Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Büchner, Ludwig: Kraft und Stoff. Frankfurt (Main), 1855.

Bild:
<< vorherige Seite

allerorten, zerstreut durch Raum und Zeit, geleitet,
so würde man sich damit allgemeinen pantheistischen Vor-
stellungen nähern und könnte nicht umhin, zuzugeben,
daß dieses Verhältniß noch fortdaure, da die Entwicklung
der Erde und der auf ihr lebenden Pflanzen- und Thier-
geschlechter nicht aufgehört hat, sondern in gleicher oder
ähnlicher Weise fortdauert wie früher. Da müßte man
denn auch annehmen, daß kein Schäflein ohne Zuthun
jener schaffenden Allgewalt gezeugt und geboren werden
könne, und daß jede Mücke, welche ihre Eier legt, auf
die unmittelbare Sorge jener Gewalt für Ausbrütung
ihrer Nachkommenschaft Anspruch zu machen habe. Aber
die Wissenschaft hat längst das Natürliche, Mechanische
und Zufällige in diesen Vorgängen zur Evidenz nachge-
wiesen und jeden Gedanken an übernatürliche Dazwischen-
kunft verbannt. So kann uns auch dieses Verhältniß
zum Beweis unserer ausgesprochenen Ansichten werden,
da ein Rückschluß von der Natürlichkeit der heutigen
Vorgänge der organischen Welt auf einen ebenso natür-
lichen Anfang gerechtfertigt ist, und umgekehrt. "Wer
A sagt, muß auch B. sagen. Ein supranaturalistischer
Anfang erfordert nothwendig eine supranaturalistische
Fortsetzung." (Feuerbach.)

"Als Jndividuum abgeschlossen", sagt Burmeister,
"blieb die Erde in gewissen unabänderlichen Beziehungen
zu ihrer Umgebung, und was auf ihr, unabhängig von

allerorten, zerſtreut durch Raum und Zeit, geleitet,
ſo würde man ſich damit allgemeinen pantheiſtiſchen Vor-
ſtellungen nähern und könnte nicht umhin, zuzugeben,
daß dieſes Verhältniß noch fortdaure, da die Entwicklung
der Erde und der auf ihr lebenden Pflanzen- und Thier-
geſchlechter nicht aufgehört hat, ſondern in gleicher oder
ähnlicher Weiſe fortdauert wie früher. Da müßte man
denn auch annehmen, daß kein Schäflein ohne Zuthun
jener ſchaffenden Allgewalt gezeugt und geboren werden
könne, und daß jede Mücke, welche ihre Eier legt, auf
die unmittelbare Sorge jener Gewalt für Ausbrütung
ihrer Nachkommenſchaft Anſpruch zu machen habe. Aber
die Wiſſenſchaft hat längſt das Natürliche, Mechaniſche
und Zufällige in dieſen Vorgängen zur Evidenz nachge-
wieſen und jeden Gedanken an übernatürliche Dazwiſchen-
kunft verbannt. So kann uns auch dieſes Verhältniß
zum Beweis unſerer ausgeſprochenen Anſichten werden,
da ein Rückſchluß von der Natürlichkeit der heutigen
Vorgänge der organiſchen Welt auf einen ebenſo natür-
lichen Anfang gerechtfertigt iſt, und umgekehrt. „Wer
A ſagt, muß auch B. ſagen. Ein ſupranaturaliſtiſcher
Anfang erfordert nothwendig eine ſupranaturaliſtiſche
Fortſetzung.‟ (Feuerbach.)

„Als Jndividuum abgeſchloſſen‟, ſagt Burmeiſter,
„blieb die Erde in gewiſſen unabänderlichen Beziehungen
zu ihrer Umgebung, und was auf ihr, unabhängig von

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0112" n="92"/>
allerorten, <hi rendition="#g">zer&#x017F;treut durch Raum und Zeit</hi>, geleitet,<lb/>
&#x017F;o würde man &#x017F;ich damit allgemeinen panthei&#x017F;ti&#x017F;chen Vor-<lb/>
&#x017F;tellungen nähern und könnte nicht umhin, zuzugeben,<lb/>
daß die&#x017F;es Verhältniß noch fortdaure, da die Entwicklung<lb/>
der Erde und der auf ihr lebenden Pflanzen- und Thier-<lb/>
ge&#x017F;chlechter nicht aufgehört hat, &#x017F;ondern in gleicher oder<lb/>
ähnlicher Wei&#x017F;e fortdauert wie früher. Da müßte man<lb/>
denn auch annehmen, daß kein Schäflein ohne Zuthun<lb/>
jener &#x017F;chaffenden Allgewalt gezeugt und geboren werden<lb/>
könne, und daß jede Mücke, welche ihre Eier legt, auf<lb/>
die unmittelbare Sorge jener Gewalt für Ausbrütung<lb/>
ihrer Nachkommen&#x017F;chaft An&#x017F;pruch zu machen habe. Aber<lb/>
die Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaft hat läng&#x017F;t das Natürliche, Mechani&#x017F;che<lb/>
und Zufällige in die&#x017F;en Vorgängen zur Evidenz nachge-<lb/>
wie&#x017F;en und jeden Gedanken an übernatürliche Dazwi&#x017F;chen-<lb/>
kunft verbannt. So kann uns auch die&#x017F;es Verhältniß<lb/>
zum Beweis un&#x017F;erer ausge&#x017F;prochenen An&#x017F;ichten werden,<lb/>
da ein Rück&#x017F;chluß von der Natürlichkeit der heutigen<lb/>
Vorgänge der organi&#x017F;chen Welt auf einen eben&#x017F;o natür-<lb/>
lichen Anfang gerechtfertigt i&#x017F;t, und umgekehrt. &#x201E;Wer<lb/>
A &#x017F;agt, muß auch B. &#x017F;agen. Ein &#x017F;upranaturali&#x017F;ti&#x017F;cher<lb/>
Anfang erfordert nothwendig eine &#x017F;upranaturali&#x017F;ti&#x017F;che<lb/>
Fort&#x017F;etzung.&#x201F; (Feuerbach.)</p><lb/>
        <p>&#x201E;Als Jndividuum abge&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en&#x201F;, &#x017F;agt <hi rendition="#g">Burmei&#x017F;ter,</hi><lb/>
&#x201E;blieb die Erde in gewi&#x017F;&#x017F;en unabänderlichen Beziehungen<lb/>
zu ihrer Umgebung, und was auf ihr, unabhängig von<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[92/0112] allerorten, zerſtreut durch Raum und Zeit, geleitet, ſo würde man ſich damit allgemeinen pantheiſtiſchen Vor- ſtellungen nähern und könnte nicht umhin, zuzugeben, daß dieſes Verhältniß noch fortdaure, da die Entwicklung der Erde und der auf ihr lebenden Pflanzen- und Thier- geſchlechter nicht aufgehört hat, ſondern in gleicher oder ähnlicher Weiſe fortdauert wie früher. Da müßte man denn auch annehmen, daß kein Schäflein ohne Zuthun jener ſchaffenden Allgewalt gezeugt und geboren werden könne, und daß jede Mücke, welche ihre Eier legt, auf die unmittelbare Sorge jener Gewalt für Ausbrütung ihrer Nachkommenſchaft Anſpruch zu machen habe. Aber die Wiſſenſchaft hat längſt das Natürliche, Mechaniſche und Zufällige in dieſen Vorgängen zur Evidenz nachge- wieſen und jeden Gedanken an übernatürliche Dazwiſchen- kunft verbannt. So kann uns auch dieſes Verhältniß zum Beweis unſerer ausgeſprochenen Anſichten werden, da ein Rückſchluß von der Natürlichkeit der heutigen Vorgänge der organiſchen Welt auf einen ebenſo natür- lichen Anfang gerechtfertigt iſt, und umgekehrt. „Wer A ſagt, muß auch B. ſagen. Ein ſupranaturaliſtiſcher Anfang erfordert nothwendig eine ſupranaturaliſtiſche Fortſetzung.‟ (Feuerbach.) „Als Jndividuum abgeſchloſſen‟, ſagt Burmeiſter, „blieb die Erde in gewiſſen unabänderlichen Beziehungen zu ihrer Umgebung, und was auf ihr, unabhängig von

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/buechner_kraft_1855
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/buechner_kraft_1855/112
Zitationshilfe: Büchner, Ludwig: Kraft und Stoff. Frankfurt (Main), 1855, S. 92. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buechner_kraft_1855/112>, abgerufen am 20.05.2024.