[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 3. Zürich, 1742.in Miltons verlohrnen Paradiese. Erzehlungen, die zuerst in der Romanischen Spra-che geschrieben worden, Persienne, Jndienne, wenn wir gewisse fremde Arten wöllinnen Tuches anzeigen wollen. Dergleichen ausländische Wör- ter werden zugleich mit der Erkenntniß der Sa- chen erlernet. Und wenn sie gleich mit Nahmen von deutschem Stamme bekleidet würden, so würden auch diese gleicherweise gelernet werden müssen. Wenn wir von diesen Dingen reden wollen, so sind wir genöthiget diese Nahmen zu brauchen, weil uns unsre Sprache keine eigenen dazu leihet, und wir noch unverständlicher wür- den, wenn wir neue ersinnen wollten.(*) Das lächerliche Thun der Sprachenmengerey bestehet ei- gentlich darinnen, daß man fremde Nahmen für solche braucht, die man zu Hause in seinem ei- genen Vorrath eben so gut oder besser findet. Es entsteht bald, weil man seiner eigenen Sprache nicht mächtig genug ist, bald weil man aus Ei- telkeit das entfernte, das schwere und das unbe- kannte, dem leichten und bereitstehenden vorzieht. Die alten Deutschen haben sich sonst vor undenck- lichen Jahren schon die Freyheit genommen, auch die Nahmen aus andern Sprachen zu entlehnen, aus welchen sie die Begriffe und Sachen sich nicht geschä- (*) Und wie soll man es anstellen, wenn man die Ei-
genschaften ausdrüken soll, welche uns der Sinn des Geschmakes in den Gegenständen zu erkennen giebt, falls wir nicht Sapores, oder irgend ein Wort aus einer an- dern Sprache, das eben dasselbe bedeutet, entlehnen dürf- fen? Der Mangel dieser Benennung in unsrer Sprache zeiget uns eine Nachlässigkeit in einem von den gemeinesten Begriffen. in Miltons verlohrnen Paradieſe. Erzehlungen, die zuerſt in der Romaniſchen Spra-che geſchrieben worden, Perſienne, Jndienne, wenn wir gewiſſe fremde Arten woͤllinnen Tuches anzeigen wollen. Dergleichen auslaͤndiſche Woͤr- ter werden zugleich mit der Erkenntniß der Sa- chen erlernet. Und wenn ſie gleich mit Nahmen von deutſchem Stamme bekleidet wuͤrden, ſo wuͤrden auch dieſe gleicherweiſe gelernet werden muͤſſen. Wenn wir von dieſen Dingen reden wollen, ſo ſind wir genoͤthiget dieſe Nahmen zu brauchen, weil uns unſre Sprache keine eigenen dazu leihet, und wir noch unverſtaͤndlicher wuͤr- den, wenn wir neue erſinnen wollten.(*) Das laͤcherliche Thun der Sprachenmengerey beſtehet ei- gentlich darinnen, daß man fremde Nahmen fuͤr ſolche braucht, die man zu Hauſe in ſeinem ei- genen Vorrath eben ſo gut oder beſſer findet. Es entſteht bald, weil man ſeiner eigenen Sprache nicht maͤchtig genug iſt, bald weil man aus Ei- telkeit das entfernte, das ſchwere und das unbe- kannte, dem leichten und bereitſtehenden vorzieht. Die alten Deutſchen haben ſich ſonſt vor undenck- lichen Jahren ſchon die Freyheit genommen, auch die Nahmen aus andern Sprachen zu entlehnen, aus welchen ſie die Begriffe und Sachen ſich nicht geſchaͤ- (*) Und wie ſoll man es anſtellen, wenn man die Ei-
genſchaften ausdruͤken ſoll, welche uns der Sinn des Geſchmakes in den Gegenſtaͤnden zu erkennen giebt, falls wir nicht Sapores, oder irgend ein Wort aus einer an- dern Sprache, das eben daſſelbe bedeutet, entlehnen duͤrf- fen? Der Mangel dieſer Benennung in unſrer Sprache zeiget uns eine Nachlaͤſſigkeit in einem von den gemeineſten Begriffen. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0093" n="91"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">in Miltons verlohrnen Paradieſe.</hi></fw><lb/> Erzehlungen, die zuerſt in der Romaniſchen Spra-<lb/> che geſchrieben worden, <hi rendition="#fr">Perſienne, Jndienne,</hi><lb/> wenn wir gewiſſe fremde Arten woͤllinnen Tuches<lb/> anzeigen wollen. Dergleichen auslaͤndiſche Woͤr-<lb/> ter werden zugleich mit der Erkenntniß der Sa-<lb/> chen erlernet. Und wenn ſie gleich mit Nahmen<lb/> von deutſchem Stamme bekleidet wuͤrden, ſo<lb/> wuͤrden auch dieſe gleicherweiſe gelernet werden<lb/> muͤſſen. Wenn wir von dieſen Dingen reden<lb/> wollen, ſo ſind wir genoͤthiget dieſe Nahmen zu<lb/> brauchen, weil uns unſre Sprache keine eigenen<lb/> dazu leihet, und wir noch unverſtaͤndlicher wuͤr-<lb/> den, wenn wir neue erſinnen wollten.<note place="foot" n="(*)">Und wie ſoll man es anſtellen, wenn man die Ei-<lb/> genſchaften ausdruͤken ſoll, welche uns der Sinn des<lb/> Geſchmakes in den Gegenſtaͤnden zu erkennen giebt, falls<lb/> wir nicht <hi rendition="#aq">Sapores,</hi> oder irgend ein Wort aus einer an-<lb/> dern Sprache, das eben daſſelbe bedeutet, entlehnen duͤrf-<lb/> fen? Der Mangel dieſer Benennung in unſrer Sprache<lb/> zeiget uns eine Nachlaͤſſigkeit in einem von den gemeineſten<lb/> Begriffen.</note> Das<lb/> laͤcherliche Thun der Sprachenmengerey beſtehet ei-<lb/> gentlich darinnen, daß man fremde Nahmen<lb/> fuͤr ſolche braucht, die man zu Hauſe in ſeinem ei-<lb/> genen Vorrath eben ſo gut oder beſſer findet. Es<lb/> entſteht bald, weil man ſeiner eigenen Sprache<lb/> nicht maͤchtig genug iſt, bald weil man aus Ei-<lb/> telkeit das entfernte, das ſchwere und das unbe-<lb/> kannte, dem leichten und bereitſtehenden vorzieht.<lb/> Die alten Deutſchen haben ſich ſonſt vor undenck-<lb/> lichen Jahren ſchon die Freyheit genommen, auch<lb/> die Nahmen aus andern Sprachen zu entlehnen,<lb/> aus welchen ſie die Begriffe und Sachen ſich nicht<lb/> <fw place="bottom" type="catch">geſchaͤ-</fw><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [91/0093]
in Miltons verlohrnen Paradieſe.
Erzehlungen, die zuerſt in der Romaniſchen Spra-
che geſchrieben worden, Perſienne, Jndienne,
wenn wir gewiſſe fremde Arten woͤllinnen Tuches
anzeigen wollen. Dergleichen auslaͤndiſche Woͤr-
ter werden zugleich mit der Erkenntniß der Sa-
chen erlernet. Und wenn ſie gleich mit Nahmen
von deutſchem Stamme bekleidet wuͤrden, ſo
wuͤrden auch dieſe gleicherweiſe gelernet werden
muͤſſen. Wenn wir von dieſen Dingen reden
wollen, ſo ſind wir genoͤthiget dieſe Nahmen zu
brauchen, weil uns unſre Sprache keine eigenen
dazu leihet, und wir noch unverſtaͤndlicher wuͤr-
den, wenn wir neue erſinnen wollten. (*) Das
laͤcherliche Thun der Sprachenmengerey beſtehet ei-
gentlich darinnen, daß man fremde Nahmen
fuͤr ſolche braucht, die man zu Hauſe in ſeinem ei-
genen Vorrath eben ſo gut oder beſſer findet. Es
entſteht bald, weil man ſeiner eigenen Sprache
nicht maͤchtig genug iſt, bald weil man aus Ei-
telkeit das entfernte, das ſchwere und das unbe-
kannte, dem leichten und bereitſtehenden vorzieht.
Die alten Deutſchen haben ſich ſonſt vor undenck-
lichen Jahren ſchon die Freyheit genommen, auch
die Nahmen aus andern Sprachen zu entlehnen,
aus welchen ſie die Begriffe und Sachen ſich nicht
geſchaͤ-
(*) Und wie ſoll man es anſtellen, wenn man die Ei-
genſchaften ausdruͤken ſoll, welche uns der Sinn des
Geſchmakes in den Gegenſtaͤnden zu erkennen giebt, falls
wir nicht Sapores, oder irgend ein Wort aus einer an-
dern Sprache, das eben daſſelbe bedeutet, entlehnen duͤrf-
fen? Der Mangel dieſer Benennung in unſrer Sprache
zeiget uns eine Nachlaͤſſigkeit in einem von den gemeineſten
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