Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 1. Berlin, 1778.Forster's Reise um die Welt 1773.März.kungen und Folgen fürchterlicher Stürme, die der trefliche Geschichtschreiber von Anson's Reise, mit so natürlichen, schwarzen Farben geschildert hat -- das alles waren gewißermaßen nur die geringsten unsrer Plagen. -- Noch außer diesen mußten wir mit der Strenge eines ungewöhnlich rauhen Clima's kämpfen; Ma- trosen und Officier waren beständig Regen, Hagel oder Schnee ausgesetzt; das Tau und Takelwerk war durchaus mit Eis überzogen und wehe den Händen, welche daran arbeiten mußten; unser Vorrath von frischen Waßer konnte nicht anders als mit Treibeis ersetzt werden, und das Aufnehmen desselben aus eis- kaltem. Seewaßer ging ohne erfrohrne und blutige Hände nicht ab; unaufhör- lich mußten wir befürchten gegen die hohen Eismassen anzulaufen, womit der un- ermeßliche südliche Ocean gleichsam angefüllet ist; und dergleichen Gefahr kam oft so schnell und so vielfältig, daß die Leute selten ihre gewöhnlichen Ruhestunden ge- nießen konnten, sondern denen Wachthabenden alle Augenblick zu Hülfe kommen und das Schif mit unabläßiger Vorsicht regieren, oder in der äußersten Geschwin- digkeit wenden mußten. Zu diesen Unannehmlichkeiten gesellte sich noch die düstere Traurigkeit, welche unter dem antarctischen Himmel herrscht, wo wir oft ganze Wochen lang in undurchdringliche Nebel verhüllt zubringen mußten, und den erfreulichen Anblick der Sonne nur selten zu sehen bekamen, ein Umstand, der schon allein vermögend ist den Entschlossensten und Lebhaftesten niedergeschla- gen zu machen. Endlich so hatten auch die Angeln und Leinen, welche bereits im November waren ausgetheilt worden, bis jetzt noch zu nichts gedient, weil in diesen höhern Breiten das Meer überall grundlos war, und nirgends andre als Wallfische zum Vorschein kamen. Doch ließ sich freylich, da wir nun ein- mal nicht so glücklich waren Land zu treffen, nichts besseres erwarten; denn es ist bekannt, daß man nur im heißen Himmelsstriche allein, fern vom Ufer und Sand- bänken, in unergründlichen Gegenden der See mit der Angel Fische zu fangen hoffen kann Atrum Horatius. Auf solche Weise war denn die lange Zeit, welche wir in ofner See ohne Forſter’s Reiſe um die Welt 1773.Maͤrz.kungen und Folgen fuͤrchterlicher Stuͤrme, die der trefliche Geſchichtſchreiber von Anſon’s Reiſe, mit ſo natuͤrlichen, ſchwarzen Farben geſchildert hat — das alles waren gewißermaßen nur die geringſten unſrer Plagen. — Noch außer dieſen mußten wir mit der Strenge eines ungewoͤhnlich rauhen Clima’s kaͤmpfen; Ma- troſen und Officier waren beſtaͤndig Regen, Hagel oder Schnee ausgeſetzt; das Tau und Takelwerk war durchaus mit Eis uͤberzogen und wehe den Haͤnden, welche daran arbeiten mußten; unſer Vorrath von friſchen Waßer konnte nicht anders als mit Treibeis erſetzt werden, und das Aufnehmen deſſelben aus eis- kaltem. Seewaßer ging ohne erfrohrne und blutige Haͤnde nicht ab; unaufhoͤr- lich mußten wir befuͤrchten gegen die hohen Eismaſſen anzulaufen, womit der un- ermeßliche ſuͤdliche Ocean gleichſam angefuͤllet iſt; und dergleichen Gefahr kam oft ſo ſchnell und ſo vielfaͤltig, daß die Leute ſelten ihre gewoͤhnlichen Ruheſtunden ge- nießen konnten, ſondern denen Wachthabenden alle Augenblick zu Huͤlfe kommen und das Schif mit unablaͤßiger Vorſicht regieren, oder in der aͤußerſten Geſchwin- digkeit wenden mußten. Zu dieſen Unannehmlichkeiten geſellte ſich noch die duͤſtere Traurigkeit, welche unter dem antarctiſchen Himmel herrſcht, wo wir oft ganze Wochen lang in undurchdringliche Nebel verhuͤllt zubringen mußten, und den erfreulichen Anblick der Sonne nur ſelten zu ſehen bekamen, ein Umſtand, der ſchon allein vermoͤgend iſt den Entſchloſſenſten und Lebhafteſten niedergeſchla- gen zu machen. Endlich ſo hatten auch die Angeln und Leinen, welche bereits im November waren ausgetheilt worden, bis jetzt noch zu nichts gedient, weil in dieſen hoͤhern Breiten das Meer uͤberall grundlos war, und nirgends andre als Wallfiſche zum Vorſchein kamen. Doch ließ ſich freylich, da wir nun ein- mal nicht ſo gluͤcklich waren Land zu treffen, nichts beſſeres erwarten; denn es iſt bekannt, daß man nur im heißen Himmelsſtriche allein, fern vom Ufer und Sand- baͤnken, in unergruͤndlichen Gegenden der See mit der Angel Fiſche zu fangen hoffen kann Atrum Horatius. 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Forſter’s Reiſe um die Welt
kungen und Folgen fuͤrchterlicher Stuͤrme, die der trefliche Geſchichtſchreiber von
Anſon’s Reiſe, mit ſo natuͤrlichen, ſchwarzen Farben geſchildert hat — das alles
waren gewißermaßen nur die geringſten unſrer Plagen. — Noch außer dieſen
mußten wir mit der Strenge eines ungewoͤhnlich rauhen Clima’s kaͤmpfen; Ma-
troſen und Officier waren beſtaͤndig Regen, Hagel oder Schnee ausgeſetzt; das
Tau und Takelwerk war durchaus mit Eis uͤberzogen und wehe den Haͤnden,
welche daran arbeiten mußten; unſer Vorrath von friſchen Waßer konnte nicht
anders als mit Treibeis erſetzt werden, und das Aufnehmen deſſelben aus eis-
kaltem. Seewaßer ging ohne erfrohrne und blutige Haͤnde nicht ab; unaufhoͤr-
lich mußten wir befuͤrchten gegen die hohen Eismaſſen anzulaufen, womit der un-
ermeßliche ſuͤdliche Ocean gleichſam angefuͤllet iſt; und dergleichen Gefahr kam
oft ſo ſchnell und ſo vielfaͤltig, daß die Leute ſelten ihre gewoͤhnlichen Ruheſtunden ge-
nießen konnten, ſondern denen Wachthabenden alle Augenblick zu Huͤlfe kommen
und das Schif mit unablaͤßiger Vorſicht regieren, oder in der aͤußerſten Geſchwin-
digkeit wenden mußten. Zu dieſen Unannehmlichkeiten geſellte ſich noch die
duͤſtere Traurigkeit, welche unter dem antarctiſchen Himmel herrſcht, wo wir oft
ganze Wochen lang in undurchdringliche Nebel verhuͤllt zubringen mußten, und
den erfreulichen Anblick der Sonne nur ſelten zu ſehen bekamen, ein Umſtand,
der ſchon allein vermoͤgend iſt den Entſchloſſenſten und Lebhafteſten niedergeſchla-
gen zu machen. Endlich ſo hatten auch die Angeln und Leinen, welche bereits
im November waren ausgetheilt worden, bis jetzt noch zu nichts gedient, weil
in dieſen hoͤhern Breiten das Meer uͤberall grundlos war, und nirgends andre
als Wallfiſche zum Vorſchein kamen. Doch ließ ſich freylich, da wir nun ein-
mal nicht ſo gluͤcklich waren Land zu treffen, nichts beſſeres erwarten; denn es iſt
bekannt, daß man nur im heißen Himmelsſtriche allein, fern vom Ufer und Sand-
baͤnken, in unergruͤndlichen Gegenden der See mit der Angel Fiſche zu fangen
hoffen kann
1773.
Maͤrz.
Atrum
Defendens piſces hiemat mare.
Horatius.
Auf ſolche Weiſe war denn die lange Zeit, welche wir in ofner See ohne
Land zu ſehen und ohne irgend eine Art von Erfriſchungen zu genießen zubringen
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