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Weise, Christian: Überflüßige Gedancken Der grünenden jugend. Leipzig, 1701.

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Uberflüssiger gedancken
Da noch die zarte gluth vielleicht
Nach keinen fremden feuer räucht.

2. Dann wo sie ihren füssen stand
Bald erstlich hat erkohren/
Da ist ihr liebstes vatterland
Da wird sie neu gebohren/
Da trifft sie lust und nahrung an/
Dadurch sie sich vermehren kan.
3. So bald sie aber anderwerts
Die heissen strahlen lencket/
Und an ein unbekanntes hertz
Die lust-begierden hencket/
So kömmt sie in ein fremdes land
Und setzt den grundstein auff den sand.
4. Es darff ein schlechter wirbelwind
Ein kleines lüfftgen rasen/
So wird das wesen gar geschwind
Jn einen klump geblasen/
Alsdenn so muß der stärckste wein
Des schärffsten eßigs vater seyn.
5. Dem ersten liebsten bleib man gut/
Und wann man unterweilen
Gleich anders redt und anders thut/
Will doch der schmertz nicht heilen/
Es bleibt ein kleiner auffenthalt/
Der immer in dem hertzen wallt.
6. Es müst ein schlechtes mädgen seyn
Das wir nicht solten lieben/
Wann sie uns zu der süssen pein
Hat erstlich angetrieben/
Wann es bißweilen anders scheint/
Sind die gedancken doch ihr freund.
7. Jch

Uberfluͤſſiger gedancken
Da noch die zarte gluth vielleicht
Nach keinen fremden feuer raͤucht.

2. Dann wo ſie ihren fuͤſſen ſtand
Bald erſtlich hat erkohren/
Da iſt ihr liebſtes vatterland
Da wird ſie neu gebohren/
Da trifft ſie luſt und nahrung an/
Dadurch ſie ſich vermehren kan.
3. So bald ſie aber anderwerts
Die heiſſen ſtrahlen lencket/
Und an ein unbekanntes hertz
Die luſt-begierden hencket/
So koͤmmt ſie in ein fremdes land
Und ſetzt den grundſtein auff den ſand.
4. Es darff ein ſchlechter wirbelwind
Ein kleines luͤfftgen raſen/
So wird das weſen gar geſchwind
Jn einen klump geblaſen/
Alsdenn ſo muß der ſtaͤrckſte wein
Des ſchaͤrffſten eßigs vater ſeyn.
5. Dem erſten liebſten bleib man gut/
Und wann man unterweilen
Gleich anders redt und anders thut/
Will doch der ſchmertz nicht heilen/
Es bleibt ein kleiner auffenthalt/
Der immer in dem hertzen wallt.
6. Es muͤſt ein ſchlechtes maͤdgen ſeyn
Das wir nicht ſolten lieben/
Wann ſie uns zu der ſuͤſſen pein
Hat erſtlich angetrieben/
Wann es bißweilen anders ſcheint/
Sind die gedancken doch ihr freund.
7. Jch
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[104/0120] Uberfluͤſſiger gedancken Da noch die zarte gluth vielleicht Nach keinen fremden feuer raͤucht. 2. Dann wo ſie ihren fuͤſſen ſtand Bald erſtlich hat erkohren/ Da iſt ihr liebſtes vatterland Da wird ſie neu gebohren/ Da trifft ſie luſt und nahrung an/ Dadurch ſie ſich vermehren kan. 3. So bald ſie aber anderwerts Die heiſſen ſtrahlen lencket/ Und an ein unbekanntes hertz Die luſt-begierden hencket/ So koͤmmt ſie in ein fremdes land Und ſetzt den grundſtein auff den ſand. 4. Es darff ein ſchlechter wirbelwind Ein kleines luͤfftgen raſen/ So wird das weſen gar geſchwind Jn einen klump geblaſen/ Alsdenn ſo muß der ſtaͤrckſte wein Des ſchaͤrffſten eßigs vater ſeyn. 5. Dem erſten liebſten bleib man gut/ Und wann man unterweilen Gleich anders redt und anders thut/ Will doch der ſchmertz nicht heilen/ Es bleibt ein kleiner auffenthalt/ Der immer in dem hertzen wallt. 6. Es muͤſt ein ſchlechtes maͤdgen ſeyn Das wir nicht ſolten lieben/ Wann ſie uns zu der ſuͤſſen pein Hat erſtlich angetrieben/ Wann es bißweilen anders ſcheint/ Sind die gedancken doch ihr freund. 7. Jch

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Zitationshilfe: Weise, Christian: Überflüßige Gedancken Der grünenden jugend. Leipzig, 1701, S. 104. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weise_jugend_1701/120>, abgerufen am 08.06.2024.