pwo_062.001 Kraft erheblich verloren, und nicht mehr das Gerüst des Wortes ist pwo_062.002 es, welches in den Reim gestellt wird. Trotzdem erhält das gesprochene pwo_062.003 Wort, obschon es in zunehmendem Maße auf musikalische Begleitung pwo_062.004 verzichtet, durch den Gleichklang, durch die Wiederkehr bestimmter pwo_062.005 Töne, einen musikalischen Hauch, eine Harmonie. Da der pwo_062.006 Schluß es ist, welcher reimt, wird überdies der Vers ohne weiteres pwo_062.007 auf das Gefühl zugespitzt und abgerundet.
pwo_062.008
"Woher ich kam, wohin ich gehe, weiß ich nicht.pwo_062.009 Doch dies: von Gott zu Gott! ist meine - Hoffnung",
pwo_062.010
wäre ein Gedanke, der leicht weiteren Gedanken Spielraum giebt: ist pwo_062.011 dem wirklich so? darf ich hoffen? Aber setzen wir statt "Hoffnung" pwo_062.012 den Reim Rückerts: "Zuversicht" ein, und der Ring erscheint sofort pwo_062.013 lückenlos geschlossen: es kann nicht anders sein! so stimmt es zusammen! pwo_062.014 ist jetzt unsere unbewußte Empfindung.
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"Jch ging. Du standst und sahst zur Erdenpwo_062.016 Und sahst mir nach mit nassem Blick.pwo_062.017 Und doch, welch Glück, geliebt zu werden,pwo_062.018 Und lieben, Götter, welch ein Glück!"
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Das alles wendet sich schon durch den Gleichklang des Tones an pwo_062.020 unser Ohr und durch dieses an unser Empfinden. Bei wirklich kunstvoller pwo_062.021 Verwendung des Reims klingen noch immer gerade Hauptbegriffe pwo_062.022 nach: "Blick" - wir haben damit des Mädchens thränenden pwo_062.023 Blick vor Augen; "Glück" - es zittert in uns das Glück des Liebenden pwo_062.024 nach. Auch hier noch geschieht ein Hervorheben der Grundstimmung pwo_062.025 durch die Form.
pwo_062.026
Wir stehen damit vor dem überraschenden und doch auch so pwo_062.027 natürlichen Ergebnis: Form und Jnhalt der Poesie treten in Uebereinstimmung; pwo_062.028 die poetische Form ist nur ein Mittel mehr, wodurch pwo_062.029 das poetische Wesen zur Geltung kommt: Gefühlsausdruck, und zwar pwo_062.030 verstärkter, gehobener Gefühlsausdruck.
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Wir stehen damit vor dem überraschenden und doch auch so pwo_062.027 natürlichen Ergebnis: Form und Jnhalt der Poesie treten in Uebereinstimmung; pwo_062.028 die poetische Form ist nur ein Mittel mehr, wodurch pwo_062.029 das poetische Wesen zur Geltung kommt: Gefühlsausdruck, und zwar pwo_062.030 verstärkter, gehobener Gefühlsausdruck.
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Wolff, Eugen: Poetik: Die Gesetze der Poesie in ihrer geschichtlichen Entwicklung. Ein Grundriß. Oldenburg u. a., 1899, S. 62. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_poetik_1899/76>, abgerufen am 16.06.2024.
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