Je weiter wir nun nach Norden hin gelangten, je mehr Seehunde ka-1773. März. men uns von der Küste von Neu-Seeland her entgegen, und am 25ten sahe man den Stamm eines Baumes und verschiedene Klumpen Gras vorüber schwim- men, deren Anblick unsre Matrosen mit neuem Muthe belebte. Kurz nachher erblickte man in Nord-Ost zu Ost, Land, und ohnerachtet solches damahls noch weit entfernt zu seyn schien; so befanden wir uns doch, mit Hülfe eines günsti- gen Windes, am Nachmittag um 5 Uhr nur noch wenig Meilen weit von einer gebrochenen, felsigen Küste, wo verschiedne Oefnungen uns eine geräumige Bay oder Sund erwarten ließen, und hinter welcher, im Innern des Landes, hohe Berge empor ragten. Da wir der Küste so nahe waren, wurde das Senkbley ausgeworfen, man fand aber mit 30 Faden keinen Grund; desto unvermutheter war es uns, als die Schildwache plötzlich vom Mastbaum herabrief, daß wir dicht an einigen Felsenklippen wären. Das Schiff ward dieserwegen in größter Eil umgewandt, und da das Wetter zu gleicher Zeit dunkel und regnicht ward, so entfernten wir uns Sicherheitshalber vom Lande. Am folgenden Morgen fand sich, daß der vor uns liegende Theil von Neu-Seeland gerade die vom Cap West südwärts gelegene äußerste Spitze dieses Landes war, welche Capitain Cook auf seiner vorigen Reise, in der Endeavour, noch nicht untersucht hatte.
Hier endigte sich nun unsre erste Fahrt, in die hohen südlichen Breiten, auf welcher wir vier Monath und zween Tage ohne Land zu sehen zugebracht hat- ten, gleichwohl diese ganze Zeit über von der allwaltenden Vorsehung vor besonderen Unglücksfällen bewahrt, durch mancherley Gefahren sicher hindurch geführt und, einige wenige ausgenommen, allerseits bey beständig guter Gesundheit erhalten worden waren. Dies war um so viel mehr zu verwundern, als wir auf der gan- zen Reise vom Vorgebürge der guten Hofnung an, bis nach Neu-Seeland, un- aufhörlich mit Mühseeligkeiten zu kämpfen gehabt hatten, die uns desto mehr befürchten ließen, je weniger sie irgend jemand, vor uns, versucht und erfahren hatte. Unsre Seegel waren zerrißen, unser Tauwerk in Stücken, das Schiff ward entweder durch die Wellen auf das heftigste hin und her gewor- fen, oder wenn das nicht geschahe, so legte es der Wind ganz schief auf die Seite, wodurch, nebst dem beständigen Handthieren der Matrosen im Takelwerk, die Ca- jütten und das oberste Verdeck überall wandelbar wurden; die schrecklichen Wür-
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in den Jahren 1772 bis 1775.
Je weiter wir nun nach Norden hin gelangten, je mehr Seehunde ka-1773. Maͤrz. men uns von der Kuͤſte von Neu-Seeland her entgegen, und am 25ten ſahe man den Stamm eines Baumes und verſchiedene Klumpen Gras voruͤber ſchwim- men, deren Anblick unſre Matroſen mit neuem Muthe belebte. Kurz nachher erblickte man in Nord-Oſt zu Oſt, Land, und ohnerachtet ſolches damahls noch weit entfernt zu ſeyn ſchien; ſo befanden wir uns doch, mit Huͤlfe eines guͤnſti- gen Windes, am Nachmittag um 5 Uhr nur noch wenig Meilen weit von einer gebrochenen, felſigen Kuͤſte, wo verſchiedne Oefnungen uns eine geraͤumige Bay oder Sund erwarten ließen, und hinter welcher, im Innern des Landes, hohe Berge empor ragten. Da wir der Kuͤſte ſo nahe waren, wurde das Senkbley ausgeworfen, man fand aber mit 30 Faden keinen Grund; deſto unvermutheter war es uns, als die Schildwache ploͤtzlich vom Maſtbaum herabrief, daß wir dicht an einigen Felſenklippen waͤren. Das Schiff ward dieſerwegen in groͤßter Eil umgewandt, und da das Wetter zu gleicher Zeit dunkel und regnicht ward, ſo entfernten wir uns Sicherheitshalber vom Lande. Am folgenden Morgen fand ſich, daß der vor uns liegende Theil von Neu-Seeland gerade die vom Cap Weſt ſuͤdwaͤrts gelegene aͤußerſte Spitze dieſes Landes war, welche Capitain Cook auf ſeiner vorigen Reiſe, in der Endeavour, noch nicht unterſucht hatte.
Hier endigte ſich nun unſre erſte Fahrt, in die hohen ſuͤdlichen Breiten, auf welcher wir vier Monath und zween Tage ohne Land zu ſehen zugebracht hat- ten, gleichwohl dieſe ganze Zeit uͤber von der allwaltenden Vorſehung vor beſonderen Ungluͤcksfaͤllen bewahrt, durch mancherley Gefahren ſicher hindurch gefuͤhrt und, einige wenige ausgenommen, allerſeits bey beſtaͤndig guter Geſundheit erhalten worden waren. Dies war um ſo viel mehr zu verwundern, als wir auf der gan- zen Reiſe vom Vorgebuͤrge der guten Hofnung an, bis nach Neu-Seeland, un- aufhoͤrlich mit Muͤhſeeligkeiten zu kaͤmpfen gehabt hatten, die uns deſto mehr befuͤrchten ließen, je weniger ſie irgend jemand, vor uns, verſucht und erfahren hatte. Unſre Seegel waren zerrißen, unſer Tauwerk in Stuͤcken, das Schiff ward entweder durch die Wellen auf das heftigſte hin und her gewor- fen, oder wenn das nicht geſchahe, ſo legte es der Wind ganz ſchief auf die Seite, wodurch, nebſt dem beſtaͤndigen Handthieren der Matroſen im Takelwerk, die Ca- juͤtten und das oberſte Verdeck uͤberall wandelbar wurden; die ſchrecklichen Wuͤr-
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in den Jahren 1772 bis 1775.
Je weiter wir nun nach Norden hin gelangten, je mehr Seehunde ka-
men uns von der Kuͤſte von Neu-Seeland her entgegen, und am 25ten ſahe man
den Stamm eines Baumes und verſchiedene Klumpen Gras voruͤber ſchwim-
men, deren Anblick unſre Matroſen mit neuem Muthe belebte. Kurz nachher
erblickte man in Nord-Oſt zu Oſt, Land, und ohnerachtet ſolches damahls noch
weit entfernt zu ſeyn ſchien; ſo befanden wir uns doch, mit Huͤlfe eines guͤnſti-
gen Windes, am Nachmittag um 5 Uhr nur noch wenig Meilen weit von einer
gebrochenen, felſigen Kuͤſte, wo verſchiedne Oefnungen uns eine geraͤumige
Bay oder Sund erwarten ließen, und hinter welcher, im Innern des Landes, hohe
Berge empor ragten. Da wir der Kuͤſte ſo nahe waren, wurde das Senkbley
ausgeworfen, man fand aber mit 30 Faden keinen Grund; deſto unvermutheter
war es uns, als die Schildwache ploͤtzlich vom Maſtbaum herabrief, daß wir
dicht an einigen Felſenklippen waͤren. Das Schiff ward dieſerwegen in groͤßter
Eil umgewandt, und da das Wetter zu gleicher Zeit dunkel und regnicht ward, ſo
entfernten wir uns Sicherheitshalber vom Lande. Am folgenden Morgen fand ſich,
daß der vor uns liegende Theil von Neu-Seeland gerade die vom Cap Weſt
ſuͤdwaͤrts gelegene aͤußerſte Spitze dieſes Landes war, welche Capitain Cook auf
ſeiner vorigen Reiſe, in der Endeavour, noch nicht unterſucht hatte.
1773.
Maͤrz.
Hier endigte ſich nun unſre erſte Fahrt, in die hohen ſuͤdlichen Breiten,
auf welcher wir vier Monath und zween Tage ohne Land zu ſehen zugebracht hat-
ten, gleichwohl dieſe ganze Zeit uͤber von der allwaltenden Vorſehung vor beſonderen
Ungluͤcksfaͤllen bewahrt, durch mancherley Gefahren ſicher hindurch gefuͤhrt und,
einige wenige ausgenommen, allerſeits bey beſtaͤndig guter Geſundheit erhalten
worden waren. Dies war um ſo viel mehr zu verwundern, als wir auf der gan-
zen Reiſe vom Vorgebuͤrge der guten Hofnung an, bis nach Neu-Seeland, un-
aufhoͤrlich mit Muͤhſeeligkeiten zu kaͤmpfen gehabt hatten, die uns deſto
mehr befuͤrchten ließen, je weniger ſie irgend jemand, vor uns, verſucht und
erfahren hatte. Unſre Seegel waren zerrißen, unſer Tauwerk in Stuͤcken, das
Schiff ward entweder durch die Wellen auf das heftigſte hin und her gewor-
fen, oder wenn das nicht geſchahe, ſo legte es der Wind ganz ſchief auf die Seite,
wodurch, nebſt dem beſtaͤndigen Handthieren der Matroſen im Takelwerk, die Ca-
juͤtten und das oberſte Verdeck uͤberall wandelbar wurden; die ſchrecklichen Wuͤr-
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Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 1. Berlin, 1778, S. 91. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise01_1778/136>, abgerufen am 31.10.2024.
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