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Zesen, Philipp von: Assenat. Amsterdam, 1670.

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Der Assenat
Der Assenat
Vierdes Buch.

ASsenat hatte inzwischen fast al-
les erfahren/ was sich mit dem schönen
Leibeignen begeben. Sie wuste/ daß ihn
ihr Vater von den Ismaelern gekauft.
Sie wuste/ daß er ihm fast zehen jahr ge-
dienet. Sie wuste/ daß ihn Potifar über sein gantzes
Haus gesetzet; daß er ihm alles das seinige anvertrauet:
daß er/ durch Josefs getreuen fleis und fürtreflichen
verstand im haushalten/ an reichtühmern über alle
maße zugenommen. Ja ihr war unverborgen/ daß ihr
Vater ihn deswegen überaus geliebet/ und anders
nicht gehalten/ als seinen leiblichen Sohn. Auch war
ihr aus Potifars eigenem schreiben/ und aus seinem
munde selbst bekant/ wie hoch er ihn iederzeit gepriesen.
Darüm konte sie ihr nicht einbilden/ woher sich das blat
so gar plötzlich ümgekehret. Sie konte nicht begreiffen/
woher es kähme/ daß Potifar ihn in das gefängnüs ge-
worfen: davon der ruf schon zu Heliopel erschollen.
Ihre verwunderung über eine so uhrplötzkiche verände-
rung zwang sie nach zu forschen. Sie vernahm ein ge-
mummel unter dem volke/ daß Josef unschuldig sei.
Und dieses verursachte sie noch mehr die wahrheit zu
ergründen. Man wolte damit nicht recht heraus. Man
redete in der stille darvon. Und einer sagte dis/ der an-
dere das. Endlich bekahm sie ein schreiben von der Kö-
niglichen Fürstin. Diese schrieb zwar anders nichts/
als daß ihr Vater den Schönen Leibeigenen in haft be-
stellet; weil ihre Stiefmutter ihn bezüchtiget/ er hette

ihr
Der Aſſenat
Der Aſſenat
Vierdes Buch.

ASſenat hatte inzwiſchen faſt al-
les erfahren/ was ſich mit dem ſchoͤnen
Leibeignen begeben. Sie wuſte/ daß ihn
ihr Vater von den Ismaelern gekauft.
Sie wuſte/ daß er ihm faſt zehen jahr ge-
dienet. Sie wuſte/ daß ihn Potifar uͤber ſein gantzes
Haus geſetzet; daß er ihm alles das ſeinige anvertrauet:
daß er/ durch Joſefs getreuen fleis und fuͤrtreflichen
verſtand im haushalten/ an reichtuͤhmern uͤber alle
maße zugenommen. Ja ihr war unverborgen/ daß ihr
Vater ihn deswegen uͤberaus geliebet/ und anders
nicht gehalten/ als ſeinen leiblichen Sohn. Auch war
ihr aus Potifars eigenem ſchreiben/ und aus ſeinem
munde ſelbſt bekant/ wie hoch er ihn iederzeit geprieſen.
Daruͤm konte ſie ihr nicht einbilden/ woher ſich das blat
ſo gar ploͤtzlich uͤmgekehret. Sie konte nicht begreiffen/
woher es kaͤhme/ daß Potifar ihn in das gefaͤngnuͤs ge-
worfen: davon der ruf ſchon zu Heliopel erſchollen.
Ihre verwunderung uͤber eine ſo uhrploͤtzkiche veraͤnde-
rung zwang ſie nach zu forſchen. Sie vernahm ein ge-
mummel unter dem volke/ daß Joſef unſchuldig ſei.
Und dieſes verurſachte ſie noch mehr die wahrheit zu
ergruͤnden. Man wolte damit nicht recht heraus. Man
redete in der ſtille darvon. Und einer ſagte dis/ der an-
dere das. Endlich bekahm ſie ein ſchreiben von der Koͤ-
niglichen Fuͤrſtin. Dieſe ſchrieb zwar anders nichts/
als daß ihr Vater den Schoͤnen Leibeigenen in haft be-
ſtellet; weil ihre Stiefmutter ihn bezuͤchtiget/ er hette

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[144/0168] Der Aſſenat Der Aſſenat Vierdes Buch. ASſenat hatte inzwiſchen faſt al- les erfahren/ was ſich mit dem ſchoͤnen Leibeignen begeben. Sie wuſte/ daß ihn ihr Vater von den Ismaelern gekauft. Sie wuſte/ daß er ihm faſt zehen jahr ge- dienet. Sie wuſte/ daß ihn Potifar uͤber ſein gantzes Haus geſetzet; daß er ihm alles das ſeinige anvertrauet: daß er/ durch Joſefs getreuen fleis und fuͤrtreflichen verſtand im haushalten/ an reichtuͤhmern uͤber alle maße zugenommen. Ja ihr war unverborgen/ daß ihr Vater ihn deswegen uͤberaus geliebet/ und anders nicht gehalten/ als ſeinen leiblichen Sohn. Auch war ihr aus Potifars eigenem ſchreiben/ und aus ſeinem munde ſelbſt bekant/ wie hoch er ihn iederzeit geprieſen. Daruͤm konte ſie ihr nicht einbilden/ woher ſich das blat ſo gar ploͤtzlich uͤmgekehret. Sie konte nicht begreiffen/ woher es kaͤhme/ daß Potifar ihn in das gefaͤngnuͤs ge- worfen: davon der ruf ſchon zu Heliopel erſchollen. Ihre verwunderung uͤber eine ſo uhrploͤtzkiche veraͤnde- rung zwang ſie nach zu forſchen. Sie vernahm ein ge- mummel unter dem volke/ daß Joſef unſchuldig ſei. Und dieſes verurſachte ſie noch mehr die wahrheit zu ergruͤnden. Man wolte damit nicht recht heraus. Man redete in der ſtille darvon. Und einer ſagte dis/ der an- dere das. Endlich bekahm ſie ein ſchreiben von der Koͤ- niglichen Fuͤrſtin. Dieſe ſchrieb zwar anders nichts/ als daß ihr Vater den Schoͤnen Leibeigenen in haft be- ſtellet; weil ihre Stiefmutter ihn bezuͤchtiget/ er hette ihr

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Zitationshilfe: Zesen, Philipp von: Assenat. Amsterdam, 1670, S. 144. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zesen_assenat_1670/168>, abgerufen am 31.10.2024.