hydrographischen Bestrebungen des berühmten Amerikaners Maury verdanken, geschah es oft, daß Schiffe drei bis vier Wochen gebrauchten, ehe sie auf ihrer östlichen Route diesen Gürtel überwanden, während man gegenwärtig weiter westlich die Sache in ein paar Tagen abmacht, ja, wie ich es später einmal ge- habt, fast direct aus einem Passat in den andern segeln kann.
Wir verloren den Nordostpassat damals auf 1 Grad Nordbreite und fanden den Südost auf 21/2 Grad Süd, aber diese 50 Meilen wurden uns erschrecklich sauer gemacht. Wir gebrauchten, um sie zu durchsegeln, nicht weniger als 23 Tage und zwar fast unter beständigen Gewittern und furchtbaren Regengüssen, von denen man sich in unserm Klima kaum einen Begriff machen kann. Es ist dies die Folge der aufeinander stoßenden Passate. Die mit Wasserdünsten gesättigten beiden Luftströmungen steigen beim Zusammentreffen in die Höhe, ihr Wasserdampf verdichtet sich in den oberen kalten Regionen und schlägt, meistens von electrischen Entladungen begleitet, als Regen nieder und zwar fast ohne Unterbrechung, da auch der Verdich- tungsprozeß beständig vor sich geht.
Nach den drei Wochen bequemen, ruhigen Lebens, das uns der Nordostpassat gebracht, empfanden wir den Contrast höchst unbehaglich. Bis dahin waren Raaen und Segel fast nicht gerührt, jetzt nahm das Brassen, Segelbergen und Segel- setzen weder Tag noch Nacht ein Ende. Absolute Windstille hatten wir nur wenige Stunden in der ganzen Zeit, bald sprang von dieser, bald von jener Seite ein leiser Hauch auf, der als "Katzenpfote" das Wasser kräuselte. Bisweilen dauerte er keine Viertelstunde, aber er durfte nicht unbenutzt vorüber- gehen und die Segel mußten nach ihm gestellt werden, wenn er uns auch nur ein paar Schritte vorwärts brachte. Dann wieder zog eine Gewitterbö herauf, und da man nie wissen konnte, was darin steckte, so mußten die vielleicht eben gesetzten Segel wieder fortgenommen werden. Da das bei einer so
R. Werner, Erinnerungen. 6
Eine erſte Seereiſe
hydrographiſchen Beſtrebungen des berühmten Amerikaners Maury verdanken, geſchah es oft, daß Schiffe drei bis vier Wochen gebrauchten, ehe ſie auf ihrer öſtlichen Route dieſen Gürtel überwanden, während man gegenwärtig weiter weſtlich die Sache in ein paar Tagen abmacht, ja, wie ich es ſpäter einmal ge- habt, faſt direct aus einem Paſſat in den andern ſegeln kann.
Wir verloren den Nordoſtpaſſat damals auf 1 Grad Nordbreite und fanden den Südoſt auf 2½ Grad Süd, aber dieſe 50 Meilen wurden uns erſchrecklich ſauer gemacht. Wir gebrauchten, um ſie zu durchſegeln, nicht weniger als 23 Tage und zwar faſt unter beſtändigen Gewittern und furchtbaren Regengüſſen, von denen man ſich in unſerm Klima kaum einen Begriff machen kann. Es iſt dies die Folge der aufeinander ſtoßenden Paſſate. Die mit Waſſerdünſten geſättigten beiden Luftſtrömungen ſteigen beim Zuſammentreffen in die Höhe, ihr Waſſerdampf verdichtet ſich in den oberen kalten Regionen und ſchlägt, meiſtens von electriſchen Entladungen begleitet, als Regen nieder und zwar faſt ohne Unterbrechung, da auch der Verdich- tungsprozeß beſtändig vor ſich geht.
Nach den drei Wochen bequemen, ruhigen Lebens, das uns der Nordoſtpaſſat gebracht, empfanden wir den Contraſt höchſt unbehaglich. Bis dahin waren Raaen und Segel faſt nicht gerührt, jetzt nahm das Braſſen, Segelbergen und Segel- ſetzen weder Tag noch Nacht ein Ende. Abſolute Windſtille hatten wir nur wenige Stunden in der ganzen Zeit, bald ſprang von dieſer, bald von jener Seite ein leiſer Hauch auf, der als „Katzenpfote“ das Waſſer kräuſelte. Bisweilen dauerte er keine Viertelſtunde, aber er durfte nicht unbenutzt vorüber- gehen und die Segel mußten nach ihm geſtellt werden, wenn er uns auch nur ein paar Schritte vorwärts brachte. Dann wieder zog eine Gewitterbö herauf, und da man nie wiſſen konnte, was darin ſteckte, ſo mußten die vielleicht eben geſetzten Segel wieder fortgenommen werden. Da das bei einer ſo
R. Werner, Erinnerungen. 6
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Eine erſte Seereiſe
hydrographiſchen Beſtrebungen des berühmten Amerikaners Maury
verdanken, geſchah es oft, daß Schiffe drei bis vier Wochen
gebrauchten, ehe ſie auf ihrer öſtlichen Route dieſen Gürtel
überwanden, während man gegenwärtig weiter weſtlich die Sache
in ein paar Tagen abmacht, ja, wie ich es ſpäter einmal ge-
habt, faſt direct aus einem Paſſat in den andern ſegeln kann.
Wir verloren den Nordoſtpaſſat damals auf 1 Grad
Nordbreite und fanden den Südoſt auf 2½ Grad Süd, aber
dieſe 50 Meilen wurden uns erſchrecklich ſauer gemacht. Wir
gebrauchten, um ſie zu durchſegeln, nicht weniger als 23 Tage
und zwar faſt unter beſtändigen Gewittern und furchtbaren
Regengüſſen, von denen man ſich in unſerm Klima kaum einen
Begriff machen kann. Es iſt dies die Folge der aufeinander
ſtoßenden Paſſate. Die mit Waſſerdünſten geſättigten beiden
Luftſtrömungen ſteigen beim Zuſammentreffen in die Höhe, ihr
Waſſerdampf verdichtet ſich in den oberen kalten Regionen und
ſchlägt, meiſtens von electriſchen Entladungen begleitet, als Regen
nieder und zwar faſt ohne Unterbrechung, da auch der Verdich-
tungsprozeß beſtändig vor ſich geht.
Nach den drei Wochen bequemen, ruhigen Lebens, das
uns der Nordoſtpaſſat gebracht, empfanden wir den Contraſt
höchſt unbehaglich. Bis dahin waren Raaen und Segel faſt
nicht gerührt, jetzt nahm das Braſſen, Segelbergen und Segel-
ſetzen weder Tag noch Nacht ein Ende. Abſolute Windſtille
hatten wir nur wenige Stunden in der ganzen Zeit, bald
ſprang von dieſer, bald von jener Seite ein leiſer Hauch auf,
der als „Katzenpfote“ das Waſſer kräuſelte. Bisweilen dauerte
er keine Viertelſtunde, aber er durfte nicht unbenutzt vorüber-
gehen und die Segel mußten nach ihm geſtellt werden, wenn
er uns auch nur ein paar Schritte vorwärts brachte. Dann
wieder zog eine Gewitterbö herauf, und da man nie wiſſen
konnte, was darin ſteckte, ſo mußten die vielleicht eben geſetzten
Segel wieder fortgenommen werden. Da das bei einer ſo
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Werner, Reinhold von: Erinnerungen und Bilder aus dem Seeleben. Berlin, 1880, S. 81. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/werner_seeleben_1880/93>, abgerufen am 13.06.2024.
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