Vischer, Friedrich Theodor von: Ästhetik oder Wissenschaft des Schönen. Bd. 3,2,2. Stuttgart, 1853.§. 632. Nach dem Moment und Grade des Umfangs, in welchem ein Wir nehmen die Eintheilungsgründe für die Zweige aus §. 539 ff. §. 632. Nach dem Moment und Grade des Umfangs, in welchem ein Wir nehmen die Eintheilungsgründe für die Zweige aus §. 539 ff. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <pb facs="#f0135" n="461"/> <div n="6"> <head>§. 632.</head><lb/> <p> <hi rendition="#fr">Nach dem <hi rendition="#g">Moment</hi> und <hi rendition="#g">Grade des Umfangs</hi>, in welchem ein<lb/> Stoff ergriffen wird (§. 540), theilt ſich die Bildnerkunſt zunächſt in <hi rendition="#g">Statue</hi><lb/> und <hi rendition="#g">Gruppe</hi>. Nachbildungen blas des Haupttheils der Geſtalt, Herme, Büſte,<lb/> Maſke, ordnen ſich der Statue unter. Dieſe ſtellt die Perſönlichkeit in <hi rendition="#g">Ruhe,<lb/> harmloſer</hi> oder <hi rendition="#g">geſpannter Situation</hi> dar und ebenſo die Gruppe ihre<lb/> Mehrheit von Geſtalten. Zu den vorhergehenden Eintheilungen verhält ſich<lb/> dieſe ſo, daß alle verſchiedenen Stoffe in der einen oder andern Form auftre-<lb/> ten können, die Gruppe aber in ihrem tiefſten Begriff die in Handlung ge-<lb/> ſetzte Gottheit iſt.</hi> </p><lb/> <p> <hi rendition="#et">Wir nehmen die Eintheilungsgründe für die Zweige aus §. 539 ff.<lb/> bei jeder Kunſt in der Ordnung auf, wie ſie aus dem Weſen derſelben<lb/> ſich am natürlichſten ergibt; ſo hier aus §. 540, nachdem ebendaher der<lb/> Eintheilungsgrund für den vorh. §. entnommen iſt, zunächſt den weitern<lb/> des Umfangs und Moments. Der Unterſchied im Grade des Umfanges,<lb/> worin der Stoff ergriffen wird, begründet denn hier die Zweige: Statue<lb/> und Gruppe. In der Malerei iſt ein ſolcher Unterſchied auch vorhan-<lb/> den, aber nicht Zweigbegründend, denn hier verſteht ſich von ſelbſt, daß<lb/> gewiſſe Stoffe in der Regel durch eine Mehrheit von Figuren zur Dar-<lb/> ſtellung kommen, und das Entſcheidende iſt daher das Gebiet des Stof-<lb/> fes, nicht der Umfang ſeiner Eingreifung; in der Sculptur dagegen ſa-<lb/> hen wir die Eintheilung nach Gebiets-Unterſchieden des Stoffes ſchwan-<lb/> ken, jede derſelben kann ebenſogut in der Form der Statue, als der<lb/> Gruppe auftreten, und daher macht ſich dieſer formelle Theilungsgrund<lb/> eingreifender geltend. Was nun die Statue betrifft, ſo tritt auch ein<lb/> Theil ihres Ganzen als Kunſtwerk für ſich auf, nämlich Kopf und Bruſt<lb/> auf ein Pfeilerſtück geſtellt in der <hi rendition="#g">Herme</hi>, ohne dieſes Pfeilerſtück in<lb/> der <hi rendition="#g">Büſte</hi>, Relief des Geſichts ohne Bruſt, urſprünglich für Anfügung<lb/> an eine Fläche beſtimmt, dann auch mit Bruſt auf einer kleinen Baſis,<lb/> in der <hi rendition="#g">Maſke</hi>. Die Herme zeigt noch die Entſtehung der Bildſäule aus<lb/> dem Pfeiler: Kopf und Bruſt iſt ausgeſchlüpft, das Uebrige ſteckt noch<lb/> im Ei. Es leuchtet ein, daß dieſe Kunſtformen, worin blos der im höch-<lb/> ſten Sinn ſprechende Theil zur Darſtellung kommt, ſich vorzüglich für<lb/> Nachbildung ſolcher Perſönlichkeiten eignen, in denen Geiſt und Charak-<lb/> ter weniger in der Richtung ausgebildet erſcheint, daß damit eine gleich-<lb/> mäßige Entwicklung des Körpers verbunden iſt: Philoſophen, Redner,<lb/> Künſtler, Dichter, Staatsmänner. Bei dem Heros wollen wir die Ener-<lb/> gie auch in den Gliedern dargeſtellt ſehen. Hiemit wäre dieſe fragmen-<lb/></hi> </p> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [461/0135]
§. 632.
Nach dem Moment und Grade des Umfangs, in welchem ein
Stoff ergriffen wird (§. 540), theilt ſich die Bildnerkunſt zunächſt in Statue
und Gruppe. Nachbildungen blas des Haupttheils der Geſtalt, Herme, Büſte,
Maſke, ordnen ſich der Statue unter. Dieſe ſtellt die Perſönlichkeit in Ruhe,
harmloſer oder geſpannter Situation dar und ebenſo die Gruppe ihre
Mehrheit von Geſtalten. Zu den vorhergehenden Eintheilungen verhält ſich
dieſe ſo, daß alle verſchiedenen Stoffe in der einen oder andern Form auftre-
ten können, die Gruppe aber in ihrem tiefſten Begriff die in Handlung ge-
ſetzte Gottheit iſt.
Wir nehmen die Eintheilungsgründe für die Zweige aus §. 539 ff.
bei jeder Kunſt in der Ordnung auf, wie ſie aus dem Weſen derſelben
ſich am natürlichſten ergibt; ſo hier aus §. 540, nachdem ebendaher der
Eintheilungsgrund für den vorh. §. entnommen iſt, zunächſt den weitern
des Umfangs und Moments. Der Unterſchied im Grade des Umfanges,
worin der Stoff ergriffen wird, begründet denn hier die Zweige: Statue
und Gruppe. In der Malerei iſt ein ſolcher Unterſchied auch vorhan-
den, aber nicht Zweigbegründend, denn hier verſteht ſich von ſelbſt, daß
gewiſſe Stoffe in der Regel durch eine Mehrheit von Figuren zur Dar-
ſtellung kommen, und das Entſcheidende iſt daher das Gebiet des Stof-
fes, nicht der Umfang ſeiner Eingreifung; in der Sculptur dagegen ſa-
hen wir die Eintheilung nach Gebiets-Unterſchieden des Stoffes ſchwan-
ken, jede derſelben kann ebenſogut in der Form der Statue, als der
Gruppe auftreten, und daher macht ſich dieſer formelle Theilungsgrund
eingreifender geltend. Was nun die Statue betrifft, ſo tritt auch ein
Theil ihres Ganzen als Kunſtwerk für ſich auf, nämlich Kopf und Bruſt
auf ein Pfeilerſtück geſtellt in der Herme, ohne dieſes Pfeilerſtück in
der Büſte, Relief des Geſichts ohne Bruſt, urſprünglich für Anfügung
an eine Fläche beſtimmt, dann auch mit Bruſt auf einer kleinen Baſis,
in der Maſke. Die Herme zeigt noch die Entſtehung der Bildſäule aus
dem Pfeiler: Kopf und Bruſt iſt ausgeſchlüpft, das Uebrige ſteckt noch
im Ei. Es leuchtet ein, daß dieſe Kunſtformen, worin blos der im höch-
ſten Sinn ſprechende Theil zur Darſtellung kommt, ſich vorzüglich für
Nachbildung ſolcher Perſönlichkeiten eignen, in denen Geiſt und Charak-
ter weniger in der Richtung ausgebildet erſcheint, daß damit eine gleich-
mäßige Entwicklung des Körpers verbunden iſt: Philoſophen, Redner,
Künſtler, Dichter, Staatsmänner. Bei dem Heros wollen wir die Ener-
gie auch in den Gliedern dargeſtellt ſehen. Hiemit wäre dieſe fragmen-
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