Werner, Reinhold von: Erinnerungen und Bilder aus dem Seeleben. Berlin, 1880.Eine erste Seereise kalt und stürmisch. Wenn ich dann Nachts in Fieberhitze lagund brennender Durst mich verzehrte, war Niemand da, um mir einen Trunk zu reichen. Ich mußte aufstehen, um mir ihn selbst aus den Wasserfässern an Deck zu holen, wenn auch der kalte Wind mich eisig durchschauerte und ich von überspritzendem Seewasser durchnäßt in meine Coje zurückkehrte. Der mensch- liche Körper vermag oft wunderbar viel zu ertragen, das er- probte ich damals an mir. Auf der Heimreise von Ostindien nach Europa wird man Eine erſte Seereiſe kalt und ſtürmiſch. Wenn ich dann Nachts in Fieberhitze lagund brennender Durſt mich verzehrte, war Niemand da, um mir einen Trunk zu reichen. Ich mußte aufſtehen, um mir ihn ſelbſt aus den Waſſerfäſſern an Deck zu holen, wenn auch der kalte Wind mich eiſig durchſchauerte und ich von überſpritzendem Seewaſſer durchnäßt in meine Coje zurückkehrte. Der menſch- liche Körper vermag oft wunderbar viel zu ertragen, das er- probte ich damals an mir. Auf der Heimreiſe von Oſtindien nach Europa wird man <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0149" n="137"/><fw place="top" type="header">Eine erſte Seereiſe</fw><lb/> kalt und ſtürmiſch. Wenn ich dann Nachts in Fieberhitze lag<lb/> und brennender Durſt mich verzehrte, war Niemand da, um<lb/> mir einen Trunk zu reichen. Ich mußte aufſtehen, um mir ihn<lb/> ſelbſt aus den Waſſerfäſſern an Deck zu holen, wenn auch der<lb/> kalte Wind mich eiſig durchſchauerte und ich von überſpritzendem<lb/> Seewaſſer durchnäßt in meine Coje zurückkehrte. Der menſch-<lb/> liche Körper vermag oft wunderbar viel zu ertragen, das er-<lb/> probte ich damals an mir.</p><lb/> <p>Auf der Heimreiſe von Oſtindien nach Europa wird man<lb/> mehr vom Winde begünſtigt als auf dem Hinwege und hat im<lb/> Durchſchnitt beſſeres Wetter. Faſt die ganze Strecke von der<lb/> Sundaſtraße bis zum Cap durchläuft man mit dem Paſſat in<lb/> grader Richtung und wird außerdem noch durch bedeutende<lb/> Strömung unterſtützt. Beim Cap hat man zwar gewöhnlich<lb/> 8 bis 14 Tage mit Stürmen zu kämpfen, doch bringt auch hier<lb/> ſtarker Strom helfend das Schiff vorwärts und es erreicht des-<lb/> halb bald aufs neue den Südoſtpaſſat, um mit ihm bis zum<lb/> Aequator, von dort nach Ueberwindung der Stillen mit dem<lb/> Nordoſt bis zu den Azoren zu gehen und dann die Weſtwinde<lb/> zum Anſegeln des Kanals aufzuſuchen. Nur einmal wurde die<lb/> Einförmigkeit des Bordlebens, bei der man ſchließlich faſt die<lb/> Namen der Tage vergaß, durch das Anſegeln von St. Helena<lb/> unterbrochen, um Trinkwaſſer einzunehmen. Die Inſel liegt auf<lb/> dem directen Wege und wird deshalb von faſt allen heimkehren-<lb/> den Schiffen zu jenem Zwecke angelaufen. Mein Geſundheits-<lb/> zuſtand hatte ſich in der letzten Zeit wieder ſo weit gebeſſert,<lb/> daß ich bei dem ſchönen Wetter auf ſein konnte, und ſo durfte<lb/> ich mich wenigſtens an dem äußeren Anblicke der als Napoleons<lb/> Gefängniß ſo berühmt gewordenen einſamen Felſeninſel zer-<lb/> ſtreuen. Des Kaiſers Gebeine waren im Jahre zuvor nach<lb/> Frankreich zurückgeholt worden, um im Invalidendome beigeſetzt<lb/> zu werden. Longwood, das Haus, in dem er bis zu ſeinem<lb/> Tode gewohnt, ein einſtöckiges, ſchmuckloſes Gebäude, liegt auf<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [137/0149]
Eine erſte Seereiſe
kalt und ſtürmiſch. Wenn ich dann Nachts in Fieberhitze lag
und brennender Durſt mich verzehrte, war Niemand da, um
mir einen Trunk zu reichen. Ich mußte aufſtehen, um mir ihn
ſelbſt aus den Waſſerfäſſern an Deck zu holen, wenn auch der
kalte Wind mich eiſig durchſchauerte und ich von überſpritzendem
Seewaſſer durchnäßt in meine Coje zurückkehrte. Der menſch-
liche Körper vermag oft wunderbar viel zu ertragen, das er-
probte ich damals an mir.
Auf der Heimreiſe von Oſtindien nach Europa wird man
mehr vom Winde begünſtigt als auf dem Hinwege und hat im
Durchſchnitt beſſeres Wetter. Faſt die ganze Strecke von der
Sundaſtraße bis zum Cap durchläuft man mit dem Paſſat in
grader Richtung und wird außerdem noch durch bedeutende
Strömung unterſtützt. Beim Cap hat man zwar gewöhnlich
8 bis 14 Tage mit Stürmen zu kämpfen, doch bringt auch hier
ſtarker Strom helfend das Schiff vorwärts und es erreicht des-
halb bald aufs neue den Südoſtpaſſat, um mit ihm bis zum
Aequator, von dort nach Ueberwindung der Stillen mit dem
Nordoſt bis zu den Azoren zu gehen und dann die Weſtwinde
zum Anſegeln des Kanals aufzuſuchen. Nur einmal wurde die
Einförmigkeit des Bordlebens, bei der man ſchließlich faſt die
Namen der Tage vergaß, durch das Anſegeln von St. Helena
unterbrochen, um Trinkwaſſer einzunehmen. Die Inſel liegt auf
dem directen Wege und wird deshalb von faſt allen heimkehren-
den Schiffen zu jenem Zwecke angelaufen. Mein Geſundheits-
zuſtand hatte ſich in der letzten Zeit wieder ſo weit gebeſſert,
daß ich bei dem ſchönen Wetter auf ſein konnte, und ſo durfte
ich mich wenigſtens an dem äußeren Anblicke der als Napoleons
Gefängniß ſo berühmt gewordenen einſamen Felſeninſel zer-
ſtreuen. Des Kaiſers Gebeine waren im Jahre zuvor nach
Frankreich zurückgeholt worden, um im Invalidendome beigeſetzt
zu werden. Longwood, das Haus, in dem er bis zu ſeinem
Tode gewohnt, ein einſtöckiges, ſchmuckloſes Gebäude, liegt auf
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |