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Zesen, Philipp von: Assenat. Amsterdam, 1670.

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Der Assenat
so wil ich ihre boßheit offenbahren. Ich mus es tuhn
Mein gewissen dringet und zwinget mich darzu. Und
also muste sich Sefira vor dem Josef fürchten. Sie
durfte ihm in langer zeit nichts mehr von ihrer liebe sa-
gen. Ach! sprach sie bei sich selbst/ hat mich dan Jo-
sefs
schönheit verwunden müssen/ daß seine grausam-
keit mich tödtete? Hat ihn dan der Himmel darüm mit
so fürtreflichen Tugenden gezieret/ damit man seiner
Schönheit nicht geniessen könte? Worzu dienet ein
schöner Apfel/ der zu essen verbohten? Zu nichts anders/
als daß er den mund wässericht/ die zunge lüstern/ und
das hertz vol schmertzen machet. Ach weh mir! daß ich
so unglüklich gewesen den Josef zu sehen. Ach ich
angstseelige! wer wird mich noch aus dieser angst
erlösen? Ach ich armseelige! wer wird sich über mich er-
barmen?

Weil nun Sefira sich ihrer liebe gegen den Josef
nicht kühnlich mehr durfte verlauten laßen; so suchte
sie ihn gleichwohl auf eine andere weise zu gewinnen.
Sie schikte ihm allerlei geschenke. Alles/ was köstlich
und schön war/ muste Josef haben. Auch sandte
sie ihm die lieblichsten speisen. Aber ein Engel warnete
ihn/ darvon nicht zu essen. Dieser reichte ihm ein mes-
ser in einer schüssel zu. Daraus verstund Josef/ daß
man seiner seelen heimlich nachstellete. Und darüm aß
er nichts von ihrer speise. Er trunk nichts von ihrem
tranke. Dan beide waren mit Taturensaamen/ ihn
verliebt zu machen/ vermischt.

Sefira ward es endlich gewahr/ daß er von ihrer
speise nichts genossen. Darüm setzte sie ihn deswegen
zur rede. Josef antwortete: sie war mit dem tode
erfüllet. Gott hat es mir/ durch seinen Engel/ geoffen-
bahret. Und ich habe sie/ zur überzeugung ihrer boß-
heit/ aufgehoben. Ich habe sie bewahret; damit Sie/
durch dieselbe/ zur reue bewogen würde. Nun sol sie

sehen/

Der Aſſenat
ſo wil ich ihre boßheit offenbahren. Ich mus es tuhn
Mein gewiſſen dringet und zwinget mich darzu. Und
alſo muſte ſich Sefira vor dem Joſef fuͤrchten. Sie
durfte ihm in langer zeit nichts mehr von ihrer liebe ſa-
gen. Ach! ſprach ſie bei ſich ſelbſt/ hat mich dan Jo-
ſefs
ſchoͤnheit verwunden muͤſſen/ daß ſeine grauſam-
keit mich toͤdtete? Hat ihn dan der Himmel daruͤm mit
ſo fuͤrtreflichen Tugenden gezieret/ damit man ſeiner
Schoͤnheit nicht genieſſen koͤnte? Worzu dienet ein
ſchoͤner Apfel/ der zu eſſen verbohten? Zu nichts anders/
als daß er den mund waͤſſericht/ die zunge luͤſtern/ und
das hertz vol ſchmertzen machet. Ach weh mir! daß ich
ſo ungluͤklich geweſen den Joſef zu ſehen. Ach ich
angſtſeelige! wer wird mich noch aus dieſer angſt
erloͤſen? Ach ich armſeelige! wer wird ſich uͤber mich er-
barmen?

Weil nun Sefira ſich ihrer liebe gegen den Joſef
nicht kuͤhnlich mehr durfte verlauten laßen; ſo ſuchte
ſie ihn gleichwohl auf eine andere weiſe zu gewinnen.
Sie ſchikte ihm allerlei geſchenke. Alles/ was koͤſtlich
und ſchoͤn war/ muſte Joſef haben. Auch ſandte
ſie ihm die lieblichſten ſpeiſen. Aber ein Engel warnete
ihn/ darvon nicht zu eſſen. Dieſer reichte ihm ein meſ-
ſer in einer ſchuͤſſel zu. Daraus verſtund Joſef/ daß
man ſeiner ſeelen heimlich nachſtellete. Und daruͤm aß
er nichts von ihrer ſpeiſe. Er trunk nichts von ihrem
tranke. Dan beide waren mit Taturenſaamen/ ihn
verliebt zu machen/ vermiſcht.

Sefira ward es endlich gewahr/ daß er von ihrer
ſpeiſe nichts genoſſen. Daruͤm ſetzte ſie ihn deswegen
zur rede. Joſef antwortete: ſie war mit dem tode
erfuͤllet. Gott hat es mir/ durch ſeinen Engel/ geoffen-
bahret. Und ich habe ſie/ zur uͤberzeugung ihrer boß-
heit/ aufgehoben. Ich habe ſie bewahret; damit Sie/
durch dieſelbe/ zur reue bewogen wuͤrde. Nun ſol ſie

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[128/0152] Der Aſſenat ſo wil ich ihre boßheit offenbahren. Ich mus es tuhn Mein gewiſſen dringet und zwinget mich darzu. Und alſo muſte ſich Sefira vor dem Joſef fuͤrchten. Sie durfte ihm in langer zeit nichts mehr von ihrer liebe ſa- gen. Ach! ſprach ſie bei ſich ſelbſt/ hat mich dan Jo- ſefs ſchoͤnheit verwunden muͤſſen/ daß ſeine grauſam- keit mich toͤdtete? Hat ihn dan der Himmel daruͤm mit ſo fuͤrtreflichen Tugenden gezieret/ damit man ſeiner Schoͤnheit nicht genieſſen koͤnte? Worzu dienet ein ſchoͤner Apfel/ der zu eſſen verbohten? Zu nichts anders/ als daß er den mund waͤſſericht/ die zunge luͤſtern/ und das hertz vol ſchmertzen machet. Ach weh mir! daß ich ſo ungluͤklich geweſen den Joſef zu ſehen. Ach ich angſtſeelige! wer wird mich noch aus dieſer angſt erloͤſen? Ach ich armſeelige! wer wird ſich uͤber mich er- barmen? Weil nun Sefira ſich ihrer liebe gegen den Joſef nicht kuͤhnlich mehr durfte verlauten laßen; ſo ſuchte ſie ihn gleichwohl auf eine andere weiſe zu gewinnen. Sie ſchikte ihm allerlei geſchenke. Alles/ was koͤſtlich und ſchoͤn war/ muſte Joſef haben. Auch ſandte ſie ihm die lieblichſten ſpeiſen. Aber ein Engel warnete ihn/ darvon nicht zu eſſen. Dieſer reichte ihm ein meſ- ſer in einer ſchuͤſſel zu. Daraus verſtund Joſef/ daß man ſeiner ſeelen heimlich nachſtellete. Und daruͤm aß er nichts von ihrer ſpeiſe. Er trunk nichts von ihrem tranke. Dan beide waren mit Taturenſaamen/ ihn verliebt zu machen/ vermiſcht. Sefira ward es endlich gewahr/ daß er von ihrer ſpeiſe nichts genoſſen. Daruͤm ſetzte ſie ihn deswegen zur rede. Joſef antwortete: ſie war mit dem tode erfuͤllet. Gott hat es mir/ durch ſeinen Engel/ geoffen- bahret. Und ich habe ſie/ zur uͤberzeugung ihrer boß- heit/ aufgehoben. Ich habe ſie bewahret; damit Sie/ durch dieſelbe/ zur reue bewogen wuͤrde. Nun ſol ſie ſehen/

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Zitationshilfe: Zesen, Philipp von: Assenat. Amsterdam, 1670, S. 128. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zesen_assenat_1670/152>, abgerufen am 31.10.2024.