Zschokke, Heinrich: Der todte Gast. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 11. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. [59]–219. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.soll gehen, dir zum Trotz, ich befehl' es. -- Tanzschuhe, Seidenstrümpfe, feine Schnupftücher, Spitzen u. s. w., Alles aufs Kostbarste, ward angekauft. Wie aber der Balltag kam und aus der Sache Ernst ward, schnürte Christian sein Bündel und trat vollkommen reisefertig herein und sprach: Gehst du, so geh' ich auch, und wir sind auf ewig geschiedene Leute. Henriette erblaßte. Der Alte, der schon vorher heftig mit Christian gezankt hatte, sprach: Packe dich, wenn du willst. Ich will doch sehen, wer von uns hier Meister ist! Henriette bekommt noch alle Tage einen Mann, zehnmal besser, als du bist. -- Aber Henriette weinte. Da trat ein Bedienter des Grafen Altenkreuz mit einer Schachtel herein, die er im Namen seines Herrn abgab. Sie enthielt, sagte er, noch einige Kleinigkeiten zum Anzuge der Jungfer Vogel. Es war ein kostbarer Schleier; es waren prächtige Rollen breiten Seidenbandes; es war eine zierliche Korallenschnur zum Halsbande; es waren zwei Brillantringe. Henriette sah seitwärts nach den Herrlichkeiten, die der Vater hervorzog, und durch ihre Thränen funkelten die Diamanten der Ringe noch sonnenhafter in allen Farben. Sie wankte zwischen Eitelkeit und Liebe. Und du gehst nicht! rief Christian. Und ich gehe! sagte Henriette mit stolzer Entschlossenheit: du bist nicht werth, daß ich so viel um dich weine; du bist nicht werth, daß ich dich so lieb habe. Denn nun sehe ich deutlich, daß du mir so viel soll gehen, dir zum Trotz, ich befehl' es. — Tanzschuhe, Seidenstrümpfe, feine Schnupftücher, Spitzen u. s. w., Alles aufs Kostbarste, ward angekauft. Wie aber der Balltag kam und aus der Sache Ernst ward, schnürte Christian sein Bündel und trat vollkommen reisefertig herein und sprach: Gehst du, so geh' ich auch, und wir sind auf ewig geschiedene Leute. Henriette erblaßte. Der Alte, der schon vorher heftig mit Christian gezankt hatte, sprach: Packe dich, wenn du willst. Ich will doch sehen, wer von uns hier Meister ist! Henriette bekommt noch alle Tage einen Mann, zehnmal besser, als du bist. — Aber Henriette weinte. Da trat ein Bedienter des Grafen Altenkreuz mit einer Schachtel herein, die er im Namen seines Herrn abgab. Sie enthielt, sagte er, noch einige Kleinigkeiten zum Anzuge der Jungfer Vogel. Es war ein kostbarer Schleier; es waren prächtige Rollen breiten Seidenbandes; es war eine zierliche Korallenschnur zum Halsbande; es waren zwei Brillantringe. Henriette sah seitwärts nach den Herrlichkeiten, die der Vater hervorzog, und durch ihre Thränen funkelten die Diamanten der Ringe noch sonnenhafter in allen Farben. Sie wankte zwischen Eitelkeit und Liebe. Und du gehst nicht! rief Christian. Und ich gehe! sagte Henriette mit stolzer Entschlossenheit: du bist nicht werth, daß ich so viel um dich weine; du bist nicht werth, daß ich dich so lieb habe. Denn nun sehe ich deutlich, daß du mir so viel <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="10"> <p><pb facs="#f0086"/> soll gehen, dir zum Trotz, ich befehl' es. — Tanzschuhe, Seidenstrümpfe, feine Schnupftücher, Spitzen u. s. w., Alles aufs Kostbarste, ward angekauft.</p><lb/> <p>Wie aber der Balltag kam und aus der Sache Ernst ward, schnürte Christian sein Bündel und trat vollkommen reisefertig herein und sprach: Gehst du, so geh' ich auch, und wir sind auf ewig geschiedene Leute. Henriette erblaßte. Der Alte, der schon vorher heftig mit Christian gezankt hatte, sprach: Packe dich, wenn du willst. Ich will doch sehen, wer von uns hier Meister ist! Henriette bekommt noch alle Tage einen Mann, zehnmal besser, als du bist. — Aber Henriette weinte. Da trat ein Bedienter des Grafen Altenkreuz mit einer Schachtel herein, die er im Namen seines Herrn abgab. Sie enthielt, sagte er, noch einige Kleinigkeiten zum Anzuge der Jungfer Vogel. Es war ein kostbarer Schleier; es waren prächtige Rollen breiten Seidenbandes; es war eine zierliche Korallenschnur zum Halsbande; es waren zwei Brillantringe. Henriette sah seitwärts nach den Herrlichkeiten, die der Vater hervorzog, und durch ihre Thränen funkelten die Diamanten der Ringe noch sonnenhafter in allen Farben. Sie wankte zwischen Eitelkeit und Liebe.</p><lb/> <p>Und du gehst nicht! rief Christian.</p><lb/> <p>Und ich gehe! sagte Henriette mit stolzer Entschlossenheit: du bist nicht werth, daß ich so viel um dich weine; du bist nicht werth, daß ich dich so lieb habe. Denn nun sehe ich deutlich, daß du mir so viel<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0086]
soll gehen, dir zum Trotz, ich befehl' es. — Tanzschuhe, Seidenstrümpfe, feine Schnupftücher, Spitzen u. s. w., Alles aufs Kostbarste, ward angekauft.
Wie aber der Balltag kam und aus der Sache Ernst ward, schnürte Christian sein Bündel und trat vollkommen reisefertig herein und sprach: Gehst du, so geh' ich auch, und wir sind auf ewig geschiedene Leute. Henriette erblaßte. Der Alte, der schon vorher heftig mit Christian gezankt hatte, sprach: Packe dich, wenn du willst. Ich will doch sehen, wer von uns hier Meister ist! Henriette bekommt noch alle Tage einen Mann, zehnmal besser, als du bist. — Aber Henriette weinte. Da trat ein Bedienter des Grafen Altenkreuz mit einer Schachtel herein, die er im Namen seines Herrn abgab. Sie enthielt, sagte er, noch einige Kleinigkeiten zum Anzuge der Jungfer Vogel. Es war ein kostbarer Schleier; es waren prächtige Rollen breiten Seidenbandes; es war eine zierliche Korallenschnur zum Halsbande; es waren zwei Brillantringe. Henriette sah seitwärts nach den Herrlichkeiten, die der Vater hervorzog, und durch ihre Thränen funkelten die Diamanten der Ringe noch sonnenhafter in allen Farben. Sie wankte zwischen Eitelkeit und Liebe.
Und du gehst nicht! rief Christian.
Und ich gehe! sagte Henriette mit stolzer Entschlossenheit: du bist nicht werth, daß ich so viel um dich weine; du bist nicht werth, daß ich dich so lieb habe. Denn nun sehe ich deutlich, daß du mir so viel
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Zitationshilfe: | Zschokke, Heinrich: Der todte Gast. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 11. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. [59]–219. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zschokke_gast_1910/86>, abgerufen am 13.06.2024. |