Uz, Johann Peter: Lyrische und andere Gedichte. 2. Aufl. Ansbach, 1755.Briefe. Ach! Jude, Bauer, Schelm, Betrüger oder ThorenSind, unter lärmendem Gewühl, Mein Umgang, seit ich dich verlohren: Nachdem, im Schoos der Vaterstadt, Nun wieder, wie vorhin, zu dornichten Geschäften, Die unser himmlisch Theil an Staub und Erde heften, Mich Themis angewiesen hat. Du, dem ein günstig Glück ein sorgenfreyes Leben Und, ohne Sklavendienst, was du bedarfst, gegeben; Dem unverwehrt ist, frey zu seyn Und ungestört sich zu erfreun: Darf meine Muse dich in deinem Lehnstuhl stören, Und achtest du auf ihre Lehren, Wann, mit entwölktem Angesicht, Sie, als ein Seneca, im Schoos der Wollust spricht: Freund! so verlange nicht, Dein stilles Glücke zu vertauschen Mit Ketten mühevoller Pflicht, Die um der Ehrsucht Arme rauschen. Der Weise, dessen Herz von Menschenliebe flammt, Flieht nicht vor anvertrauten Bürden: Doch drängt sich nie sein Hals ins Joch geehrter Wür- den, Aus einem niedern Stolz, den seine Brust verdammt. Sein Herz ist groß genug, die Grösse zu verachten, Die
Briefe. Ach! Jude, Bauer, Schelm, Betruͤger oder ThorenSind, unter laͤrmendem Gewuͤhl, Mein Umgang, ſeit ich dich verlohren: Nachdem, im Schoos der Vaterſtadt, Nun wieder, wie vorhin, zu dornichten Geſchaͤften, Die unſer himmliſch Theil an Staub und Erde heften, Mich Themis angewieſen hat. Du, dem ein guͤnſtig Gluͤck ein ſorgenfreyes Leben Und, ohne Sklavendienſt, was du bedarfſt, gegeben; Dem unverwehrt iſt, frey zu ſeyn Und ungeſtoͤrt ſich zu erfreun: Darf meine Muſe dich in deinem Lehnſtuhl ſtoͤren, Und achteſt du auf ihre Lehren, Wann, mit entwoͤlktem Angeſicht, Sie, als ein Seneca, im Schoos der Wolluſt ſpricht: Freund! ſo verlange nicht, Dein ſtilles Gluͤcke zu vertauſchen Mit Ketten muͤhevoller Pflicht, Die um der Ehrſucht Arme rauſchen. Der Weiſe, deſſen Herz von Menſchenliebe flammt, Flieht nicht vor anvertrauten Buͤrden: Doch draͤngt ſich nie ſein Hals ins Joch geehrter Wuͤr- den, Aus einem niedern Stolz, den ſeine Bruſt verdammt. Sein Herz iſt groß genug, die Groͤſſe zu verachten, Die
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Briefe.
Ach! Jude, Bauer, Schelm, Betruͤger oder Thoren
Sind, unter laͤrmendem Gewuͤhl,
Mein Umgang, ſeit ich dich verlohren:
Nachdem, im Schoos der Vaterſtadt,
Nun wieder, wie vorhin, zu dornichten Geſchaͤften,
Die unſer himmliſch Theil an Staub und Erde heften,
Mich Themis angewieſen hat.
Du, dem ein guͤnſtig Gluͤck ein ſorgenfreyes Leben
Und, ohne Sklavendienſt, was du bedarfſt, gegeben;
Dem unverwehrt iſt, frey zu ſeyn
Und ungeſtoͤrt ſich zu erfreun:
Darf meine Muſe dich in deinem Lehnſtuhl ſtoͤren,
Und achteſt du auf ihre Lehren,
Wann, mit entwoͤlktem Angeſicht,
Sie, als ein Seneca, im Schoos der Wolluſt ſpricht:
Freund! ſo verlange nicht,
Dein ſtilles Gluͤcke zu vertauſchen
Mit Ketten muͤhevoller Pflicht,
Die um der Ehrſucht Arme rauſchen.
Der Weiſe, deſſen Herz von Menſchenliebe flammt,
Flieht nicht vor anvertrauten Buͤrden:
Doch draͤngt ſich nie ſein Hals ins Joch geehrter Wuͤr-
den,
Aus einem niedern Stolz, den ſeine Bruſt verdammt.
Sein Herz iſt groß genug, die Groͤſſe zu verachten,
Die
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Zitationshilfe: | Uz, Johann Peter: Lyrische und andere Gedichte. 2. Aufl. Ansbach, 1755, S. 230. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/uz_gedichte_1755/244>, abgerufen am 15.06.2024. |