Sonst ist der Verlust des Glaubens und der Un- schuld gewiß. Nun giebt es aber Bureaus, Werk- stätten und Fabriklokale, wo glaubenslose oder sozialdemokratische Arbeiter ihren Mitarbeitern ein- fach keine Ruhe lassen, bis sie ihren Vereinen bei- treten, ihre Schriften lesen und so den Glauben verlieren. Oder es giebt Häuser und Arbeitsstätten, wo Verführerinnen ihre arglistigen Netze spinnen, oder Verführer ihr Unwesen treiben, wo den ganzen Tag nichts als Zoten und unsittliche Spässe gehört werden, und keine Mahnung und Warnung und keine Anzeige beim Prinzipal etwas fruchtet. Da bleibt nichts anderes übrig als die Flucht. Denn "wer die Gefahr liebt, kommt darin um." Das haben leider schon tausend und tausend Jüng- linge erfahren: sie haben Glaube und Unschuld verloren, weil sie den Ort der Gefahr nicht ver- ließen. Darum fort von einem solchen Platze, und wär' der Lohn auch noch so groß, die Stellung noch so schön und angenehm. "Was hast du davon, wenn du die ganze Welt gewinnst, an deiner Seele aber Schaden leidest?""Ein Jüngling von 19 Jahren, dessen Herz noch rein, ist der liebenswürdigste Mensch von der Welt," sagt Rousseau, der Gottesleugner.
"Wahr' deiner Unschuld Blütenschmuck,Du liebes, frommes, junges Blut!Einmal verloren, nimmermehrWir dir beschert dies Himmelsgut.
Sonst ist der Verlust des Glaubens und der Un- schuld gewiß. Nun giebt es aber Bureaus, Werk- stätten und Fabriklokale, wo glaubenslose oder sozialdemokratische Arbeiter ihren Mitarbeitern ein- fach keine Ruhe lassen, bis sie ihren Vereinen bei- treten, ihre Schriften lesen und so den Glauben verlieren. Oder es giebt Häuser und Arbeitsstätten, wo Verführerinnen ihre arglistigen Netze spinnen, oder Verführer ihr Unwesen treiben, wo den ganzen Tag nichts als Zoten und unsittliche Spässe gehört werden, und keine Mahnung und Warnung und keine Anzeige beim Prinzipal etwas fruchtet. Da bleibt nichts anderes übrig als die Flucht. Denn „wer die Gefahr liebt, kommt darin um.“ Das haben leider schon tausend und tausend Jüng- linge erfahren: sie haben Glaube und Unschuld verloren, weil sie den Ort der Gefahr nicht ver- ließen. Darum fort von einem solchen Platze, und wär' der Lohn auch noch so groß, die Stellung noch so schön und angenehm. „Was hast du davon, wenn du die ganze Welt gewinnst, an deiner Seele aber Schaden leidest?“„Ein Jüngling von 19 Jahren, dessen Herz noch rein, ist der liebenswürdigste Mensch von der Welt,“ sagt Rousseau, der Gottesleugner.
„Wahr' deiner Unschuld Blütenschmuck,Du liebes, frommes, junges Blut!Einmal verloren, nimmermehrWir dir beschert dies Himmelsgut.
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Sonst ist der Verlust des Glaubens und der Un-
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stätten und Fabriklokale, wo glaubenslose oder
sozialdemokratische Arbeiter ihren Mitarbeitern ein-
fach keine Ruhe lassen, bis sie ihren Vereinen bei-
treten, ihre Schriften lesen und so den Glauben
verlieren. Oder es giebt Häuser und Arbeitsstätten,
wo Verführerinnen ihre arglistigen Netze spinnen,
oder Verführer ihr Unwesen treiben, wo den ganzen
Tag nichts als Zoten und unsittliche Spässe gehört
werden, und keine Mahnung und Warnung und
keine Anzeige beim Prinzipal etwas fruchtet. Da
bleibt nichts anderes übrig als die Flucht.
Denn „wer die Gefahr liebt, kommt darin um.“
Das haben leider schon tausend und tausend Jüng-
linge erfahren: sie haben Glaube und Unschuld
verloren, weil sie den Ort der Gefahr nicht ver-
ließen. Darum fort von einem solchen Platze, und
wär' der Lohn auch noch so groß, die Stellung
noch so schön und angenehm. „Was hast du davon,
wenn du die ganze Welt gewinnst, an deiner Seele
aber Schaden leidest?“ „Ein Jüngling von 19
Jahren, dessen Herz noch rein, ist der
liebenswürdigste Mensch von der Welt,“
sagt Rousseau, der Gottesleugner.
„Wahr' deiner Unschuld Blütenschmuck, Du liebes, frommes, junges Blut! Einmal verloren, nimmermehr Wir dir beschert dies Himmelsgut.
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Wetzel, Franz Xaver: Reisebegleiter für Jünglinge. Ravensburg, [1901], S. 66. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wetzel_reisebegleiter_1901/72>, abgerufen am 10.06.2024.
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