Robert, Waldmüller [d. i. Charles Edouard Duboc]: Es ist nicht gut, daß der Mensch allein sei. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 10. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 203–295. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.steifte sich, meinte der Küster, daß es schier aussah, als habe er sich nach langem Bücken aufgerichtet, wie jener Papstgewordene Cardinal, der die Schlüssel Petri gesucht hatte. Da lag die Tenne, die sonnige, erinnerungsreiche Tenne mit der Hühnerfamilie und dem lahmen Spornträger aus der Küsterei, zu dem sich schon eine verstoßene Henne des Goldgefiederten gesellt hatte. Da spielte wieder das Kätzchen in der Sonne, und der unbeholfene Hund lief klaffend den Fliegen nach, die sich auf dem warmen Lehmboden umhertrieben. Da stand das Fenster mit dem grünwollenen Rouleau offen, das nämliche Fenster, auf das er heute Morgen so herzensvergnügt aus dem Schallloche hinabgeblickt, das nämliche, durch das er die nächtliche Leserin der Altasbandgedichte belauscht; und darunter stand der schön gerundete Salat, auf den er hinabgeglitten war, der in Saat geschossene rothbeerige Spargel, der ihm schon in Vorahnung künftiger Tafelfreuden den Mund hatte wässern machen, der gewürzige Estragon, zu dessen Einthun die alte Marga nie zu bewegen gewesen war, und dessen Wohlgeruch ihm Nachts bei jenem Falle zuerst erfrischend in die Nase gezogen war. Das Alles war zwar nichts gegen das Zertrümmern der übrigen Kartenhäuser seines neuen Glücks aber so heftig war der Schlag gewesen, daß er dem Verlust nur in seinen unbedeutendsten Atomen zu begreifen vermochte. Als er der Frau Anna selbst ge- steifte sich, meinte der Küster, daß es schier aussah, als habe er sich nach langem Bücken aufgerichtet, wie jener Papstgewordene Cardinal, der die Schlüssel Petri gesucht hatte. Da lag die Tenne, die sonnige, erinnerungsreiche Tenne mit der Hühnerfamilie und dem lahmen Spornträger aus der Küsterei, zu dem sich schon eine verstoßene Henne des Goldgefiederten gesellt hatte. Da spielte wieder das Kätzchen in der Sonne, und der unbeholfene Hund lief klaffend den Fliegen nach, die sich auf dem warmen Lehmboden umhertrieben. Da stand das Fenster mit dem grünwollenen Rouleau offen, das nämliche Fenster, auf das er heute Morgen so herzensvergnügt aus dem Schallloche hinabgeblickt, das nämliche, durch das er die nächtliche Leserin der Altasbandgedichte belauscht; und darunter stand der schön gerundete Salat, auf den er hinabgeglitten war, der in Saat geschossene rothbeerige Spargel, der ihm schon in Vorahnung künftiger Tafelfreuden den Mund hatte wässern machen, der gewürzige Estragon, zu dessen Einthun die alte Marga nie zu bewegen gewesen war, und dessen Wohlgeruch ihm Nachts bei jenem Falle zuerst erfrischend in die Nase gezogen war. Das Alles war zwar nichts gegen das Zertrümmern der übrigen Kartenhäuser seines neuen Glücks aber so heftig war der Schlag gewesen, daß er dem Verlust nur in seinen unbedeutendsten Atomen zu begreifen vermochte. Als er der Frau Anna selbst ge- <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="7"> <p><pb facs="#f0078"/> steifte sich, meinte der Küster, daß es schier aussah, als habe er sich nach langem Bücken aufgerichtet, wie jener Papstgewordene Cardinal, der die Schlüssel Petri gesucht hatte.</p><lb/> <p>Da lag die Tenne, die sonnige, erinnerungsreiche Tenne mit der Hühnerfamilie und dem lahmen Spornträger aus der Küsterei, zu dem sich schon eine verstoßene Henne des Goldgefiederten gesellt hatte. Da spielte wieder das Kätzchen in der Sonne, und der unbeholfene Hund lief klaffend den Fliegen nach, die sich auf dem warmen Lehmboden umhertrieben. Da stand das Fenster mit dem grünwollenen Rouleau offen, das nämliche Fenster, auf das er heute Morgen so herzensvergnügt aus dem Schallloche hinabgeblickt, das nämliche, durch das er die nächtliche Leserin der Altasbandgedichte belauscht; und darunter stand der schön gerundete Salat, auf den er hinabgeglitten war, der in Saat geschossene rothbeerige Spargel, der ihm schon in Vorahnung künftiger Tafelfreuden den Mund hatte wässern machen, der gewürzige Estragon, zu dessen Einthun die alte Marga nie zu bewegen gewesen war, und dessen Wohlgeruch ihm Nachts bei jenem Falle zuerst erfrischend in die Nase gezogen war.</p><lb/> <p>Das Alles war zwar nichts gegen das Zertrümmern der übrigen Kartenhäuser seines neuen Glücks aber so heftig war der Schlag gewesen, daß er dem Verlust nur in seinen unbedeutendsten Atomen zu begreifen vermochte. Als er der Frau Anna selbst ge-<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0078]
steifte sich, meinte der Küster, daß es schier aussah, als habe er sich nach langem Bücken aufgerichtet, wie jener Papstgewordene Cardinal, der die Schlüssel Petri gesucht hatte.
Da lag die Tenne, die sonnige, erinnerungsreiche Tenne mit der Hühnerfamilie und dem lahmen Spornträger aus der Küsterei, zu dem sich schon eine verstoßene Henne des Goldgefiederten gesellt hatte. Da spielte wieder das Kätzchen in der Sonne, und der unbeholfene Hund lief klaffend den Fliegen nach, die sich auf dem warmen Lehmboden umhertrieben. Da stand das Fenster mit dem grünwollenen Rouleau offen, das nämliche Fenster, auf das er heute Morgen so herzensvergnügt aus dem Schallloche hinabgeblickt, das nämliche, durch das er die nächtliche Leserin der Altasbandgedichte belauscht; und darunter stand der schön gerundete Salat, auf den er hinabgeglitten war, der in Saat geschossene rothbeerige Spargel, der ihm schon in Vorahnung künftiger Tafelfreuden den Mund hatte wässern machen, der gewürzige Estragon, zu dessen Einthun die alte Marga nie zu bewegen gewesen war, und dessen Wohlgeruch ihm Nachts bei jenem Falle zuerst erfrischend in die Nase gezogen war.
Das Alles war zwar nichts gegen das Zertrümmern der übrigen Kartenhäuser seines neuen Glücks aber so heftig war der Schlag gewesen, daß er dem Verlust nur in seinen unbedeutendsten Atomen zu begreifen vermochte. Als er der Frau Anna selbst ge-
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Zitationshilfe: | Robert, Waldmüller [d. i. Charles Edouard Duboc]: Es ist nicht gut, daß der Mensch allein sei. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 10. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 203–295. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/waldmueller_allein_1910/78>, abgerufen am 14.06.2024. |