Zöckler, Otto: Die Lehre vom Urstand des Menschen. Gütersloh, 1879.IX. Das Alter des Menschengeschlechts. der frühesten Nilthalbewohner (Nr. VI z. Anf.), werden nur ebengemuthmaaßt; mag die Thatsächlichkeit einer einstigen noch vor- metallischen Culturepoche für dieselben vielleicht als monumental erwiesen gelten können, so ist doch die enorme Länge, welche man dieser Epoche gern beilegen möchte, nichts als vage Vermuthung. Und weniger noch als die solchen modernen Hypothesen zulieb statuirten Jahrtausende oder Jahrzehntausende, dürfen die mythischen Götter- oder Halbgötterjahre priesterlicher Chronisten aus alexan- drinischer Zeit dem nach wissenschaftlichen Grundsätzen verfahrenden Geschichtsforscher imponiren. Hätte eine jener Ziffern mittleren Werthes für die Zeit des Menes, etwa die 3892 Jahre nach Lepsius, Anspruch auf eine gewisse historische Geltung, oder könnte jene Oppertsche Zahl 2517 für den wirklichen ungefähren Anfangspunkt der babylonischen Geschichte gelten: so müßte allerdings ein Zurück- reichen der Erinnerung dieser Völker bis jenseits des biblischen Datums der Sintfluth angenommen werden. Aber bei der bekannten weiten Verbreitung nationaler Erinnerungen an die große Fluth selbst hat ein solches Zurückgreifen bestimmterer und mehr als rein- mythischer Traditionen bis über diese Katastrophe hinaus ganz und gar nichts Auffälliges, zumal nicht bei Völkern, welche die Genesis bestimmt genug als Nachkommen Hams charakterisirt. Es fragt sich obendrein, ob eine derartige allvertilgende Universalität der Fluth, wodurch die Continuität geschichtlicher Entwicklung unbedingt für alle Völker der Erde mit alleiniger Ausnahme des Noachidenge- schlechts durchschnitten worden wäre, nothwendig behauptet werden muß. Kann der Annahme eines nur partikulären Charakters jenes Vertilgunsgerichts auch von schriftgläubiger Seite her nichts Gegrün- detes entgegengestellt werden, da zur hyperbolischen Fassung solcher Ausdrücke wie "alle Berge," "alle Thiere" etc. (Gen. 7, 20 ff.) der exegetischen Parallelen gar manche sich beibringen lassen, so sieht man nicht ein, warum ein Entnommenbleiben auch einzelner vorsint- fluthlicher Zweige des Menschengeschlechts (trotz 1 Petr. 3, 20 und 2 Petr. 2, 5) von den zerstörenden Wirkungen der Gewässer als IX. Das Alter des Menſchengeſchlechts. der früheſten Nilthalbewohner (Nr. VI z. Anf.), werden nur ebengemuthmaaßt; mag die Thatſächlichkeit einer einſtigen noch vor- metalliſchen Culturepoche für dieſelben vielleicht als monumental erwieſen gelten können, ſo iſt doch die enorme Länge, welche man dieſer Epoche gern beilegen möchte, nichts als vage Vermuthung. Und weniger noch als die ſolchen modernen Hypotheſen zulieb ſtatuirten Jahrtauſende oder Jahrzehntauſende, dürfen die mythiſchen Götter- oder Halbgötterjahre prieſterlicher Chroniſten aus alexan- driniſcher Zeit dem nach wiſſenſchaftlichen Grundſätzen verfahrenden Geſchichtsforſcher imponiren. Hätte eine jener Ziffern mittleren Werthes für die Zeit des Menes, etwa die 3892 Jahre nach Lepſius, Anſpruch auf eine gewiſſe hiſtoriſche Geltung, oder könnte jene Oppertſche Zahl 2517 für den wirklichen ungefähren Anfangspunkt der babyloniſchen Geſchichte gelten: ſo müßte allerdings ein Zurück- reichen der Erinnerung dieſer Völker bis jenſeits des bibliſchen Datums der Sintfluth angenommen werden. Aber bei der bekannten weiten Verbreitung nationaler Erinnerungen an die große Fluth ſelbſt hat ein ſolches Zurückgreifen beſtimmterer und mehr als rein- mythiſcher Traditionen bis über dieſe Kataſtrophe hinaus ganz und gar nichts Auffälliges, zumal nicht bei Völkern, welche die Geneſis beſtimmt genug als Nachkommen Hams charakteriſirt. Es fragt ſich obendrein, ob eine derartige allvertilgende Univerſalität der Fluth, wodurch die Continuität geſchichtlicher Entwicklung unbedingt für alle Völker der Erde mit alleiniger Ausnahme des Noachidenge- ſchlechts durchſchnitten worden wäre, nothwendig behauptet werden muß. Kann der Annahme eines nur partikulären Charakters jenes Vertilgunsgerichts auch von ſchriftgläubiger Seite her nichts Gegrün- detes entgegengeſtellt werden, da zur hyperboliſchen Faſſung ſolcher Ausdrücke wie „alle Berge,‟ „alle Thiere‟ ꝛc. (Gen. 7, 20 ff.) der exegetiſchen Parallelen gar manche ſich beibringen laſſen, ſo ſieht man nicht ein, warum ein Entnommenbleiben auch einzelner vorſint- fluthlicher Zweige des Menſchengeſchlechts (trotz 1 Petr. 3, 20 und 2 Petr. 2, 5) von den zerſtörenden Wirkungen der Gewäſſer als <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0308" n="298"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq">IX.</hi> Das Alter des Menſchengeſchlechts.</fw><lb/> der früheſten Nilthalbewohner (Nr. <hi rendition="#aq">VI</hi> z. 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IX. Das Alter des Menſchengeſchlechts.
der früheſten Nilthalbewohner (Nr. VI z. Anf.), werden nur eben
gemuthmaaßt; mag die Thatſächlichkeit einer einſtigen noch vor-
metalliſchen Culturepoche für dieſelben vielleicht als monumental
erwieſen gelten können, ſo iſt doch die enorme Länge, welche man
dieſer Epoche gern beilegen möchte, nichts als vage Vermuthung.
Und weniger noch als die ſolchen modernen Hypotheſen zulieb
ſtatuirten Jahrtauſende oder Jahrzehntauſende, dürfen die mythiſchen
Götter- oder Halbgötterjahre prieſterlicher Chroniſten aus alexan-
driniſcher Zeit dem nach wiſſenſchaftlichen Grundſätzen verfahrenden
Geſchichtsforſcher imponiren. Hätte eine jener Ziffern mittleren
Werthes für die Zeit des Menes, etwa die 3892 Jahre nach Lepſius,
Anſpruch auf eine gewiſſe hiſtoriſche Geltung, oder könnte jene
Oppertſche Zahl 2517 für den wirklichen ungefähren Anfangspunkt
der babyloniſchen Geſchichte gelten: ſo müßte allerdings ein Zurück-
reichen der Erinnerung dieſer Völker bis jenſeits des bibliſchen
Datums der Sintfluth angenommen werden. Aber bei der bekannten
weiten Verbreitung nationaler Erinnerungen an die große Fluth
ſelbſt hat ein ſolches Zurückgreifen beſtimmterer und mehr als rein-
mythiſcher Traditionen bis über dieſe Kataſtrophe hinaus ganz und
gar nichts Auffälliges, zumal nicht bei Völkern, welche die Geneſis
beſtimmt genug als Nachkommen Hams charakteriſirt. Es fragt
ſich obendrein, ob eine derartige allvertilgende Univerſalität der Fluth,
wodurch die Continuität geſchichtlicher Entwicklung unbedingt für
alle Völker der Erde mit alleiniger Ausnahme des Noachidenge-
ſchlechts durchſchnitten worden wäre, nothwendig behauptet werden
muß. Kann der Annahme eines nur partikulären Charakters jenes
Vertilgunsgerichts auch von ſchriftgläubiger Seite her nichts Gegrün-
detes entgegengeſtellt werden, da zur hyperboliſchen Faſſung ſolcher
Ausdrücke wie „alle Berge,‟ „alle Thiere‟ ꝛc. (Gen. 7, 20 ff.)
der exegetiſchen Parallelen gar manche ſich beibringen laſſen, ſo ſieht
man nicht ein, warum ein Entnommenbleiben auch einzelner vorſint-
fluthlicher Zweige des Menſchengeſchlechts (trotz 1 Petr. 3, 20 und
2 Petr. 2, 5) von den zerſtörenden Wirkungen der Gewäſſer als
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