Vischer, Friedrich Theodor von: Ästhetik oder Wissenschaft des Schönen. Bd. 3,2,2. Stuttgart, 1853.
bringt, wie Tanz, bacchischer Zug, Prozessionen, Triumphzug. Es tritt
bringt, wie Tanz, bacchiſcher Zug, Prozeſſionen, Triumphzug. Es tritt <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <div n="6"> <div n="7"> <p> <hi rendition="#et"><pb facs="#f0123" n="449"/> bringt, wie Tanz, bacchiſcher Zug, Prozeſſionen, Triumphzug. Es tritt<lb/> nun ein reiches Leben von Werth-Unterſchieden (z. B. zuſchauende<lb/> Götter und Menſchen), von Art-Unterſchieden, wie auf dem Parthenon-<lb/> Frieſe Geſchlechter, Lebensalter, Würden, Menſch und Thier u. ſ. w. ein;<lb/> auch iſt es nicht blos ein einförmiges Aufziehen, die Figuren wenden ſich<lb/> zu einander, ſind ſo und anders beſchäftigt, der Gegenſatz des Zuſchauens<lb/> zum Handeln begründet eine vollere Mitte, die Symmetrie hört nicht auf,<lb/> aber je höher die Werke an Kunſtentwicklung ſtehen, deſto belebter und<lb/> reicher ſind die Verſchiedenheiten der übrigens entſprechenden Seiten; ja<lb/> die Haupt-Aufgabe iſt, eine Darſtellung, die an ſich eintönig wäre, durch<lb/> Contraſte zu beleben, wodurch die herrſchende Einheit des gemeinſchaft-<lb/> lichen Thuns erſt zum Rhythmus wird. Allein dieſer gründet ſich weſent-<lb/> lich erſt darauf, daß nun ein Weiteres zwiſchen die Einheit und die Viel-<lb/> heit tritt: untergeordnete Einheiten mit ihrer Vielheit, einzelne Gruppen,<lb/> ja in kleineren Gruppen wieder ein Unterſchied größerer und kleinerer;<lb/> die großen Gruppen z. B. im Parthenon-Frieſe, beſtehend aus dem Zuge<lb/> der Jungfrauen, Reiter, Wagenlenker, ſondern ſich wieder in die näher<lb/> zuſammengeſtellten, in Geſpräch u. ſ. w. zueinander gewandten Figuren,<lb/> und nun erſt tritt als die letzte Einheit in dieſen Einheiten die einzelne<lb/> Figur in das Auge, jede wieder in anderem Motiv aufgefaßt; aber der<lb/> ganze durchſchnittene und getheilte Zug bewegt ſich gemeinſchaftlich fort<lb/> zu dem Ziele, wo dem Prieſter der Peplos überreicht wird. In dieſer<lb/> Fülle gilt es ebenſoſehr, nicht zu wenig zu geben, namentlich den Raum<lb/> gleichmäßig zu benützen, als nicht zu viel, ſondern mit dem Schluſſe<lb/> wirklich abzuſchließen. Ein Aufzug, Tanz, iſt in gewiſſem Sinne auch<lb/> eine Handlung, doch ſind alle theilnehmenden Perſonen nicht eigentlich<lb/> aufeinander, ſondern unmittelbar auf ein Gemeinſchaftliches bezogen; die<lb/> dritte und innigſte Form der inneren Verknüpfung tritt erſt ein, wenn in<lb/> eigentlicher Handlung innigere gegenſeitige Beziehung der Betheiligten zur<lb/> Darſtellung kommt. Dieß eben iſt noch nicht der Fall in jenen loſeren For-<lb/> men: die Aufziehenden und Zuſchauenden unterhalten ſich zwar unter-<lb/> einander u. drgl., aber nur nebenher. Die ruhigere Weiſe der durchge-<lb/> führten Form wechſelwirkender Handlung iſt eine Zuſammenſtellung Be-<lb/> rathender, Spielender, der ſtärkere und lebhaftere Wettkampf, Jagd,<lb/> kriegeriſcher Kampf, und es iſt klar, daß die Längencompoſition nirgends<lb/> ſo voll und ſtark in Contraſten und ihrer Auflöſung auftritt, als im<lb/> letzteren Stoffe. Feurige Bewegung bildet nun den Rhythmus des Gan-<lb/> zen, der aber ſelbſt wieder ſeinen Gegenſatz in der Ruhe zuſchauender,<lb/> ſchützender Götter in ſich aufnehmen kann, welche dann zugleich die Mitte<lb/> für ein ſymmetriſches Gegenüber bilden. Der Kampf zerfällt nothwendig<lb/> in kleinere Gruppen; jede bildet für ſich einen ſtarken Contraſt der<lb/></hi> </p> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [449/0123]
bringt, wie Tanz, bacchiſcher Zug, Prozeſſionen, Triumphzug. Es tritt
nun ein reiches Leben von Werth-Unterſchieden (z. B. zuſchauende
Götter und Menſchen), von Art-Unterſchieden, wie auf dem Parthenon-
Frieſe Geſchlechter, Lebensalter, Würden, Menſch und Thier u. ſ. w. ein;
auch iſt es nicht blos ein einförmiges Aufziehen, die Figuren wenden ſich
zu einander, ſind ſo und anders beſchäftigt, der Gegenſatz des Zuſchauens
zum Handeln begründet eine vollere Mitte, die Symmetrie hört nicht auf,
aber je höher die Werke an Kunſtentwicklung ſtehen, deſto belebter und
reicher ſind die Verſchiedenheiten der übrigens entſprechenden Seiten; ja
die Haupt-Aufgabe iſt, eine Darſtellung, die an ſich eintönig wäre, durch
Contraſte zu beleben, wodurch die herrſchende Einheit des gemeinſchaft-
lichen Thuns erſt zum Rhythmus wird. Allein dieſer gründet ſich weſent-
lich erſt darauf, daß nun ein Weiteres zwiſchen die Einheit und die Viel-
heit tritt: untergeordnete Einheiten mit ihrer Vielheit, einzelne Gruppen,
ja in kleineren Gruppen wieder ein Unterſchied größerer und kleinerer;
die großen Gruppen z. B. im Parthenon-Frieſe, beſtehend aus dem Zuge
der Jungfrauen, Reiter, Wagenlenker, ſondern ſich wieder in die näher
zuſammengeſtellten, in Geſpräch u. ſ. w. zueinander gewandten Figuren,
und nun erſt tritt als die letzte Einheit in dieſen Einheiten die einzelne
Figur in das Auge, jede wieder in anderem Motiv aufgefaßt; aber der
ganze durchſchnittene und getheilte Zug bewegt ſich gemeinſchaftlich fort
zu dem Ziele, wo dem Prieſter der Peplos überreicht wird. In dieſer
Fülle gilt es ebenſoſehr, nicht zu wenig zu geben, namentlich den Raum
gleichmäßig zu benützen, als nicht zu viel, ſondern mit dem Schluſſe
wirklich abzuſchließen. Ein Aufzug, Tanz, iſt in gewiſſem Sinne auch
eine Handlung, doch ſind alle theilnehmenden Perſonen nicht eigentlich
aufeinander, ſondern unmittelbar auf ein Gemeinſchaftliches bezogen; die
dritte und innigſte Form der inneren Verknüpfung tritt erſt ein, wenn in
eigentlicher Handlung innigere gegenſeitige Beziehung der Betheiligten zur
Darſtellung kommt. Dieß eben iſt noch nicht der Fall in jenen loſeren For-
men: die Aufziehenden und Zuſchauenden unterhalten ſich zwar unter-
einander u. drgl., aber nur nebenher. Die ruhigere Weiſe der durchge-
führten Form wechſelwirkender Handlung iſt eine Zuſammenſtellung Be-
rathender, Spielender, der ſtärkere und lebhaftere Wettkampf, Jagd,
kriegeriſcher Kampf, und es iſt klar, daß die Längencompoſition nirgends
ſo voll und ſtark in Contraſten und ihrer Auflöſung auftritt, als im
letzteren Stoffe. Feurige Bewegung bildet nun den Rhythmus des Gan-
zen, der aber ſelbſt wieder ſeinen Gegenſatz in der Ruhe zuſchauender,
ſchützender Götter in ſich aufnehmen kann, welche dann zugleich die Mitte
für ein ſymmetriſches Gegenüber bilden. Der Kampf zerfällt nothwendig
in kleinere Gruppen; jede bildet für ſich einen ſtarken Contraſt der
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