Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 1. Berlin, 1778.Forster's Reise um die Welt 1772.Decem- ber.nung und Beschaffenheit des See-Grases und Treibholzes fernerhin genau Acht geben wollte, so könnte solches vielleicht dereinst zu bestimmtern Schlüssen leiten; denn da diese Kräuter nicht in der See erzeugt werden, sondern ursprünglich auf Felsen wachsen und von da durch die Wellen oder eine andere äußere Gewalt aus- gewurzelt werden, so müssen sie in diesem widernatürlichen Zustande in Fäulniß übergehen, aus deren größeren oder geringern Grade sich die Zeit, wie lange sie in See herumgeschwommen, ja in einzelnen, seltnen Fällen vielleicht auch die Entfernung des Landes, von welchem sie herkommen, muthmaßlich würde erra- then lassen; der Strich und die Stärke von Wind und Wellen nebst andern Um- ständen müßten aber in diesem Fall freylich mit in Anschlag gebracht werden. Am 9ten Morgens konnten wir endlich unsre große Seegel wiederum Nachmittags fuhren wir bey einer andern viereckigten, ungeheuren Eiß- *) Mairan's Dissertation sur la Glace. Paris 1749. p. 261.
Forſter’s Reiſe um die Welt 1772.Decem- ber.nung und Beſchaffenheit des See-Graſes und Treibholzes fernerhin genau Acht geben wollte, ſo koͤnnte ſolches vielleicht dereinſt zu beſtimmtern Schluͤſſen leiten; denn da dieſe Kraͤuter nicht in der See erzeugt werden, ſondern urſpruͤnglich auf Felſen wachſen und von da durch die Wellen oder eine andere aͤußere Gewalt aus- gewurzelt werden, ſo muͤſſen ſie in dieſem widernatuͤrlichen Zuſtande in Faͤulniß uͤbergehen, aus deren groͤßeren oder geringern Grade ſich die Zeit, wie lange ſie in See herumgeſchwommen, ja in einzelnen, ſeltnen Faͤllen vielleicht auch die Entfernung des Landes, von welchem ſie herkommen, muthmaßlich wuͤrde erra- then laſſen; der Strich und die Staͤrke von Wind und Wellen nebſt andern Um- ſtaͤnden muͤßten aber in dieſem Fall freylich mit in Anſchlag gebracht werden. Am 9ten Morgens konnten wir endlich unſre große Seegel wiederum Nachmittags fuhren wir bey einer andern viereckigten, ungeheuren Eiß- *) Mairan’s Diſſertation ſur la Glace. Paris 1749. p. 261.
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0115" n="70"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><persName>Forſter’s</persName> Reiſe um die Welt</hi></fw><lb/><note place="left">1772.<lb/> Decem-<lb/> ber.</note>nung und Beſchaffenheit des See-Graſes und Treibholzes fernerhin <hi rendition="#fr">genau</hi> Acht<lb/> geben wollte, ſo koͤnnte ſolches vielleicht dereinſt zu beſtimmtern Schluͤſſen leiten;<lb/> denn da dieſe Kraͤuter nicht in der See erzeugt werden, ſondern urſpruͤnglich auf<lb/> Felſen wachſen und von da durch die Wellen oder eine andere aͤußere Gewalt aus-<lb/> gewurzelt werden, ſo muͤſſen ſie in dieſem widernatuͤrlichen Zuſtande in Faͤulniß<lb/> uͤbergehen, aus deren groͤßeren oder geringern Grade ſich die Zeit, wie lange ſie<lb/> in See herumgeſchwommen, ja in einzelnen, ſeltnen Faͤllen vielleicht auch die<lb/> Entfernung des Landes, von welchem ſie herkommen, muthmaßlich wuͤrde erra-<lb/> then laſſen; der Strich und die Staͤrke von Wind und Wellen nebſt andern Um-<lb/> ſtaͤnden muͤßten aber in dieſem Fall freylich mit in Anſchlag gebracht werden.</p><lb/> <p>Am 9ten Morgens konnten wir endlich unſre große Seegel wiederum<lb/> aufſetzen, weil der Sturm etwas nachgelaſſen hatte. Das Thermometer hinge-<lb/> gen war, des gelindern Wetters ohngeachtet, heute fruͤh um 9 Uhr, auf 35<lb/> Grad geſunken, und ſtieg Mittags nicht mehr als um einen Grad hoͤher, ob wir<lb/> uns damals gleich erſt unter 49 Grad 45 Minuten ſuͤdlicher Breite befanden.<lb/> Gegen die Nacht wards wieder kaͤlter und um halb Zehn ſtand das Thermometer<lb/> auf dem Verdeck nahe bey 32. Grad, auch fieng das Waſſer in unſerm Trinkfaſſe,<lb/> am Rande des Gefaͤßes, an zu frieren. Dieſe Kaͤlte war gleichſam der Vorbothe des<lb/> Treib-Eiſes, welches wir am folgenden Morgen in der See antrafen. Das erſte<lb/> was wir davon zu ſehen bekamen war ein großer Klumpen, dem wir eilfertigſt<lb/> ausweichen mußten. Ein anderer von gleicher Groͤße war dichte vor uns und<lb/> einen dritten erblickten wir ohngefaͤhr zwey See-Meilen weit gegen den Wind<lb/> hin, wo er, gleich einem weißen Vorgebuͤrge oder einer Kreiden-Klippe, aus dem<lb/> Meer empor ragte.</p><lb/> <p>Nachmittags fuhren wir bey einer andern viereckigten, ungeheuren Eiß-<lb/> Maſſe vorbey, die ohngefaͤhr zweytauſend Fuß lang, vierhundert breit, und wenig-<lb/> ſtens noch einmal ſo hoch als unſer hoͤchſter mittelſter Braam-Maſt, das iſt, ohn-<lb/> gefaͤhr zweyhundert Fuß hoch war. Da ſich nach <hi rendition="#fr"><persName>Boylens</persName></hi> und <hi rendition="#fr"><persName>Mairans</persName></hi> <note place="foot" n="*)"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#i"><persName>Mairan’s</persName> Diſſertation ſur la Glace</hi>. <placeName>Paris</placeName> 1749. p.</hi> 261.</note><lb/> Verſuchen die Maſſe des Eiſes zum Seewaſſer ohngefaͤhr wie 10. zu 9: verhaͤlt;<lb/> ſo muß, nach bekannten Hydroſtatiſchen Geſetzen, die Maſſe des Eiſes uͤber dem<lb/> Waſſer zu jener, die ſich unterm Waſſer befindet, wie 1 zu 9 ſeyn. Wenn nun<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [70/0115]
Forſter’s Reiſe um die Welt
nung und Beſchaffenheit des See-Graſes und Treibholzes fernerhin genau Acht
geben wollte, ſo koͤnnte ſolches vielleicht dereinſt zu beſtimmtern Schluͤſſen leiten;
denn da dieſe Kraͤuter nicht in der See erzeugt werden, ſondern urſpruͤnglich auf
Felſen wachſen und von da durch die Wellen oder eine andere aͤußere Gewalt aus-
gewurzelt werden, ſo muͤſſen ſie in dieſem widernatuͤrlichen Zuſtande in Faͤulniß
uͤbergehen, aus deren groͤßeren oder geringern Grade ſich die Zeit, wie lange ſie
in See herumgeſchwommen, ja in einzelnen, ſeltnen Faͤllen vielleicht auch die
Entfernung des Landes, von welchem ſie herkommen, muthmaßlich wuͤrde erra-
then laſſen; der Strich und die Staͤrke von Wind und Wellen nebſt andern Um-
ſtaͤnden muͤßten aber in dieſem Fall freylich mit in Anſchlag gebracht werden.
1772.
Decem-
ber.
Am 9ten Morgens konnten wir endlich unſre große Seegel wiederum
aufſetzen, weil der Sturm etwas nachgelaſſen hatte. Das Thermometer hinge-
gen war, des gelindern Wetters ohngeachtet, heute fruͤh um 9 Uhr, auf 35
Grad geſunken, und ſtieg Mittags nicht mehr als um einen Grad hoͤher, ob wir
uns damals gleich erſt unter 49 Grad 45 Minuten ſuͤdlicher Breite befanden.
Gegen die Nacht wards wieder kaͤlter und um halb Zehn ſtand das Thermometer
auf dem Verdeck nahe bey 32. Grad, auch fieng das Waſſer in unſerm Trinkfaſſe,
am Rande des Gefaͤßes, an zu frieren. Dieſe Kaͤlte war gleichſam der Vorbothe des
Treib-Eiſes, welches wir am folgenden Morgen in der See antrafen. Das erſte
was wir davon zu ſehen bekamen war ein großer Klumpen, dem wir eilfertigſt
ausweichen mußten. Ein anderer von gleicher Groͤße war dichte vor uns und
einen dritten erblickten wir ohngefaͤhr zwey See-Meilen weit gegen den Wind
hin, wo er, gleich einem weißen Vorgebuͤrge oder einer Kreiden-Klippe, aus dem
Meer empor ragte.
Nachmittags fuhren wir bey einer andern viereckigten, ungeheuren Eiß-
Maſſe vorbey, die ohngefaͤhr zweytauſend Fuß lang, vierhundert breit, und wenig-
ſtens noch einmal ſo hoch als unſer hoͤchſter mittelſter Braam-Maſt, das iſt, ohn-
gefaͤhr zweyhundert Fuß hoch war. Da ſich nach Boylens und Mairans *)
Verſuchen die Maſſe des Eiſes zum Seewaſſer ohngefaͤhr wie 10. zu 9: verhaͤlt;
ſo muß, nach bekannten Hydroſtatiſchen Geſetzen, die Maſſe des Eiſes uͤber dem
Waſſer zu jener, die ſich unterm Waſſer befindet, wie 1 zu 9 ſeyn. Wenn nun
*) Mairan’s Diſſertation ſur la Glace. Paris 1749. p. 261.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |