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Baumstark, Eduard: Kameralistische Encyclopädie. Heidelberg u. a., 1835.

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Klugheitsgesetze abgeleiteten, Regeln. Das Gesinde ist
von doppelter Art, nämlich freies oder Zwangsgesinde. Dieses
Leztere ist entweder grundherrliches oder oberherrliches Zwangs-
gesinde (Leibeigene und Sklaven) und leistet häusliche Dienste ent-
weder ganz ohne Belohnung oder gegen einen kleineren als den
gewöhnlichen Lohn. Allein a) die Leibeigenschaft und Skla-
verei ist gleich sehr vom Rechts- und Moralgesetze verboten; aber
auch die wirthschaftliche Klugheit kann sich aus allgemeinen Grün-
den damit nicht vertragen, ganz abgesehen davon, daß die Wirth-
schaft unter dem Rechts- und Moralgesetze steht. Denn die geringe
Geistesbildung, der Hang zur Unsittlichkeit, die Mittelmäßigkeit
und Schlechtigkeit der erzwungenen Arbeit 1), die geringere Quan-
tität von geleisteter Arbeit bei gleichem Personale im Vergleiche
mit freiem Gesinde, die feindliche Stellung der Leibeigenen und
Sklaven gegen den Herrn, die daher und von schlechter Behand-
lung herrührende Neigung zu Veruntreuungen, die Verluste der
Herrn bei eintretenden Krankheiten unter den Sklaven sind wirth-
schaftliche Mängel, welche durch die scheinbar geringe Unterhal-
tungskosten der Sklaven und Leibeigenen nicht aufgewogen werden2).
Das civilisirte Europa kennt diese Barbarei nicht mehr und hat
den Ruhm ihrer gänzlichen Vertilgung. Dagegen findet man
allenthalben auf Landgütern noch b) grundherrliches Zwangs-
gesinde, auch wo die Leibeigenschaft bereits verschwunden ist.
Die Arbeit desselben steht in dem (in der Note 1.) bemerkten
Verhältnisse zum freien Dienste, dessen Behandlung aber ist gleich
jener des freien Gesindes. Bei der Behandlung c) des freien
Gesindes
wird man unter beständiger Vorstellung seiner drücken-
den Lage sich nie zu Ungebührlichkeiten, despotischer Strenge und
Mißhandlung verleiten lassen; doch aber schützt vor dem entgegen-
gesetzten Aeußersten die Wahrheit, daß seine Gefühlsweise blos
seiner Bildung angemessen ist, und die Erfahrung von den vielen
bösen und unerträglichen Eigenschaften mancher Gesindepersonen;
jede Gesindeperson ist oft nach ihrer besonderen Eigenthümlichkeit
zu beurtheilen und zu behandeln; mit Milde und Mäßigung ist auch
bei Ungebildeten mehr auszurichten als mit übermäßiger Strenge,
und das Vergönnen kleiner besonders volksthümlicher Vergnügungen
macht sie auf längere Zeit bieg- und arbeitsamer; die freudig oder
auch nur willig gethane Arbeit gedeiht besser als die mit Unwillen
und Ueberdruß vollführte; angemessene Strenge, gut angebrachter
Tadel, Aufsicht, Ermunterung und Beispiel von Seiten der Herr-
schaften wird die Zucht, Ordnung, Tüchtigkeit und Arbeitsamkeit
erhalten; alles dies ist aber ohne Erfolg, wenn dem Gesinde nicht

Klugheitsgeſetze abgeleiteten, Regeln. Das Geſinde iſt
von doppelter Art, nämlich freies oder Zwangsgeſinde. Dieſes
Leztere iſt entweder grundherrliches oder oberherrliches Zwangs-
geſinde (Leibeigene und Sklaven) und leiſtet häusliche Dienſte ent-
weder ganz ohne Belohnung oder gegen einen kleineren als den
gewöhnlichen Lohn. Allein a) die Leibeigenſchaft und Skla-
verei iſt gleich ſehr vom Rechts- und Moralgeſetze verboten; aber
auch die wirthſchaftliche Klugheit kann ſich aus allgemeinen Grün-
den damit nicht vertragen, ganz abgeſehen davon, daß die Wirth-
ſchaft unter dem Rechts- und Moralgeſetze ſteht. Denn die geringe
Geiſtesbildung, der Hang zur Unſittlichkeit, die Mittelmäßigkeit
und Schlechtigkeit der erzwungenen Arbeit 1), die geringere Quan-
tität von geleiſteter Arbeit bei gleichem Perſonale im Vergleiche
mit freiem Geſinde, die feindliche Stellung der Leibeigenen und
Sklaven gegen den Herrn, die daher und von ſchlechter Behand-
lung herrührende Neigung zu Veruntreuungen, die Verluſte der
Herrn bei eintretenden Krankheiten unter den Sklaven ſind wirth-
ſchaftliche Mängel, welche durch die ſcheinbar geringe Unterhal-
tungskoſten der Sklaven und Leibeigenen nicht aufgewogen werden2).
Das civiliſirte Europa kennt dieſe Barbarei nicht mehr und hat
den Ruhm ihrer gänzlichen Vertilgung. Dagegen findet man
allenthalben auf Landgütern noch b) grundherrliches Zwangs-
geſinde, auch wo die Leibeigenſchaft bereits verſchwunden iſt.
Die Arbeit deſſelben ſteht in dem (in der Note 1.) bemerkten
Verhältniſſe zum freien Dienſte, deſſen Behandlung aber iſt gleich
jener des freien Geſindes. Bei der Behandlung c) des freien
Geſindes
wird man unter beſtändiger Vorſtellung ſeiner drücken-
den Lage ſich nie zu Ungebührlichkeiten, deſpotiſcher Strenge und
Mißhandlung verleiten laſſen; doch aber ſchützt vor dem entgegen-
geſetzten Aeußerſten die Wahrheit, daß ſeine Gefühlsweiſe blos
ſeiner Bildung angemeſſen iſt, und die Erfahrung von den vielen
böſen und unerträglichen Eigenſchaften mancher Geſindeperſonen;
jede Geſindeperſon iſt oft nach ihrer beſonderen Eigenthümlichkeit
zu beurtheilen und zu behandeln; mit Milde und Mäßigung iſt auch
bei Ungebildeten mehr auszurichten als mit übermäßiger Strenge,
und das Vergönnen kleiner beſonders volksthümlicher Vergnügungen
macht ſie auf längere Zeit bieg- und arbeitſamer; die freudig oder
auch nur willig gethane Arbeit gedeiht beſſer als die mit Unwillen
und Ueberdruß vollführte; angemeſſene Strenge, gut angebrachter
Tadel, Aufſicht, Ermunterung und Beiſpiel von Seiten der Herr-
ſchaften wird die Zucht, Ordnung, Tüchtigkeit und Arbeitſamkeit
erhalten; alles dies iſt aber ohne Erfolg, wenn dem Geſinde nicht

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[90/0112] Klugheitsgeſetze abgeleiteten, Regeln. Das Geſinde iſt von doppelter Art, nämlich freies oder Zwangsgeſinde. Dieſes Leztere iſt entweder grundherrliches oder oberherrliches Zwangs- geſinde (Leibeigene und Sklaven) und leiſtet häusliche Dienſte ent- weder ganz ohne Belohnung oder gegen einen kleineren als den gewöhnlichen Lohn. Allein a) die Leibeigenſchaft und Skla- verei iſt gleich ſehr vom Rechts- und Moralgeſetze verboten; aber auch die wirthſchaftliche Klugheit kann ſich aus allgemeinen Grün- den damit nicht vertragen, ganz abgeſehen davon, daß die Wirth- ſchaft unter dem Rechts- und Moralgeſetze ſteht. Denn die geringe Geiſtesbildung, der Hang zur Unſittlichkeit, die Mittelmäßigkeit und Schlechtigkeit der erzwungenen Arbeit 1), die geringere Quan- tität von geleiſteter Arbeit bei gleichem Perſonale im Vergleiche mit freiem Geſinde, die feindliche Stellung der Leibeigenen und Sklaven gegen den Herrn, die daher und von ſchlechter Behand- lung herrührende Neigung zu Veruntreuungen, die Verluſte der Herrn bei eintretenden Krankheiten unter den Sklaven ſind wirth- ſchaftliche Mängel, welche durch die ſcheinbar geringe Unterhal- tungskoſten der Sklaven und Leibeigenen nicht aufgewogen werden2). Das civiliſirte Europa kennt dieſe Barbarei nicht mehr und hat den Ruhm ihrer gänzlichen Vertilgung. Dagegen findet man allenthalben auf Landgütern noch b) grundherrliches Zwangs- geſinde, auch wo die Leibeigenſchaft bereits verſchwunden iſt. Die Arbeit deſſelben ſteht in dem (in der Note 1.) bemerkten Verhältniſſe zum freien Dienſte, deſſen Behandlung aber iſt gleich jener des freien Geſindes. Bei der Behandlung c) des freien Geſindes wird man unter beſtändiger Vorſtellung ſeiner drücken- den Lage ſich nie zu Ungebührlichkeiten, deſpotiſcher Strenge und Mißhandlung verleiten laſſen; doch aber ſchützt vor dem entgegen- geſetzten Aeußerſten die Wahrheit, daß ſeine Gefühlsweiſe blos ſeiner Bildung angemeſſen iſt, und die Erfahrung von den vielen böſen und unerträglichen Eigenſchaften mancher Geſindeperſonen; jede Geſindeperſon iſt oft nach ihrer beſonderen Eigenthümlichkeit zu beurtheilen und zu behandeln; mit Milde und Mäßigung iſt auch bei Ungebildeten mehr auszurichten als mit übermäßiger Strenge, und das Vergönnen kleiner beſonders volksthümlicher Vergnügungen macht ſie auf längere Zeit bieg- und arbeitſamer; die freudig oder auch nur willig gethane Arbeit gedeiht beſſer als die mit Unwillen und Ueberdruß vollführte; angemeſſene Strenge, gut angebrachter Tadel, Aufſicht, Ermunterung und Beiſpiel von Seiten der Herr- ſchaften wird die Zucht, Ordnung, Tüchtigkeit und Arbeitſamkeit erhalten; alles dies iſt aber ohne Erfolg, wenn dem Geſinde nicht

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Zitationshilfe: Baumstark, Eduard: Kameralistische Encyclopädie. Heidelberg u. a., 1835, S. 90. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/baumstark_encyclopaedie_1835/112>, abgerufen am 31.10.2024.