Zöckler, Otto: Die Lehre vom Urstand des Menschen. Gütersloh, 1879.IX. Das Alter des Menschengeschlechts. Gesammtheit auch nicht unter hunderttausend Jahren zu schätzen sein.Folgt daraus schon sofort, daß der Abschluß dieser Periode bereits Myriaden von Jahren hinter uns liegt? Wir glauben die Be- rechtigung der Geologie zum Dictiren fester Ziffern, welche die Länge dieser oder irgendwelcher früherer Erdbildungsepochen ausdrücken sollen, schon principiell negiren zu dürfen. Wir bestreiten ihre Competenz zum Fällen rechtskräftiger Urtheile über urzeitliche chronologische Fragen. Als einziges Mittel zur Zeitbestimmung bietet dem Geologen Zöckler, Urstand. 20
IX. Das Alter des Menſchengeſchlechts. Geſammtheit auch nicht unter hunderttauſend Jahren zu ſchätzen ſein.Folgt daraus ſchon ſofort, daß der Abſchluß dieſer Periode bereits Myriaden von Jahren hinter uns liegt? Wir glauben die Be- rechtigung der Geologie zum Dictiren feſter Ziffern, welche die Länge dieſer oder irgendwelcher früherer Erdbildungsepochen ausdrücken ſollen, ſchon principiell negiren zu dürfen. Wir beſtreiten ihre Competenz zum Fällen rechtskräftiger Urtheile über urzeitliche chronologiſche Fragen. Als einziges Mittel zur Zeitbeſtimmung bietet dem Geologen Zöckler, Urſtand. 20
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IX. Das Alter des Menſchengeſchlechts.
Geſammtheit auch nicht unter hunderttauſend Jahren zu ſchätzen ſein.
Folgt daraus ſchon ſofort, daß der Abſchluß dieſer Periode bereits
Myriaden von Jahren hinter uns liegt? Wir glauben die Be-
rechtigung der Geologie zum Dictiren feſter Ziffern, welche die Länge
dieſer oder irgendwelcher früherer Erdbildungsepochen ausdrücken
ſollen, ſchon principiell negiren zu dürfen. Wir beſtreiten ihre
Competenz zum Fällen rechtskräftiger Urtheile über urzeitliche
chronologiſche Fragen.
Als einziges Mittel zur Zeitbeſtimmung bietet dem Geologen
die Analogie der heute an der Erdoberfläche vor ſich gehenden Ver-
änderungen, insbeſondere der durch vulkaniſche Kräfte ſowie der durch
Eroſionswirkungen und Niederſchläge des Waſſers von Meeren,
Seen und Flüſſen geſchehenden, ſich dar. Aber das ganze Gebiet
dieſer Analogiebeweiſe leidet an Unzuverläſſigkeiten und trügeriſchen
Scheinphänomenen der ärgſten Art. Was für etliche Jahrzehnte
Geſetz geweſen, wird durch dieſe oder jene plötzlich eintretende Störung
durchbrochen und über den Haufen geworfen. Es gibt keinen un-
abänderlich feſten Zeitmeſſer, weder für Tropfſteinbildungen in Höhlen,
noch für Kalkſinter-Ablagerungen außerhalb ſolcher; weder für das
Anſetzen von Jahresringen der Bäume, noch für Torf-, Braunkohlen-
oder Steinkohlenbildungen. Scheint die Verwandlung abgeſtorbener
und verſunkener Vegetabilien in Kohle dermalen gewiſſe längere
Zeiträume zu erfordern, ſo muß bei einigem Nachdenken es ſich doch
als ganz und gar unthunlich herausſtellen, von ſolchen Vorgängen
der Gegenwart aus irgendwelche chronologiſche Rückſchlüſſe auf die
Kohlenbildungsproceſſe der Urzeit zu machen. Daß an den Stein-
kohlenbildungen der Flözformation eine weit höhere Temperatur als
die jetzt auf der Erde herrſchende ſowie eine an Kohlenſäure reichere
Zuſammenſetzung der Atmoſphäre Antheil gehabt haben muß, kann
nicht dem geringſten Zweifel unterliegen. Die Ergebniſſe der be-
kannten Verſuche Göpperts in Breslau, der durch Waſſerdämpfe
und hochgradig erhitztes Waſſer verſchiedne vegetabiliſche Stoffe binnen
zwei Jahren in Braunkohle und binnen ſechs Jahren in glänzend
Zöckler, Urſtand. 20
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