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Zesen, Philipp von: Assenat. Amsterdam, 1670.

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drittes Buch.
haar zu krümmen/ wofern es ihr Gott nicht zulesset.
Solte sich dan ihre Liebe in einen Zorn verändern; so
wisse sie/ daß mir solcher zorn lieber sein wird/ als diese
sündliche Liebe/ damit sie meine Keuschheit verfolget.
Ob sie mir auch schon das leben/ durch den allerschrök-
lichsten tod nehmen solte; so würde ich doch darbei ein
unbeflektes gewissen behalten. Ich würde froh sein/
daß ich meinem Herrn treulich gedienet; daß ich mich
an ihm/ durch besudelung seines ehbettes/ nicht vergrif-
fen. Im übrigen weis ich auch sehr wohl/ daß die Tu-
gend in der welt augen ein verächtliches nichtiges ding
ist. Aber darneben weis ich auch/ daß sie vor Gottes
augen üm so viel mehr in achtung kommet. Und ge-
setzt daß sie mir selbst/ in weltlichen dingen/ nichts nützen
solte; so nützet sie doch meinem Herrn/ weil sie mir ge-
bietet/ und mich antreibet ihm in allem getreu zu sein.
Und diese treue wil ich nicht kränken/ noch kränken las-
sen/ weil ich ahtemen kan. Ich wil meinem Gotte/
und nach ihm/ meinem Fürsten getreu verbleiben bis
in den tod. Davon sol mich weder freund/ noch feind ab
zu ziehen vermögen. Davon sol mich weder liebe/ noch
has/ noch etwas/ das in der gantzen welt ist/ abwendig
machen. Ja nichts sol meinen vorsatz/ meinen schlus
ändern. Dieser schlus stehet so fest/ daß ihn ihre ge-
dreuete rache nicht ümstoßen/ noch ihr allergrimmigster
zorn versetzen kan. Und dis ist das lied vom ende.

Weil nun Sefira sahe/ daß sie weder mit lieblen-
den/ noch dreuenden worten/ auch mit allen ihren liebes-
reitzenden gebehrden/ und allen ihren aufs anmuhtig-
ste ausgeschmükten schönheiten nicht das geringste ge-
winnen konte; so entschlos sie sich zu allerletzt den Jo-
sef
mit gewalt zu ihrem bösen vorsatze zu ziehen. Und
zu dem ende lies sie eine Zitrone vom bette fallen. Die-
se nahm Josef auf/ und reichte sie ihr zu. Aber sie er-
wischte ihn bei dem rokke/ ihn aufs bette zu ziehen.

Auch

drittes Buch.
haar zu kruͤmmen/ wofern es ihr Gott nicht zuleſſet.
Solte ſich dan ihre Liebe in einen Zorn veraͤndern; ſo
wiſſe ſie/ daß mir ſolcher zorn lieber ſein wird/ als dieſe
ſuͤndliche Liebe/ damit ſie meine Keuſchheit verfolget.
Ob ſie mir auch ſchon das leben/ durch den allerſchroͤk-
lichſten tod nehmen ſolte; ſo wuͤrde ich doch darbei ein
unbeflektes gewiſſen behalten. Ich wuͤrde froh ſein/
daß ich meinem Herꝛn treulich gedienet; daß ich mich
an ihm/ durch beſudelung ſeines ehbettes/ nicht vergrif-
fen. Im uͤbrigen weis ich auch ſehr wohl/ daß die Tu-
gend in der welt augen ein veraͤchtliches nichtiges ding
iſt. Aber darneben weis ich auch/ daß ſie vor Gottes
augen uͤm ſo viel mehr in achtung kommet. Und ge-
ſetzt daß ſie mir ſelbſt/ in weltlichen dingen/ nichts nuͤtzen
ſolte; ſo nuͤtzet ſie doch meinem Herꝛn/ weil ſie mir ge-
bietet/ und mich antreibet ihm in allem getreu zu ſein.
Und dieſe treue wil ich nicht kraͤnken/ noch kraͤnken las-
ſen/ weil ich ahtemen kan. Ich wil meinem Gotte/
und nach ihm/ meinem Fuͤrſten getreu verbleiben bis
in den tod. Davon ſol mich weder freund/ noch feind ab
zu ziehen vermoͤgen. Davon ſol mich weder liebe/ noch
has/ noch etwas/ das in der gantzen welt iſt/ abwendig
machen. Ja nichts ſol meinen vorſatz/ meinen ſchlus
aͤndern. Dieſer ſchlus ſtehet ſo feſt/ daß ihn ihre ge-
dreuete rache nicht uͤmſtoßen/ noch ihr allergrimmigſter
zorn verſetzen kan. Und dis iſt das lied vom ende.

Weil nun Sefira ſahe/ daß ſie weder mit lieblen-
den/ noch dreuenden worten/ auch mit allen ihren liebes-
reitzenden gebehrden/ und allen ihren aufs anmuhtig-
ſte ausgeſchmuͤkten ſchoͤnheiten nicht das geringſte ge-
winnen konte; ſo entſchlos ſie ſich zu allerletzt den Jo-
ſef
mit gewalt zu ihrem boͤſen vorſatze zu ziehen. Und
zu dem ende lies ſie eine Zitrone vom bette fallen. Die-
ſe nahm Joſef auf/ und reichte ſie ihr zu. Aber ſie er-
wiſchte ihn bei dem rokke/ ihn aufs bette zu ziehen.

Auch
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[139/0163] drittes Buch. haar zu kruͤmmen/ wofern es ihr Gott nicht zuleſſet. Solte ſich dan ihre Liebe in einen Zorn veraͤndern; ſo wiſſe ſie/ daß mir ſolcher zorn lieber ſein wird/ als dieſe ſuͤndliche Liebe/ damit ſie meine Keuſchheit verfolget. Ob ſie mir auch ſchon das leben/ durch den allerſchroͤk- lichſten tod nehmen ſolte; ſo wuͤrde ich doch darbei ein unbeflektes gewiſſen behalten. Ich wuͤrde froh ſein/ daß ich meinem Herꝛn treulich gedienet; daß ich mich an ihm/ durch beſudelung ſeines ehbettes/ nicht vergrif- fen. Im uͤbrigen weis ich auch ſehr wohl/ daß die Tu- gend in der welt augen ein veraͤchtliches nichtiges ding iſt. Aber darneben weis ich auch/ daß ſie vor Gottes augen uͤm ſo viel mehr in achtung kommet. Und ge- ſetzt daß ſie mir ſelbſt/ in weltlichen dingen/ nichts nuͤtzen ſolte; ſo nuͤtzet ſie doch meinem Herꝛn/ weil ſie mir ge- bietet/ und mich antreibet ihm in allem getreu zu ſein. Und dieſe treue wil ich nicht kraͤnken/ noch kraͤnken las- ſen/ weil ich ahtemen kan. Ich wil meinem Gotte/ und nach ihm/ meinem Fuͤrſten getreu verbleiben bis in den tod. Davon ſol mich weder freund/ noch feind ab zu ziehen vermoͤgen. Davon ſol mich weder liebe/ noch has/ noch etwas/ das in der gantzen welt iſt/ abwendig machen. Ja nichts ſol meinen vorſatz/ meinen ſchlus aͤndern. Dieſer ſchlus ſtehet ſo feſt/ daß ihn ihre ge- dreuete rache nicht uͤmſtoßen/ noch ihr allergrimmigſter zorn verſetzen kan. Und dis iſt das lied vom ende. Weil nun Sefira ſahe/ daß ſie weder mit lieblen- den/ noch dreuenden worten/ auch mit allen ihren liebes- reitzenden gebehrden/ und allen ihren aufs anmuhtig- ſte ausgeſchmuͤkten ſchoͤnheiten nicht das geringſte ge- winnen konte; ſo entſchlos ſie ſich zu allerletzt den Jo- ſef mit gewalt zu ihrem boͤſen vorſatze zu ziehen. Und zu dem ende lies ſie eine Zitrone vom bette fallen. Die- ſe nahm Joſef auf/ und reichte ſie ihr zu. Aber ſie er- wiſchte ihn bei dem rokke/ ihn aufs bette zu ziehen. Auch

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Zitationshilfe: Zesen, Philipp von: Assenat. Amsterdam, 1670, S. 139. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zesen_assenat_1670/163>, abgerufen am 01.11.2024.