätig- keiten die 3 Gattungen, als in Bezug darauf einander coor- dinirte: 1) die Application des Geistes oder die Apprehen- sion des Gewünschten oder die willkürliche, d. i. mit Ge-
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Thätigkeiten vollzogen werden — begriffen und angewandt
werden können. Die Natur aller solcher Theorie wird
am deutlichsten durch die Mechanik. Die Mechanik selbst
ist nichts als angewandte Mathematik. Die Mathematik
ist nichts als angewandte Logik. Das Princip der ange-
wandten Mechanik lässt sich auf folgende Weise als ein
allgemeines aussprechen: möglichst hohen Nutzeffect mit
möglichst geringem Aufwande von Kraft oder Arbeit zu
erzielen. Der Inhalt desselben Princips aber kann in Bezug
auf jede nach einem bestimmten Zwecke gerichtete Unter-
nehmung dahin formulirt werden: der Zweck soll auf mög-
lichst vollkommene Weise durch möglichst leichte und ein-
fache Mittel erreicht werden. Oder in Anwendung auf ein
Geschäft, das um des Geldes willen geführt wird: möglichst
hohen Gewinn mit möglichst geringen Kosten, oder: mög-
lichst hohen Reinertrag! Und in Anwendung auf das Leben
als ein solches Geschäft: die grösste Menge von Lust oder
Glück mit der geringsten Menge von Schmerz, Anstrengung
und Mühsal; dem kleinsten Opfer an Gütern oder Lebens-
kraft (durch Arbeit). — Denn überall, wo ein Zweck er-
reicht werden soll, da ist es nothwendig, dass derselbe
scharf und bestimmt ins Auge gefasst werde — wie ein
sichtbares Ziel des Schützen ins leibliche Auge, also dieser
in den Blickpunkt des Denkens —, dass mit Ruhe und
Kälte überlegt werde, welches die besten, sichersten, leich-
testen Mittel seien, das Vorhaben auf vollkommene Weise
durchzuführen; endlich dass diese Mittel gleichsam mit
fester Hand gepackt, und auf die als richtig erkannte Art
und Weise zur Geltung gebracht werden. Man muss also
1) richtig zielen, 2) richtig urtheilen, 3) richtig handeln.
Das Dritte ist entscheidend und dem Ende am nächsten;
ihm sind wieder 1) und 2) untergeordnet, als Mittel in Bezug
auf diesen ihren Zweck. Da aber auch das richtige
Handeln nur Mittel ist, nämlich um den gewünschten Erfolg
hervorzubringen oder zu erlangen, so ergeben sich solcher
vermittelnden und durch diesen Zweck geforderten Thätig-
keiten die 3 Gattungen, als in Bezug darauf einander coor-
dinirte: 1) die Application des Geistes oder die Apprehen-
sion des Gewünschten oder die willkürliche, d. i. mit Ge-
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Tönnies, Ferdinand: Gemeinschaft und Gesellschaft. Berlin, 1887, S. 157. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/toennies_gemeinschaft_1887/193>, abgerufen am 31.10.2024.
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